Drucksache 17 / 16 136 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 30. April 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mai 2015) und Antwort Wie steht es um Berlins Grundwasser? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hat sich die Qualität des Grundwassers, aus dem das Berliner Trinkwasser gewonnen wird, in den vergangenen zehn Jahren entwickelt, welche Probleme mit Kontaminationen des Grundwassers gab es in dem genannten Zeitraum (bitte nach Jahr und Ort und Was- serwerken aufschlüsseln) und wie haben sich die wich- tigsten Schadstofffahnen entwickelt? Antwort zu 1: Die Qualität des Grundwassers hat sich grundsätzlich in weiten Teilen Berlins durch z.T. jahr- zehntelange Sanierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich vorhandener Boden- und Grundwasserverun- reinigungen deutlich und nachhaltig verbessert. Bezüglich der Entwicklung von Schadstofffahnen können zusammengefasst nachfolgende Aussagen getrof- fen werden: Im Bereich der Wasserwerke Tiefwerder, Spandau und Tegel wurden Schadstofffahnen durch Methyl-tert- butylether (MTBE), leichtflüchtige chlorierte Kohlenwas- serstoffe (LCKW) bzw. Arsen nachgewiesen, die im Rahmen eines Monitorings regelmäßig überwacht wer- den. Bislang waren akute Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht erforderlich. Die Grundwasseruntersuchungen ha- ben in den letzten zehn Jahren keine großen Veränderun- gen gezeigt. Die beiden Wasserwerke Johannisthal und Wuhlheide liegen im Ökologischen Großprojekt Berlin. Bei beiden Wasserwerken wurden jeweils drei Schadstofffahnen nachgewiesen, die den Förderbrunnen aus unterschiedli- chen Richtungen zufließen. Zum Schutz der Trinkwasser- versorgung wurden bereits in den 1990er Jahren Siche- rungsbrunnen errichtet, mit denen das kontaminierte Grundwasser gefördert und mittels sechs Grundwasser- reinigungsanlagen gereinigt wird. In den letzten zehn Jahren wurden die Schadstoffe soweit abgereinigt, dass bereits zwei dieser Sicherungsmaßnahmen eingestellt werden konnten. Für die anderen Schadstofffahnen ist ebenfalls ein deutlicher Schadstoffrückgang festzustellen, der mittelfristig - bis auf eine Ausnahme - eine Beendi- gung auch der anderen Maßnahmen erwarten lässt. Im Bereich des Wasserwerkes Friedrichshagen wur- den zwei Schadstofffahnen festgestellt, die durch aktive Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld der Förderbrunnen abgefangen werden. Bei beiden Schadstofffahnen haben sich in den letzten zehn Jahren keine relevanten Verände- rungen ergeben. Frage 2: Wie hat sich die Arsenbelastung im Wasser- werk Tegel entwickelt, die aus der Schleifung einer Fab- rik aus dem 1. Weltkrieg resultierte? Antwort zu 2: Durch eine angepasste Brunnenfahrwei- se wurde in den letzten Jahren die Arsenfahne fixiert und die Berliner Wasserbetriebe messen an den Brunnen weitgehend konstante Arsengehalte. Im Reinwasser liegen die Arsenkonzentrationen mit < 0,003 mg/L nach wie vor deutlich unter dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 0,01 mg/L Arsen. Frage 3: Wie hoch sind die Sulfatbelastungen in den vergangenen zehn Jahren gestiegen und welche Gefahren erkennt der Senat für die Trinkwassergewinnung im Ber- liner Südosten, welche Maßnahmen werden gegebenen- falls nötig, um die Sulfatbelastung unter die zulässigen Grenzwerte zu drücken? Antwort zu 3: Die Sulfatkonzentrationen an der Mess- stelle Müggelspree, Fähre Rahnsdorf Müggelspree sind von 169 mg/L in 2005 auf 257 mg/L (jeweils Jahresmit- telwerte) gestiegen. Weitere Informationen zum Thema Sulfatbelastungen von Spree und Dahme enthält die Schriftliche Anfrage 17/16020. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 136 2 Frage 4: Was gedenkt der Senat ggf. zu tun, um die Ursachen für die Sulfatbelastung bei den von Vattenfall betriebenen Tagebauen einzuschränken und besteht die Möglichkeit von Schadensersatzforderungen gegenüber dem Verursacher? Antwort zu 4: Zum ersten Teil der Frage wird auf die ausführliche Beantwortung der Schriftlichen Anfrage 17/16020 verwiesen. Bisher ist Berlin nicht von der Not- wendigkeit einer Schadensersatzforderung ausgegangen. Frage 5: An welchen ehemaligen und aktiven Indust- riestandorten gab es in den vergangenen zehn Jahren Probleme (bitte nach Ort und Verunreinigungstyp auf- schlüsseln), die das Grundwasser in Berlin und die Was- sergewinnung beeinträchtigten? Antwort zu 5: Konkrete standortbezogene Angaben dürfen in der Gesamtheit aus datenschutzrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht erteilt werden. Bei Standor- ten, bei denen das Einverständnis der Pflichtigen für eine Veröffentlichung vorliegt, hat der Senat zur Information der Allgemeinheit im Internet unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/bodenschu tz/index.shtml Daten veröffentlicht. Frage 6: Trifft es zu, dass die Panke, die eigentlich re- naturiert werden sollte, umgeleitet wird und gibt es einen Zusammenhang zu möglichen Verunreinigungen des Grundwassers und Kontaminierungen durch Industriean- lagen? Wenn ja, welchen? Antwort zu 6: Nein, es trifft nicht zu, dass die Panke umgeleitet werden soll. Lediglich im südlichen Bereich der Panke wird perspektivisch nach Abschluss der Rena- turierung ein Teil des Pankeabflusses zur Speisung der teilweise wiedergeöffneten Südpanke genutzt. Zusammenhänge zu möglichen Verunreinigungen des Grundwassers und Kontaminierungen durch Industriean- lagen bestehen nicht. Frage 7: Welche Kosten ergaben sich für das Land Berlin und die (zeitweilig teilprivatisierten) Berliner Was- serbetriebe in den vergangenen zehn Jahren, um Altlasten zu sanieren, damit keine Schadstoffe ins Grund- und da- mit ins Trinkwasser gelangen (bitte nach Jahresscheiben aufschlüsseln)? Antwort zu 7: In den letzten zehn Jahren wurden durch das Land Berlin insgesamt 129,3 Mio. € für Maßnahmen der Altlastensanierung aufgewendet. Hiervon wurden durch den Bund im Rahmen des Freistellungsver- fahrens nach dem Verwaltungsabkommen zum Umwelt- rahmengesetz 75,8 Mio. € refinanziert. Angaben über Ausgaben der Berliner Wasserbetriebe sind dem Senat nicht bekannt. Jahr Ausgaben 2005 11.922.741 2006 9.736.626 2007 13.387.163 2008 17.155.909 2009 14.880.106 2010 9.587.934 2011 13.717.167 2012 14.137.335 2013 10.571.506 2014 14.198.794 Summe 129.295.281 Frage 8: Welche Maßnahmen müssen die Berliner Wasserbetriebe selbst durchführen, um den durch den im Durchschnitt der vergangenen Jahre stark gesunkenen Trinkwasserbedarf in Berlin steigenden Grundwasser- spiegel einzudämmen und welche Kosten sind in den vergangenen zehn Jahren jährlich dafür aufgewendet worden? Welche Planungen bestehen diesbezüglich für die kommenden fünf Jahre? Antwort zu 8: Die Berliner Wasserbetriebe betreiben keine Maßnahmen, um ansteigendes Grundwasser einzu- dämmen. Frage 9: Wie hat sich der Schadstoffeintrag im Grundwasser durch Medikamentenrückstände in den vergangenen zehn Jahren entwickelt, welche Maßnahmen sind nötig, um dem bei der Trinkwassergewinnung Rech- nung zu tragen? Antwort zu 9: Die im Landesmessnetz untersuchten Grundwasserproben zeigen keine Trendentwicklung für Arzneimittelrückstände, sondern liegen bis auf wenige Einzelwerte konstant unter 0,05 µg/L. Frage 10: Welche Erkenntnisse hat das Wissen- schaftsprojekt "Askuris", das von 1. November 2011 bis 30. April 2015 lief, in Bezug auf die Schadstoffeinträge zu Frage 9 erbracht? Antwort zu 10: Dazu berichten die Berliner Wasserbe- triebe: Im Forschungs- und Entwicklungsprojekt ASKURIS wurden Vorkommen und Verhalten von Spurenstoffen im Ablauf der Kläranlagen, der Oberflächenaufbereitungsan- lage und während der Uferfiltration untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass durch den demografischen Wandel der Gesellschaft der Medikamentenverbrauch in den letz- ten Jahren deutlich steigt. Die Ergebnisse zeigen, dass Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 136 3 viele Spurenstoffe in dem teilgeschlossenen Wasserkreis- lauf in Tegel sehr effektiv entfernt werden. Einzelne Spu- renstoffe werden im Oberflächenwasser und auch im Uferfiltrat mittlerweile mit modernsten Nachweismetho- den im Nano-(Milliardstel)-Bereich nachgewiesen, aber nicht im landseitigen Grundwasser. Es wurden mögliche Maßnahmen für die Spuren- stoffentfernung in Szenarien untersucht und bewertet. Aktivkohle oder Ozon ist grundsätzlich zur Spuren- stoffentfernung (Breitbandwirkung) geeignet. Es können aber nicht alle Spurenstoffe gleichermaßen entfernt wer- den. Es wurde eine Entscheidungsmatrix aufgestellt, die einerseits den untersuchten Stoffen das geeignetste Ver- fahren zuordnet und anderseits der jeweiligen Technik den erforderlichen Energieeinsatz und die Kosten zuweist. Derzeit wird ein Großversuch vorbereitet, um das Verfah- ren der Aktivkohledosierung auf Praxistauglichkeit zu testen. Frage 11: Gab es bei den sogenannten "Hygienesit- zungen" zwischen BWB und Landesbehörden in den vergangenen Jahren Auffälligkeiten oder bedenkliche Entwicklungen? Wenn ja, welche, mit welchen Konse- quenzen und daraus resultierenden Kosten? Antwort zu 11: Dazu berichtet das Landesamt für Ge- sundheit und Soziales (LAGeSo): Die Zentrale Kommission für Hygiene und Schutzzo- nen (ZKHS) trifft sich einmal jährlich. Grundlage ist die Überwachung der zentralen Wasserversorgungsanlagen und dazugehörigen Schutzzonen nach der Trinkwasser- verordnung durch das LAGeSo. Die Berliner Wasserbe- triebe (BWB) berichten regelmäßig über Entwicklungen in der Trinkwasserqualität. Dazu wird in der Sitzung beraten. Grundsätzlich werden die chemischen Grenzwerte der Trinkwasserverordnung eingehalten. Aufgrund verbesser- ter analytischer Messmethoden, die im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsvorhabens ASKURIS etabliert wurden, sind die BWB seit kurzer Zeit in der Lage, ver- mehrt Spurenstoffe in sehr geringen Konzentrationen im Trinkwasser nachzuweisen. Die BWB veröffentlichen die Analysedaten der Wasserwerke auf ihren Internetseiten. Die Entwicklung der Spurenstoffnachweise wird mit großer Achtsamkeit verfolgt. Diese Sachverhalte werden auch auf der ZKHS-Sitzung thematisiert. Nach der Trinkwasserverordnung sind die Unterneh- mer oder sonstigen Inhaber einer Wasserversorgungsan- lage für die Durchführung von Maßnahmen im Falle einer Nichteinhaltung von Grenzwerten oder der Nichterfüllung von Anforderungen verantwortlich und tragen hierfür die Kosten. Hinsichtlich der Spurenstoffe werden derzeit in einer Fortsetzung des Forschungsvorhabens ASKURIS technische Maßnahmen erprobt. Zu eventuell resultieren- den Kosten können keine Angaben gemacht werden. Berlin, den 18. Mai 2015 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Mai 2015)