Drucksache 17 / 16 133 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 14. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mai 2015) und Antwort Verkehrssicherheit nach Konsum von berauschenden Mitteln Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hoch ist nach Auffassung des Senats das relative Unfallrisiko bei einer Verkehrsteilnahme unter Einfluss der berauschenden Mittel Alkohol und Cannabis? (Bitte aufschlüsseln nach: Alkohol 0,5 Promille BAK Vollblut, Alkohol 1,05 Promille BAK Vollblut, Cannabis THC unter 5 ng/ml Blutserum, Cannabis THC über 10 ng/ml Blutserum) Antwort zu 1: Seitens des Senats kann zu dieser Frage keine belastbare Antwort - auch unter Berücksichtigung der Fallzahlen aus den Antworten zu den Fragen 4 und 5 - gegeben werden. Um diese seriös beantworten zu können, reicht aus hiesiger Sicht eine Zugrundelegung vorhande- ner Zahlen allein auch vor dem Hintergrund nicht aus, dass das Dunkelfeld in diesem Deliktsbereich hoch ist. Vielmehr sind für eine Beurteilung eines Unfallrisikos Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien und darüber hinaus valide Parameter für die Bemessung eines Risikos erforderlich. An dieser Stelle wird auf die Ergebnisse der unter- schiedlichen Studien und Untersuchungen, die u.a. durch die Bundesanstalt für Straßenwesen durchgeführt wurden, verwiesen. Frage 2: Ab welcher nachgewiesenen THC- Konzentration im Blutserum in ng/ml geht der Senat aktuell davon aus, dass nach verfassungskonformer Aus- legung des § 24a StVG eine THC-Konzentration vorliegt, welche die Annahme rechtfertigt, dass der/die untersuchte Kraftfahrzeugführer*in am Verkehr teilgenommen hat, obwohl seine/ihre Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war? Antwort zu 2: Maßgeblich ist für den Senat insoweit die höchstrichterliche Rechtsprechung. Das Führen von Kraftfahrzeugen unter der Wirkung bestimmter, in der Anlage zu § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG) aufge- führter berauschender Mittel, u.a. Cannabis, stellt unter den Voraussetzungen von § 24 a Absatz 2 StVG eine Ordnungswidrigkeit dar. Dieser Ordnungswidrigkeitstat- bestand setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts voraus, dass eine Wirkstoffkonzentration der betreffenden Substanz zumindest in einer Höhe fest- gestellt wird, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit als möglich erscheinen lässt. Der Grenzwert für THC 1 beträgt 1 ng/ml im Serum. Dieser Wert ist kein Gefahrengrenzwert, sondern ein sog. analytischer Messwert (d.h. mit ausreichender Genauig- keit bestimmbar), der nach dem Beschluss des Bundesver- fassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - eine THC- Konzentration anspricht, „die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war“. Der Beschluss verweist auf entsprechende Empfeh- lungen der „Grenzwertkommission“ (diese berät als fachübergreifende Arbeitsgruppe, der Vertreter der auf diesem Gebiet tätigen rechtsmedizinischen und toxikologischen Fachgesellschaften angehören, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur), die u.a. aus wissen- schaftlicher Sicht die Festlegung von analytischen Grenzwerten für die in der Anlage zu § 24a Absatz 2 StVG genannten Substanzen prüft. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin- Brandenburg geht in seiner Rechtsprechung (u.a. Be- schluss vom 1. August 2011 - OVG 1 S 118.11) unter Hinweis auf den vorstehend genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon aus, dass „ab einem THC-Wert von 1 ng/ml von einer psychoaktiven Beeinflussung und insofern bei Teilnahme am öffentli- chen Straßenverkehr von fehlendem Trennungsvermögen auszugehen ist“. 1 Tetrahydrocannabinol Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 133 2 Frage 3: Plant der Senat, diesen Grenzwert für THCKonzentration aufgrund aktueller wissenschaftlicher Er- kenntnisse und Studien zu überarbeiten? Wenn ja, welche konkreten Änderungen sind geplant? Antwort zu 3: Der Senat plant nicht, diesen Grenzwert für THC-Konzentration zu überarbeiten. Die Zuständig- keit hierfür liegt - siehe Antwort zu Frage 2 - bei der Grenzwertkommission. Frage 4: Wie viele Unfälle (insgesamt, mit Personenscha ̈den oder mit Todesfolge) wurden durch Fahrten unter Einfluss von berauschenden Mitteln in den Jahren 2013 und 2014 im Land Berlin registriert? (Bitte nach Unfall- fahrten unter Alkoholeinfluss und solchen unter Einfluss „anderer berauschender Mittel“ gem. Anlage zum § 24a StVG und Unfallfolge einzeln aufschlüsseln.) Antwort zu 4: In den nachfolgenden Tabellen werden die durch die Polizei Berlin registrierten Verkehrsunfälle dargestellt, bei denen im Rahmen der Bearbeitung festge- stellt wurde, dass ein Einfluss durch Alkohol bzw. Drogen beim Unfallverursacher vorlag. Welchen Beeinflussungsgrad das jeweilige Mittel hat- te, lässt sich nicht feststellen. Zur besseren Differenzie- rung wurden die Verkehrsunfälle (VU) in die Gruppen a) VU unter Einfluss berauschender Mittel (Alkohol und Drogen) insgesamt, b) VU nur durch Alkohol, c) VU nur durch Drogen und d) VU durch Mischkonsum (Alkohol und Drogen) eingeteilt. a) Jahr 2014 2013 VU 2 unter Einfluss berauschender Mittel insgesamt 1.409 1.507 davon mit Getöteten 2 4 mit Schwerverletzten 101 88 mit Leichtverletzten 368 360 b) Jahr 2014 2013 VU nur durch Alkohol 1.282 1.368 davon mit Getöteten 2 4 mit Schwerverletzten 94 81 mit Leichtverletzten 334 329 c) Jahr 2014 2013 VU nur durch Drogen 82 91 davon mit Getöteten 0 0 mit Schwerverletzten 2 4 mit Leichtverletzten 21 19 2 Verkehrsunfälle d) Jahr 2014 2013 VU durch Mischkon- sum (Alkohol und Dro- gen) 45 48 davon mit Getöteten 0 0 mit Schwerverletzten 5 3 mit Leichtverletzten 13 12 Frage 5: Wie viele Verstöße gegen § 24a StVG wurden in den Jahren 2013 und 2014 durch die Polizei Berlin zur Anzeige gebracht? (Bitte nach Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss und unter Einfluss „anderer berauschender Mittel“ gem. Anlage zum § 24a StVG einzeln aufschlüsseln.) Antwort zu 5: Jahr 2014 2013 Verstöße insgesamt 2.968 3.937 Alkohol 1.019 1.192 Drogen 1.949 2.745 Frage 6: In wie vielen Fällen wurde die Fahrerlaubnis in den Jahren 2013 und 2014 wegen „fehlendem Trennungsvermo ̈gen“ nach Bekanntwerden eines Verstoßes gegen § 24a StVG durch die zuständige Fahrerlaubnisbeho ̈rde gänzlich entzogen? (Bitte nach Entziehung wegen Alkoholkonsum mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 8.2 FeV und wegen Cannabiskonsum mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 9.2.2 aufschlüsseln.) Frage 7: In wie vielen Fällen wurde die Entziehung der Fahrerlaubnis in den Jahren 2013 und 2014 bei fest- stehender Nichteignung (fehlendes Trennungsvermögen) durch die Verwaltungsbehörden mit sofortiger Wirkung (§ 80 Abs.2 Nr.4 VwGO) zur Gefahrenabwehr angeord- net? (Bitte nach Art des Rauschmittels einzeln auf- schlüsseln.) Antwort zu 6 und 7: Eine statistische Erfassung der Entziehungen im Hinblick auf den Entziehungsgrund erfolgt nicht, so dass keine Angaben möglich sind. Berlin, den 19. Mai 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Mai 2015)