Drucksache 17 / 16 077 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 27. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. April 2015) und Antwort Altbaumodernisierung der Gesobau in Pankow – Ursache für Verlust von Baukultur, Mietsteigerung und Verdrängung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Teilt der Senat – vor dem Hintergrund, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU in Pankow aktuell zahlreiche Gründerzeitaltbauten, u.a. in der Kavalierstr. 19/19A saniert und im Grundsatz die Herrichtung der Altbauten begrüßenswert ist, die konkrete Sanierungsstrategie allerdings auch deshalb zu Protesten betroffener Mieter/-innen führt, weil sie Maßnahmenum- fang und den Nutzen einzelner Maßnahmen kritisch sehen und exorbitante Mietsteigerungen und Verdrängung fürchten – die Auffassung, dass das Ziel der Sanierung sein sollte, mit möglichst wenig Aufwand bei Wahrung gesunder Wohnverhältnisse einen Energieverbrauch von ca. 50-60 kWh/m²a zu erreichen? Antwort zu 1: Die geplanten Modernisierungsmaß- nahmen in der Kavalierstraße 19 orientieren sich wie alle Modernisierungsvorhaben der GESOBAU am baulichen Erneuerungsbedarf, an den wirtschaftlichen Möglichkei- ten und an den Wünschen der Mieter und Mieterinnen. Im Rahmen der Bestandserfassung werden aus diesem Grund Gespräche zwischen jedem Mieter und jede Mieterin und einer externen Mieterbetreuung geführt, deren Ansatz es ist, eine sozialverträgliche Modernisierung im Sinne aller Beteiligten vorzubereiten. Im Ergebnis werden die ge- planten Maßnahmen auf Informationsveranstaltungen den Bewohnerinnen und Bewohnern erläutert, und es besteht die Möglichkeit, im Rahmen individueller Modernisie- rungsvereinbarungen die möglichen und notwendigen Baumaßnahmen in den Wohnungen zu vereinbaren. Die GESOBAU AG verfolgt dabei erfolgreich das Konzept, die alte Bausubstanz umfänglich energetisch zu ertüchtigen und dabei eine sozialverträgliche und miet- preisdämpfende Modernisierung durchzuführen, um die gewachsenen Nachbarschaftsstrukturen als eigenständi- gen Wert der Bestandsentwicklung mit der energetischen Sanierung zu erhalten. Trotz des damit verbundenen Spannungsbogens, strebt die GESOBAU AG zum Bei- spiel durch behutsame energetische Sanierungen und Modernisierungen oder Dämmungen einen Energiever- brauch von ca. 50-60 kWh/m²a an. Allerdings sind ener- getische Verbrauchswerte immer im Kontext, insbesonde- re mit bautechnisch und bauphysikalisch sinnvollen Maß- nahmen, zu beurteilen (Bsp.: Zusammenhang zwischen Bautyp, Fassadendämmung und Fenstererneuerung). Frage 2: Welcher energetische Zielwert gilt für die Sanierung öffentlicher Bestandsgebäude und welche Zielwerte hat der Senat den städtischen Wohnungsbauge- sellschaften für die Sanierung von Bestandsgebäuden vorgegeben? Antwort zu 2: Mit der noch in der vergangenen Legis- laturperiode beschlossenen „Klimaschutzvereinbarung von 2011 bis 2020“ wurde zwischen dem Senat von Berlin und der GESOBAU AG eine Reduzierung der durch- schnittlichen CO2-Emissionen von 2,69 t CO2/Wohnung p.a. auf 1,38 t CO2/Wohnung p.a. vereinbart. Der GESOBAU AG wurden keine Zielwerte in Bezug auf den energetischen Standard vorgegeben. Allerdings ist mit den Förderprogrammen der KfW 1 das Erreichen ener- getischer Richtwerte durch Förderanreize verbunden, die die Gesellschaft im Rahmen der energetischen Sanierung des energetisch besonders problematischen Wohnungsbe- standes umsetzt. Frage 3: Wie bewertet der Senat den 2001 in Auftrag gegebenen und 2014 neugefassten Leitfaden HO.09 für die Runderneuerung von Berliner Kastenfenstern und ist dieser den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und bezirklichen Baubehörden bekannt? Wenn nein, warum nicht? 1 Kreditanstalt für Wiederaufbau Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 077 2 Antwort zu 3: Der Leitfaden HO.09 (Runderneuerung von Kastenfenstern aus Holz) ist dem Senat und der GE- SOBAU AG bekannt und wird bei Entscheidungen zu Umfang und Art von Modernisierungsmaßnahmen be- rücksichtigt. Die GESOBAU AG pflegt hierzu den Aus- tausch mit dem Deutschen Energieberater-Netzwerk e.V. Frage 4: Ist dem Senat bekannt, dass ein runderneuer- tes Fenster einen U-Wert von 1,1 W/m²K oder kleiner aufweist und ein Schalldämmmaß von 39-44 dB(A), und wie ist der U-Wert eines neuen PVC-Fenster im Einbau- zustand zu bewerten? Antwort zu 4: Bei den in der Frage wiedergegebenen U 2 -Werten handelt es sich um theoretische Werte, die wesentlich von der Ausgangskonstruktion und der Be- schaffenheit des Ausgangsmaterials der vorhandenen Fenster abhängen. Der Wert kann daher nicht generalisie- rend herangezogen werden. Allerdings ist eine wirtschaft- liche Abwägung des erforderlichen finanziellen Aufwan- des vor dem Hintergrund einer sozialverträglichen und mietpreisdämpfenden Gesamtinvestition notwendig. Der U-Wert eines neuen Kunststofffensters in Einbauzustand schwankt je Einbauart und U-Wert des Fensters vor Ein- bau. Ein U-Wert im Einbauzustand von 1,3 W/m²K ist aber grundsätzlich gewährleistet. Frage 5: Wieviel kostet nach Erkenntnissen des Senats die Runderneuerung nach HO.09 pro m² und wieviel kostet ein der EnEV 2014/2016 entsprechendes PVC- Fenster mit einer vergleichbaren Teilung mit Einbau und erforderlichen Verputzarbeiten innen und außen und ei- nem vergleichbaren Glasanteil pro m²? Antwort zu 5: Kostenauswertungen der GESOBAU AG haben für die Runderneuerung eines Kastendoppel- fensters Kosten von ca. 830,- €/m² brutto ergeben. Ein vergleichbares Kunststofffenster kostet nach aktuellen Ausschreibungen ca. 350,- €/m² brutto. Frage 6: Wie kommuniziert der Senat gegenüber den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und den bezirkli- chen Baubehörden, dass sich die Obere Denkmalschutz- behörde für den Erhalt des Berliner Kastenfensters aus- spricht und dieses auch in der Ausstellung "Denkmal energetisch" dokumentiert hat? Antwort zu 6: Der direkte Austausch mit maßgebli- chen Wohnungsbauunternehmen durch die Oberste Denkmalschutzbehörde ist angestoßen. Eine neue Infor- mationsmappe ist in Vorbereitung. Das Thema Fenster ist Haupt-Themenkomplex einer öffentlichen Fach- Veranstaltung zum Tag des offenen Denkmals. 2 Wärmedurchgangskoeffizient Frage 7: Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass durch die Gesobau gut erhaltene und für eine Runderneu- erung geeignete Fenster ausgetauscht und durch PVC- Fenster ersetzt werden sollen? Antwort zu 7: Auch wenn es sich beim Modernisie- rungsvorhaben Kavalierstraße 19 nicht um ein unter Denkmalschutz stehendes Objekt handelt, sind Kasten- doppelfenster besondere bauliche Elemente, die im Land Berlin die Baukultur prägen. Grundsätzlich sollte ange- strebt werden, Kastendoppelfenster zu erhalten. Die Entscheidung des Unternehmens in diesem Ein- zelfall nach Eruierung der Kosten PVC-Fenster einzuset- zen, hat zu kritischen Nachfragen geführt.. Frage 8: Was wird der Senat unternehmen, um im Dialog mit den städtischen Wohnungsbau-gesellschaften das richtige Maß der energetischen Sanierung von Grün- derzeitaltbauten im Einklang mit baukulturellen Werten und Förderung regionaler Bautradition und -kompetenz zu finden? Antwort zu 8: Das Thema „Denkmalschutz und energetische Sanierung“ wird seit Jahren zwischen den Denkmalbehörden und der Wohnungswirtschaft intensiv diskutiert. Dabei ist der in dieser Schriftlichen Anfrage exemplarisch aufgegriffenen Zielkonflikt „Fensteraustausch versus Fenstererneuerung“ nur eine aus einer Vielzahl schwierig zu lösender Abwägungsfragen zwischen Denkmalschutz, Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit energetischer Sanierungsmaßnah- men. Im Jahresverlauf 2015 sind gemeinsame Strategiege- spräche der Obersten Denkmalschutzbehörde mit den Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossen- schaften geplant. Berlin, den 11. Mai 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Mai 2015)