Drucksache 17 / 16 096 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 28. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. April 2015) und Antwort Wann kommt die vierte Reinigungsstufe bei Berlins Kläranlagen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Bis wann plant der Senat die Kläranlagen Berlins mit einer vierten Reinigungsstufe auszustatten, um die Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtli- nie (WRRL) einzuhalten und Arzneimittelreste, Mikro- plastik, Biozide und Phosphate verlässlich aus dem Was- ser filtern zu können? Frage 2: Welche Stoffe sollen auf einer weiteren Rei- nigungsstufe entfernt werden? (Bitte um Auflistung der Klärwerke, der Stoffe und der präferierten Verfahren) Frage 3: Können ohne eine vierte Reinigungsstufe die Vorgaben der WRRL erfüllt werden? Antwort zu 1 bis 3: Im Rahmen der Aufstellung des Nährstoffkonzeptes Berlin-Brandenburg (Teil 3 „Maßnahmen und Strategien zur Reduzierung der Nährstoffbe- lastungen“, 2015) sind die Kläranlagen als eine maßgebliche Emissionsquelle für die Nährstoffbelastung der Ge- wässer herausgestellt worden. Bis 2027 sind alle Groß- klärwerke im Berlin-Brandenburger Spree-Havelraum gemäß dem Konzept zeitlich gestaffelt mit einer weiter- gehenden Nährstoffelimination auszustatten, um die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) errei- chen zu können. Favorisiert wird die Einführung der Flo- ckungsfiltration. Explizite Forderungen zum Rückhalt von Spurenstof- fen auf den Klärwerken ergeben sich nicht aus der WRRL. Es existieren keine rechtsverbindlichen Umwelt- qualitätsnormen für berlinrelevante Arzneimittelreste. In Berlin ist im Rahmen des vorsorgenden Umweltschutzes die Einführung einer Spurenstoffelimination auf der Klär- anlage Schönerlinde zum Schutz des Tegeler Sees und des Wasserwerks Tegel in Vorbereitung. Zu Mikroplastik wird auf die ausführliche Beantwor- tung der Schriftlichen Anfrage 17/14968 verwiesen. Frage 4: Wie viele Tonnen Phosphor (bei den derzei- tigen Phosphorfrachten) könnten pro Jahr durch die Er- richtung einer vierten Reinigungsstufe zurückgehalten werden? Antwort zu 4: Mit der Einführung der Flockungsfiltra- tion auf allen Kläranlagen der Berliner Wasserbetriebe (BWB) können ca. 60 bis 70 Tonnen Phosphor zusätzlich zurückgehalten werden (durchschnittliche Fracht 2010 bis 2013: 93 Tonnen pro Jahr Phosphor total). Frage 5: Welche Verfahren (Membranfiltration, Raumfiltration, Mikrosiebung, Ozonierung) sollen beim Bau der vierten Reinigungsstufen angewendet werden? Welche Vor- und Nachteile haben die einzelnen Verfah- ren? Antwort zu 5: Die BWB bereiten sich auf absehbare Klärwerksentwicklungen mit betriebsnaher Forschung und konzeptioneller Planungen vor. Für eine weiterge- hende Phosphorelimination auf den Großklärwerken der BWB bietet sich die nachgeschaltete Flockungsfiltration an (P-Fällung und Flockung über eine Raumfiltration). Sie hat im Vergleich zur Membranfiltration einen gerin- geren Energieverbrauch und es existieren zahlreiche reali- sierte Referenzen und ausreichend gute Betriebserfahrun- gen. Die abschließende technologische Festlegung erfolgt allerdings erst mit der Vorplanung. Diese wird begonnen, wenn die behördlichen Anforderungen, z.B. in Form eines Sanierungsbescheides, konkretisiert sind. Die Verfahren der Ozonung bzw. Adsorption an Ak- tivkohle dienen nicht der Phosphorentfernung, sondern der Spurenstoffentfernung. Mit diesen beiden Verfahren ließe sich eine Bandbreite an organischen Spurenstoffen, die in der Kläranlage nicht weitgehend genug entfernt werden (z.B. einige Medikamentenrückstände), weiter reduzieren. Die Spurenstoffentfernung stellt somit eine weitere gesonderte Reinigungsstufe dar. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 096 2 Vorgaben und Zielwerte für die Spurenstoffentfernung für die Klärwerke der Berliner Wasserbetriebe liegen noch nicht vor. Dazu bedarf es noch umfangreicher Un- tersuchungen und Abwägung zu Machbarkeiten und Um- weltentlastungseffekten. Siehe auch Antwort zu Frage 1 (Klärwerk Schönerlinde). Frage 6: Welche Kosten würden durch die Errichtung einer vierten Reinigungsstufe bei allen Berliner Klärwer- ken entstehen? (Bitte um Auflistung der Kosten nach Klärwerk) 1. Welche Mehrkosten würden jährlich für den Be- trieb der vierten Reinigungsstufe anfallen? 2. Sollen die anfallenden Kosten über die Abwasser- abgabe finanziert werden? Antwort zu 6 und 6.1: Für die Nachrüstung der Klär- werke Ruhleben, Münchehofe, Waßmannsdorf und Stahnsdorf mit einer nachgeschalteten Flockungsfiltration zur weitergehenden P-Elimination werden derzeit Investi- tionen von rund 180 Mio. € angenommen und laufende jährliche Kosten von rund 20 Mio. € pro Jahr. Genaue Kostenschätzungen sind erst mit der Vor- bzw. Entwurfs- planung möglich. Für eine zusätzliche Spurenstoffentfernung auf den Klärwerken kann derzeit keine Kostenaussage getroffen werden. Denn es ist grundsätzlich noch zu klären, welche Klärwerke nachgerüstet werden müssen und welche stoff- lichen Anforderungen an den Klärwerksablauf künftig zu stellen sind. Derzeit laufen Untersuchungen zur Bewer- tung und Konkretisierung des Handlungsbedarfs. Antwort zu 6.2: Die Kosten für die Nachrüstung der Kläranlagen können mit der zu zahlenden Abwasserabga- be verrechnet werden. Frage 7: Welche Planungen bestehen bezüglich einer energetischen Optimierung der Berliner Kläranlagen zur Senkung des Strombedarfs? Antwort zu 7: Durch die Errichtung zusätzlicher Rei- nigungsstufen wird der Energieverbrauch der Klärwerke deutlich ansteigen. Unabhängig davon ist die energetische Optimierung der Berliner Kläranlagen ein laufender Prozess. Zahlrei- che Maßnahmen der energetischen Optimierung von Klärwerksprozessen wurden bereits durchgeführt. Der Fokus steht dabei sowohl auf Energieeffizienz wie auch Energieeffektivität. Zu den realisierten Maßnahmen zäh- len z.B. die Optimierung der energieintensiven Belüftung, die Optimierung der Faulung/Biogasproduktion, die Er- höhung der Wirkungsgrade der Blockheizkraftwerke. Aber auch die Realisierung von Maßnahmen zur Substitu- tion des Energieeinkaufs durch Implementierung alterna- tiver Energiequellen, wie z.B. die realisierten Windkraft- anlagen im Klärwerk Schönerlinde, ist Bestandteil einer laufenden Prüfung. Frage 8: Wurden, wie durch das Umweltbundesamt gefordert, Risikoanalysen bei den Kläranlagen durchge- führt, um zu prüfen, wo eine vierte Reinigungsstufe sinn- voll und nötig ist? Wenn nein, wieso nicht? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Antwort zu 8: Es wurden keine Risikoanalysen bei den Kläranlagen durchgeführt. Eine entsprechende Forde- rung des Umweltbundesamtes ist nicht bekannt. Das Land Berlin und die Berliner Wasserbetriebe leiten die Not- wendigkeiten zur Einführung von weitergehenden Elimi- nationsstufen auf der Grundlage dezidierter Konzepte und Umweltrisikoanalysen ab. Frage 9: Welche Messwerte liegen für Arzneimittel- reste in den Gewässern Berlins vor? Bitte um Nennung der Werte der letzten 10 Jahre. Frage 10: Welche Messwerte liegen für Biozide in den Gewässern Berlins vor? Bitte um Nennung der Werte der letzten 10 Jahre. Antwort zu 9 und 10: Im Rahmen des Oberflächen- wassermonitorings der Senatsverwaltung für Stadtent- wicklung und Umwelt wurden in den Jahren 2009, 2010 und zuletzt 2014 an Messstellen in Dahme, Spree, Ober- havel und Teltowkanal für ausgewählte Arzneistoffe und Biozide Sonderuntersuchungen durchgeführt. Es erfolgten 6 - 12 Beprobungen pro Messstelle und Jahr. Eine gesetz- liche Verpflichtung zu regelmäßigen Arzneistoffuntersu- chungen besteht derzeit nicht. Ergänzend liegen der Se- natsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Unter- suchungsergebnisse der Berliner Wasserbetriebe aus dem Zeitraum 2007 bis 2014 für weitere Messstellen und Ge- wässer vor, die im Rahmen verschiedener Forschungspro- jekte erhoben wurden. Eine Auflistung aller Werte im Rahmen dieser Anfrage ist nicht möglich und kann auf Nachfrage bereitgestellt werden. Frage 11: Gibt es neue Erkenntnisse bezüglich der Mikroplastikbelastung in Berlins Gewässern? Antwort zu 11: Zu Mikroplastik wird auf die ausführ- liche Beantwortung der Schriftlichen Anfrage 17/14968 verwiesen. Berlin, den 08. Mai 2015 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mai 2015)