Drucksache 17 / 16 102 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger (GRÜNE) vom 27. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. April 2015) und Antwort Was bringt die Wohngelderhöhung für Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Berliner Bedarfsgemeinschaften, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) oder Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) beziehen, erhalten vorwiegend Zuschüsse für die Kosten der Unterkunft oder sind als sogenannte Aufstocker zu bezeichnen? Antwort zu 1: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (StatistikService) erhielten im Dezember 2014 im Land Berlin insgesamt 306.461 Bedarfsgemeinschaften (BG) bzw. 557.940 Personen Leistungen nach dem Sozi- algesetzbuch (SGB) II. Davon erhielten 293.472 BG Leis- tungen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung. Insge- samt beziehen davon 14.083 BG ausschließlich Leistun- gen für die Kosten der Unterkunft. Von der Gesamtanzahl der leistungsbeziehenden Per- sonen sind insgesamt 406.577 Personen erwerbsfähig. Von diesen Personen sind insgesamt 125.147 Personen als erwerbstätig mit Leistungsanspruch auf Grundsiche- rung nach dem SGB II erfasst und verfügen somit über Bruttoeinkommen aus abhängiger und/oder selbständiger Erwerbstätigkeit. Entsprechende Daten für Leistungsbeziehende nach dem SGB XII können nach Auskunft der zuständigen Senatsverwaltung nicht ermittelt werden. Frage 2: Wie viele Berliner Haushalte hätten nach Schätzung des Senats Anspruch auf Wohngeld, wenn die Tabellenwerte des Wohngeldes um durchschnittlich 39 % erhöht bzw. die Miethöchstbeträge für die Mietenstufe IV um ca. 21 % angehoben werden, wie diese augenblicklich vom Bundesbauministerium geplant wird (wenn möglich nach Bezirken und Haushaltsgröße und Gruppe der Leis- tungsberechtigten aufschlüsseln)? Antwort zu 2: Der Bundesgesetzgeber geht nach durchgeführten Simulationsrechnungen davon aus, dass bundesweit rund 866.000 Haushalte (Quelle: BR 1 -Drs. 128/15) von der geplanten Wohngelderhöhung ab 01.01.2016 profitieren. Hierunter fallen die bisherigen Wohngeldhaushalte, Hereinwachserhaushalte und Wechs- lerhaushalte. Der Anteil Berlins an den Wohngeldemp- fängerhaushalten bundesweit lag laut der letzten vorlie- genden amtlichen Statistik im Jahr 2012 bei 4,1 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt – Wohngeldhaushalte nach Bundesländern im Zeitvergleich am 31.12.). Von diesem Wert ausgehend und unter Zugrundelegung der Schätzung des Bundes wird für Berlin durch die geplante Wohngeldreform in 2016 mit insgesamt rund 35.500 Wohngeldempfängerhaushalten gerechnet. Zur Zeit sind im Land Berlin annähernd ca. 20.000 Wohngeldempfän- gerhaushalte zu verzeichnen. Frage 3: Wie viele Haushalte, die im Augenblick Zu- schüsse zum Lebensunterhalt nach SGB II und SGB XII erhalten, werden voraussichtlich von der von Bundes- bauministerin Hendricks geplanten Erhöhung des Wohn- geldes profitieren bzw. nicht mehr auf die erstgenannten Leistungen angewiesen sein (wenn möglich nach Haus- haltsgröße, Bezirk und Leistungstyp aufschlüsseln)? Antwort zu 3: Unter Zugrundelegung der durch den Bund geschätzten bundesweiten Zahlen von Wechsler- haushalten aus dem SGB II (42.000) und dem SGB XII (35.000) im Jahr 2016 (Quelle: BR-Drs. 128/15) wird der Anteil Berlins bei den Wechslerhaushalten mit rund 1.700 Haushalten aus dem SGB II und rund 1.400 Haushalte aus dem SGB XII geschätzt. Frage 4: Wie bewertet der Senat die Auswirkungen der geplanten Wohngelderhöhung auf den Berliner Haus- halt? 1 Bundesrat Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 102 2 Antwort zu 4: In der Plafondfortschreibung wurden für die Jahre 2016/2017 Wohngeldleistungen von jeweils 66 Mio. € (brutto) berücksichtigt. Der Bund beteiligt sich mit 50 % an den Ausgaben. Gegenüber dem Ist 2014 in Höhe von brutto rund 33,3 Mio. € ist dies eine Verdopplung . Ausgehend von den Erfahrungen der letzten Wohn- geldnovelle von 2009 dürfte diese Vorsorge ausreichen, um den voraussichtlichen Bedarf ab dem Jahr 2016 zu decken. Frage 5: Wird sich der Senat für eine Änderung des Bundeswohngeldgesetzes zugunsten einer Orientierung der Wohngeldhöhe an der Bruttowarmmiete einsetzen, um den steigenden Energiekosten Rechnung zu tragen? Wenn ja, wie? Antwort zu 5: Der Bundesgesetzgeber beabsichtigt mit Blick auf die Entwicklung der Wohnkosten der letzten Jahre die „Tabellenwerte“ des Wohngeldes anzupassen. Dabei berücksichtigt der Bundesgesetzgeber bereits bei der Anpassung der Tabellenwerte auch die „warmen“ Nebenkosten, d.h., dass neben der „Bruttokaltmiete“ auch erstmals die Heiz- und Energiekosten berücksichtigt wer- den sollen. Dies wird von Seiten des Senats ausdrücklich begrüßt. Frage 6: Wird sich der Senat für eine Klima- Komponente beim Wohngeld einsetzen, die die energeti- sche Sanierung von Gebäuden für Vermieter attraktiver macht und GeringverdienerInnen nicht benachteiligt? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 6: Die beabsichtigte Anpassung der Miet- höchstbeträge um im Durchschnitt ca. 21 Prozent berück- sichtigt auch überdurchschnittliche (Bruttokalt-)Miet- erhöhungen bereits Wohngeld empfangender Haushalte, die auch durch energetische Sanierungen ausgelöst sein können. Gleichzeitig wird Haushalten mit geringerem Einkommen der Zugang zu den entsprechend sanierten Wohnungen durch die Anhebung des Miethöchstbetrages leichter ermöglicht. Wohngeld stellt nach seinem Sinn und Zweck eine Subjektförderung zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens dar (§ 1 Abs. 1 Wohngeldgesetzes – WoGG), so dass andere als sozialrechtliche Aspekte der Systematik des Wohngeldgesetzes widersprechen. Frage 7: Wird sich der Senat für eine nach Teilräumen differenzierte Erhöhung der Mietenstufen für Berlin ein- setzen, um dem im Bundesvergleich überproportional starken und nach Teilgebieten der Stadt stark differenzier- ten Anstieg der Angebotsmieten Rechnung zu tragen? Wenn ja, wie wird der Senat dabei vorgehen? Antwort zu 7: Die Mietenstufeneinteilung erfolgt ge- mäß § 12 WoGG durch das Statistische Bundesamt auf Gemeindeebene. Das Land Berlin stellt als Stadtstaat eine Einheitsgemeinde dar. Die Zugehörigkeit zu einer Mie- tenstufe richtet sich nach dem durchschnittlichen Mieten- niveau von Wohnraum der Leistungsbeziehende der Ge- meinde. In die statistischen Grundlagen für die Ermittlung des Mietenniveaus fließen somit auch diejenigen Berliner Mieten ein, die über dem Miethöchstbetrag liegen. Die Bezirke hingegen sind keine eigenständigen Ge- bietskörperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit. Vielmehr handelt es sich bei ihnen um „Selbstverwaltungseinheiten Berlins ohne Rechtspersönlichkeit“ (§ 2 Abs. 1 Bezirksverwaltungsgesetz), so dass sie nicht unter den Begriff Gemeinde des § 12 Abs. 3 WoGG fallen. Die Wohngeldreform wird eine Neufestlegung der Mietenstufen beinhalten, deren Grundlage das Mietenni- veau des Jahres 2012 sein wird. Nach Angaben des zu- ständigen Bundesministeriums sind die Mieten der Hauptmieterhaushalte in Berlin mit +11 Prozent seit 2006 nur etwas stärker als im Bundesdurchschnitt (+9 Prozent), also nicht überproportional, gestiegen. Frage 8: Durch welche Maßnahmen, wie Aufstockung des geschulten Personals in den Bezirken, will der Senat im Falle der Erhöhung des Wohngeldes dafür Sorge tra- gen, dass möglichst viele wohngeldberechtigte Haushalte in Berlin ihren Anspruch wahrnehmen? Antwort zu 8: Der Senat schätzt unter Berücksichti- gung der geplanten Wohngeldleistungsnovelle und einem Inkrafttreten zum 01.01.2016 einen Zugang von insge- samt über 91.000 Wohngeldanträgen (Erst-, Weiterleis- tungs- und Erhöhungsanträge) für das Jahr 2016. Bei der Bemessung des Zuweisungspreises für das „Produkt Wohngeld“ für das Jahr 2016 ist daher die prognostizierte deutliche Zunahme an Wohngeldanträgen zu beachten. Hierzu soll kurzfristig im Rahmen einer Ar- beitsgruppe zwischen den Bezirken und der zuständigen Senatsverwaltung eine Abstimmung über den erforderli- chen Personalmehrbedarf erfolgen. Die Bezirke, die für die Durchführung des Wohngeldgesetzes im Land Berlin zuständig sind, steuern dann den Personaleinsatz entspre- chend den von ihnen definierten Schwerpunkten im Be- zirk selbst. Darüber hinaus plant der Senat bei Bedarf für das notwendig einzustellende Personal Schulungen zum Wohngeldfachverfahren „Dialogisierten Wohngeldverfahren - DiWo“, welches bei der Wohngeldbearbeitung berlinweit genutzt wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 102 3 Die Wohngeldnovelle sieht unter anderem vor, dass alle Haushalte, die bereits zum Inkrafttreten Wohngeld beziehen, auch ab dem 01.01.2016 in den Genuss der Erhöhung kommen sollen. Hierzu ist eine automatisierte Bescheidung durch das Verfahren DiWo vorgesehen, die weitestgehend ohne Verzögerung und großen Verwal- tungsaufwand vollzogen werden soll. Frage 9: Welche zusätzlichen Verwaltungsvereinfa- chungen in der geplanten Wohngeldreform sind dem Senat bekannt? Antwort zu 9: Nach Vorschlägen und Vorabstimmun- gen mit den Ländern sind mit dem Entwurf eines Geset- zes zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungs-gesetzes beispielhaft folgende Verwaltungsvereinfachungen vorgesehen:  Entfall des Nachweises und Bewertens einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft  Entfall des Nachweises „Gemeinsames Sorgerecht “ bei getrennt lebenden Eltern mit gemeinsam betreuten Kindern  Präzisierung der Abgrenzungsmöglichkeit von transferleistungs- und wohngeld-berechtigten Per- sonen  Wegfall einiger selten auftretender Mietabzugsbeträge mit hohem Ermittlungs-aufwand  Konkretisierungen beim Einkommensbegriff  Schaffung eigener Aufhebungsnormen. Berlin, den 08. Mai 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Lütke Daldrup ............................................. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mai 2015)