Drucksache 17 / 16 134 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 30. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mai 2015) und Antwort Stand und Perspektiven des Umfangs der Ausbildung von Rechtsreferendar*innen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Kapazitätszahlen für die Bereit- stellung der Referendar*innenausbildung aufgrund der JKapVVO im Land Berlin zu den jeweiligen Einstel- lungsterminen seit 2005 bis heute entwickelt? Zu 1.: Nach § 2 der Verordnung über die Ausbil- dungskapazität und das Vergabeverfahren für den juristi- schen Vorbereitungsdienst (JKapVVO) vom 19. Dezember 2003 (GVBl. S. 619), zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die juristische Ausbildung vom 9. Juni 2004 (GVBl. 237), ist die Ausbildungskapazität jährlich neu festzusetzen. Dies erfolgt gemäß § 3 JKapVVO auf der Grundlage der von der Staats-anwaltschaft Berlin gemel- deten Zahlen zu den dort tätigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Zahlen zu den jährlich ermittelten Ausbildungskapazi- täten liegen ab dem Jahr 2011 vor. Jahr Ausbildungskapazität 2011 1.040 2012 1.000 2013 1.076 2014 1.068 2015 1.020 2. Wie haben sich die tatsächlichen Einstellungszahlen für Rechtsreferendar*innen im Vergleich dazu seit 2005 zu den jeweiligen Einstellungsterminen entwickelt – und für den Fall, dass es hier Differenzen gibt, welche Gründe gab bzw. gibt es dafür jeweils? Zu 2.: Nach § 4 Abs. 1 S. 1 JKapVVO sind zum nächsten Einstellungstermin so viele Bewerberinnen und Bewerber zuzulassen, wie Ausbildungsplätze verfügbar sind und die nach dem Haushaltsplan zum jeweiligen Einstellungstermin zur Verfügung stehenden Ausbil- dungspositionen und Mittel es zulassen. Die Einstellun- gen liegen regelmäßig unter den ermittelten Kapazitäten. Dies ist einerseits bedingt durch die Vorgaben für den Personalhaushalt. Ferner ergeben sich Abweichungen daraus, dass einige Referendarinnen und Referendare länger im Vorbereitungsdienst verbleiben (Ergänzungs- vorbereitungsdienst nach nicht bestandenem Erstversuch, Erkrankung, Elternzeit o. ä.). Die Einstellungszahlen liegen ab dem Jahr 2011 vor, die Einstellungen für 2015 sind noch nicht abgeschlossen. Jahr Einstellungszahlen 2011 699 2012 742 2013 736 2014 702 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 134 2 3. Welche Haushaltsmittel wären – für den Fall, dass eine Differenz zwischen Kapazität und tatsächlicher Ein- stellungspraxis auf fiskalischen Überlegungen beruht – unter Zugrundelegung der Zahlen für 2014 jährlich erfor- derlich, um eine solche Lücke zu schließen? Zu 3.: Für das Jahr 2014 ergibt sich zwischen der fest- gesetzten Ausbildungskapazität und den tatsächlichen Einstellungen eine Differenz von 366 Plätzen. Die Ein- stellung von weiteren 366 Bewerberinnen und Bewerbern würde jährlich - auf der Grundlage der Höhe der monatli- chen Unterhaltsbeihilfe von 1.038,50 € brutto ab August 2015 - Haushaltsmittel in Höhe von mindestens weiteren 5.869.213,19 € erfordern (1.038,50 € Unterhaltsbeihilfe x 12 Monate x 366 Ref. = 4.561.092,00 €, zzgl. 28,68 % vom Arbeitgeber zu tragender Sozialversicherungsbeiträ- ge). In dieser überschlägigen Berechnung sind die für einen Teil der Referendarinnen und Referendare anfallen- den Familienzuschläge noch nicht enthalten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass höhere Einstellungszahlen auch mit Mehraufwendungen für die Ausbildung einhergehen. Bei der derzeitigen Einstellung unter vollständiger Ausschöpfung der verfügbaren Haushaltskapazitäten findet in Berlin die Ausbildung im juristischen Vorberei- tungsdienst weiterhin unter den Bedingungen einer Mas- senausbildung statt, verbunden mit den damit notwendig einhergehenden Mängeln und Beschränkungen im Aus- bildungssystem. Die in der KapVVO ermittelten Werte bilden nur die äußerste Grenze einer theoretischen Aus- bildungskapazität ab. Der eigentliche Engpass besteht in der Zahl verfügbarer ausbildungsgeeigneter und engagier- ter Personen, insbesondere bei den Arbeitsgemeinschafts- leiterinnen und Arbeitsgemeinschaftsleitern. Diese er- bringen ihre Leistungen im Nebenamt. Die Ressourcen hier sind, nicht zuletzt im Hinblick auf die hohe Belastung der Justiz im Übrigen, deutlich beschränkt. In den anderen Ländern haben sich die Bedingungen in den letzten Jahren verbessert. Die Ausbildungszahlen im juristischen Vorbe- reitungsdienst sind bundesweit, nach einem Hochstand Anfang des Jahrtausends, inzwischen um etwa 35 % ge- sunken (Referendarzahlen von 22.800 im Jahr 2001 auf 14.810 im Jahr 2013). Berlin hat sich von diesem bun- desweiten Trend entkoppelt; eine Entwicklung, die weder für das Land noch für die Referendarinnen und Referen- dare vorteilhaft ist. Die Nachfrage und die Einstellungs- zahlen sind in Berlin ungebrochen hoch. Im bundesweiten Vergleich bildet Berlin, bezogen auf die Einwohnerzahl, mit Abstand die meisten Referendarinnen und Referenda- re aus. Dies bedingt die oben dargestellten Probleme bei der Sicherung der Qualität. Darüber hinaus erschwert die Situation im Hinblick auf die letztlich beschränkten zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel die Zahlung einer angemessenen Vergütung. 4. Welche Planungen hinsichtlich der Bereitstellung tatsächlicher Einstellungsplätze verfolgt der Senat für die nächste Doppelhaushaltsperiode (selbstverständlich vor- behaltlich einer Beschlussfassung über das Haushaltsge- setz durch das Parlament)? 5. Beabsichtigt oder plant der Senat in absehbarer Zeit – vorbehaltlich der Beschlussfassung über das Haushaltsgesetz durch das Parlament – eine Anhebung der Unterhaltsbeihilfe der Referendar*innen in der Justiz, um die nachgewiesenen Armutsrisiken auszuschließen oder zu- mindest abzumildern? Wenn ja, welche und wann? Zu 4. und 5.: Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz prüft derzeit, ob mit einer gewissen Absenkung der vorgehaltenen Ausbildungsplätze – dabei erscheint eine Annäherung an die erfolgreichen Absolven- tinnen und Absolventen der ersten juristischen Prüfung sachgerecht - zum einen eine Verbesserung der Ausbil- dungsqualität erzielt und zum anderen ein finanzieller Spielraum für eine maßvolle Anhebung der Anwärterbe- züge geschaffen werden kann. 6. Welche Haushaltsmittel wären jährlich erforderlich, um unter Zugrundelegung der Einstellungszahlen für 2014 eine Anhebung der Unterhaltsbeihilfe a) auf den Bundesdurchschnitt bzw. b) das Brandenburger Niveau der Unterhaltsbeihilfe für Referendar*innen auszufinan- zieren? Zu 6.: Die Angleichung der Unterhaltsbeihilfe für die Referendarinnen und Referendare in Berlin an das aktuel- le Niveau in Brandenburg würde auf der Grundlage der Zahlen für 2015 einen Mehrbedarf von 4.918.184,78 € auslösen (Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten in Höhe von 24.134.104,82 € und fiktiven Kosten in Höhe von 29.052.289,60 €). Mit Stand 1. Mai 2015 befinden sich im juristischen Vorbereitungsdienst beim Kammer- gericht 1.531 Referendarinnen und Referendare. Die Berliner Referendarinnen und Referendare erhal- ten bis einschließlich Juli 2015 eine monatliche Unter- haltsbeihilfe von 1.008,25 € brutto und ab 1. August 2015 eine monatliche Unterhaltsbeihilfe von 1.038,50 € brutto. Im Jahr 2015 werden für die 1.531 Berliner Referendarin- nen und Referendare tatsächliche Kosten von 24.134.104,82 € entstehen - (1.008,25 € Unterhaltsbeihilfe x 7 Monate + 1.038,50 € Unterhaltsbeihilfe x 5 Monate ) x 1.531 Ref. = 18.755.132,75 €, zzgl. 28,68 % vom Arbeitgeber zu tragender Sozialversicherungsbeiträge -. Die Brandenburger Referendarinnen und Referendare erhalten seit dem 1. Januar 2015 eine monatliche Unter- haltsbeihilfe von 1.228,89 € brutto. Bei Angleichung an das Brandenburger Niveau würden für 1531 Referenda- rinnen und Referendare jährlich Kosten von insgesamt 29.052.289,60 € entstehen (1.228,89 € Unterhaltsbeihilfe x 12 Monate x 1.531 Ref. = 22.577.167,08 €, zzgl. 28,68 % vom Arbeitgeber zu tragender Sozialversicherungsbei- träge). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 134 3 Der Bundesdurchschnitt der Referendarvergütung be- lief sich mit Stand 12.03.2014 auf 1.260,42 € brutto monatlich . Die aktuellen Zahlen können davon abweichen. Legt man den Bundesdurchschnitt vom 12.03.2014 zugrunde würde die Angleichung – auf der Grundlage der Höhe der Unterhaltsbeihilfe der Berliner Referendarinnen und Referendare im Jahr 2015 – einen Mehrbedarf von 5.663.597,33 € auslösen (Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten in Höhe von 24.134.104,82 € und fiktiven Kosten in Höhe von 29.797.702,15 €). Bei Angleichung an den Bundesdurchschnitt mit Stand 12.03.2014 würden für 1.531 Referendarinnen und Referendare jährlich Kosten von insgesamt 29.797.702,15 € entstehen (1.260,42 € Unterhaltsbeihilfe x 12 Monate x 1.531 Ref. = 23.156.436,24 €, zzgl. 28,68 % vom Arbeitgeber zu tragender Sozialversicherungsbeiträge). Die für einen Teil der Referendarinnen und Referen- dare anfallenden Familienzuschläge können in dieser Vergleichsberechnung vernachlässigt werden. 7. Welche Haushaltsmittel wären – für den Fall, dass es eine Differenz i.S.v. Frage 2 gibt – jährlich erforderlich , um unter Zugrundelegung der Kapazitätszahlen für 2014 eine Anhebung der Unterhaltsbeihilfe a) auf den Bundesdurchschnitt bzw. b) das Brandenburger Niveau der Unterhaltsbeihilfe für Referendar*innen auszufinan- zieren? Zu 7.: Die Einstellung von weiteren 366 Bewerberin- nen und Bewerbern (entsprechend der Differenz im Jahr 2014, vgl. zu 3.) würde zu einer fiktiven Berechnung auf der Grundlage von 1.897 Referendarinnen und Referenda- ren führen. Bei Angleichung an das Brandenburger Niveau wür- den für 1.897 Referendarinnen und Referendare jährlich Kosten von insgesamt 35.997.524,78 € entstehen (1.228,89 € Unterhaltsbeihilfe x 12 Monate x 1.897 Ref. = 27.974.451,96 €, zzgl. 28,68 % vom Arbeitgeber zu tragender Sozialversicherungsbeiträge). Das ergibt eine Differenz von 11.863.419,96 € im Vergleich zu den tatsächlich entstehenden Kosten für das Jahr 2015 von 24.134.104,82 €. Bei Angleichung an den Bundesdurchschnitt mit Stand 12.03.2014 würden für 1.897 Referendarinnen und Referendare jährlich Kosten von insgesamt 36.921.124,09 € entstehen (1.260,42 € Unterhaltsbeihilfe x 12 Monate x 1.897 Ref. = 28.692.200,88 €, zzgl. 28,68 % vom Arbeitgeber zu tragender Sozialversicherungsbeiträge). Das ergibt eine Differenz von 12.787.019,27 € im Vergleich zu den tatsächlich entstehenden Kosten für das Jahr 2015 von 24.134.104,82 €. Auch hier gilt, dass zusätzlich noch die für einen Teil der Referendarinnen und Referendare anfallenden Famili- enzuschläge sowie die Mehraufwendungen für die Aus- bildung bei erhöhten Einstellungszahlen zusätzlich be- rücksichtigt werden müssten. Berlin, den 18. Mai 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Mai 2015)