Drucksache 17 / 16 160 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Simon Kowalewski (PIRATEN) vom 07. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mai 2015) und Antwort Anti-Gewalt Maßnahmen, Angebote, Programme, Kampagnen und Initiativen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat die 2014 durchgeführte Studie "Ge- walt gegen Frauen" der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte bekannt? Wenn ja, welche Schlussfolge- rungen zieht der Senat aus den aktuellen Studienergebnis- sen, insbesondere aus der Tatsache, dass nur wenige Frauen in Deutschland einen Überblick über Angebote, Kampagnen und Initiativen gegen Gewalt an Frauen ha- ben? Zu 1.: Dem Senat ist die Studie „Gewalt gegen Frauen “ der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte bekannt. Die darin für Deutschland festgehaltenen Ergeb- nisse bestärken ihn darin, die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auch weiterhin als wesentlichen Schwer- punkt seiner Arbeit und als zentrales politisches Anliegen zu betrachten. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass in der Studie nicht zwischen den einzelnen Regionen Deutschlands differenziert wird. Aufgrund großer regio- naler Unterschiede hinsichtlich der Versorgung gewaltbe- troffener Frauen erlauben die auf ganz Deutschland bezo- genen Angaben nicht zwangsläufig einen entsprechenden Rückschluss auf Berlin. 2. Hat der Senat untersucht, wie viele Frauen in Berlin einen Überblick über Maßnahmen, Angebote, Program- me, Kampagnen und Initiativen gegen Gewalt an Frauen haben und wie viele der Frauen, die Opfer von Gewalt sind, diese Angebote in Anspruch nehmen? Zu 2.: Das Unterstützungsangebot hat einen hohen Bekanntheitsgrad. Die Entwicklung der Inanspruchnahme der verschiedenen Hilfeangebote wird jährlich von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen unter dem Titel „Bekämpfung von häuslicher Gewalt in Berlin – Fortschreibung Datenerhebung und Statistik“ veröffentlicht , vgl. hierzu http://www.berlin.de/sen/frauen/keine- gewalt/haeusliche-gewalt/artikel.20187.php. Das belegen insbesondere die jährlich steigenden An- rufzahlen bei der BIG-Hotline, der zentralen Berliner Rufnummer für Frauen bei häuslicher Gewalt, sowie die kontinuierlich hohe Auslastung der Frauenhäuser, Zu- fluchtswohnungen und Fachberatungs- und Interventions- stellen. 3. Welche Informations- und Werbemaßnahmen exis- tieren in Berlin mit dem Ziel, die Frauen besser über Maßnahmen, Angebote, Programme, Kampagnen und Initiativen gegen Gewalt an Frauen zu informieren, damit sie häufiger notwendige Hilfen in Anspruch nehmen? 4. Welche Vorhaben hat oder plant der Senat, um Frauen in Berlin einen besseren Überblick über Maßnah- men, Angebote, Programme, Kampagnen und Initiativen gegen Gewalt an Frauen zu verschaffen, sie besser dar- über zu informieren und die Anzahl der Frauen, die diese Angebote in Anspruch nehmen, zu erhöhen? Zu 3. und 4.: Der Berliner Senat sieht die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an. Daher steht bei den verschiedenen Öffent- lichkeitsmaßnahmen neben der Bekanntmachung der Unterstützungsangebote für Frauen, die von Gewalt be- troffen sind, auch die Aufklärung und Sensibilisierung der gesamten Bevölkerung im Vordergrund. Darüber hinaus werden Unternehmen und Betriebe mit einbezogen, um betroffene Frauen und ihre Kinder besser zu unterstützen. Beispielhaft seien folgende öffentlichkeitswirksame Maßnahmen genannt: 2012 gab es die Kampagne „Eiskalt gegen häusliche Gewalt“ der BIG-Hotline gemeinsam mit den Eisbären Berlin. Im Jahr 2014 hat die Senatsverwaltung für Arbeit, In- tegration und Frauen in Kooperation mit der Business School Berlin Potsdam – Hochschule für Management und dem Berliner Netzwerk Kontra K.O.Drogen eine Kampagne gegen K.O. Tropfen durchgeführt und sich Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 160 2 damit dem Schwerpunkt der sexuellen Gewalt gewidmet (http://www.businessschool-berlin-potsdam.de/news- presse/news/artikel/news/lass-dich-nicht-ko-tropfen- kommunikationsmanagement-fuer-einen-guten-zweck/). Darüber hinaus finden jedes Jahr am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen, verschiedene Aktionen des Berliner Senats und der bezirklichen Frauen- und Gleichstellungs- beauftragten statt. Über die „Bäckertütenaktion“, bei der an diesem Tag in den backshop-Filialen von Kaiser´s Tengelmann die Brötchen in Tüten mit dem Aufdruck „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ sowie dem Hinweis auf die Notrufnummern verkauft werden, werden zahlreiche Menschen erreicht. 2012 stellte der Berliner Senat am 25. November einen in Kooperation mit TERRE DES FEM- MES entwickelten Leitfaden zur Workplace Policy „Schritt für Schritt gegen Häusliche Gewalt“ und Werbeträger der Öffentlichkeitskampagne „Für ein Zuhause ohne Gewalt“ vor. 2013 und 2014 haben Senat und bezirkliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte mit give-aways (Taschenspiegel, Schlüsseltaschen, Einkauf- chips etc.) mit den Notrufnummern der Berliner Hotline und des Bundes-Hilfetelefons geworben, um verstärkt betroffene Frauen zu erreichen. Zusätzlich finden rund um den 25. November regelmäßig zahlreiche Veranstaltungen (Fachgespräche, Filmvorführungen etc.) zu Gewalt an Frauen statt (http://www.berlin.de/sen/frauen/.../int-tag- gegen-gewalt/artikel.23612.php). Von großer Bedeutung bei der Bekanntmachung der Unterstützungsangebote ist auch die kontinuierliche Öf- fentlichkeitsarbeit der von der Senatsverwaltung für Ar- beit, Integration und Frauen finanzierten Berliner Anti- Gewalt-Projekte. Der Senat legt zudem großen Wert darauf, Informati- onsmaterialien kontinuierlich weiter zu entwickeln, um den verschiedenen Bedarfen gerecht zu werden. So hat die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in Kooperation mit der bei BIG angesiedelten AG „Schutzmaßnahmen für behinderte Frauen“ die Broschüre „Häusliche Gewalt ist nie in Ordnung“ in Leichter Sprache für Frauen mit Lernschwierigkeiten entwickelt. Sie enthält Informationen über Häusliche Gewalt sowie zu den bestehenden Berliner Beratungs- und Schutzangebo- ten und wurde von „Mensch zuerst - Netzwerk people first“ in die Leichte Sprache übersetzt. Eine weitere Broschüre mit dem Titel „Was tun bei sexueller Gewalt? Wichtige Informationen in Leichter Sprache“ richtet sich ebenfalls an Frauen und Mädchen mit Lernschwierigkeiten und informiert über sexuelle Gewalt und Beratungsangebote in Berlin. Die Broschüre wird wegen der anhaltend starken Nachfrage in diesem Jahr neu aufgelegt. Beide Broschüren wurden flächende- ckend in Berlin verteilt, um möglichst viele Frauen mit Lernschwierigkeiten direkt zu erreichen. Weiterhin wird derzeit ein Hörspot zum Thema Häus- liche Gewalt und Hilfeangebote für blinde und sehbehin- derte Frauen entwickelt, der in diesem Jahr im Rundfunk gesendet werden soll. Speziell für gehörlose Frauen ist im Jahr 2010 die DVD in Gebärdensprache „Häusliche Gewalt ist nie in Ordnung“ entstanden, die Informationen zur Häuslichen Gewalt und Schutz- und Beratungsange- boten in Berlin enthält (http://www.berlin.de/sen/frauen/keine- gewalt/...frauen/artikel.32027.php). Auch über die Unterstützung der Aktivitäten zivilge- sellschaftlicher Akteure – wie beispielsweise die Übernahme der Schirmherrschaft durch die Senatorin für Ar- beit, Integration und Frauen bei Aktionen wie z.B. „One Billion Rising“ - wird immer wieder auf die in Berlin vorhandenen Unterstützungsangebote für gewaltbetroffe- ne Frauen hingewiesen (https://www.berlin.de/events/3351612-2229501-one- billion-rising.html; http://www.onebillionrising.org/events/dance-demo- gegen-gewalt-an-madchen-und-frauen-berlin/). Zusätzlich zu diesen von Berlin ausgehenden Aktivitä- ten trägt auch die vom Bund geleistete Öffentlichkeitsar- beit für das 2013 eingerichtete bundesweite Hilfetelefon dazu bei, das Berliner Hilfesystem bekannter zu machen, da eingehende Notrufe bei der bundesweiten Hotline oftmals an die Berliner Anlaufstelle weitervermittelt wer- den. Ein Indiz hierfür könnte die Inanspruchnahme der BIG-Hotline sein, die mit 9.434 Anrufen 2014 den bishe- rigen Höchststand erreicht hat. 5. Werden auch Frauen in Flüchtlingsunterkünften über die Maßnahmen, Angebote, Programme, Kampagnen und Initiativen gegen Gewalt an Frauen informiert? Wenn ja, ist dem Senat bekannt, wie viele Frauen in Flücht- lingsunterkünften, die Opfer von Gewalt sind, diese An- gebote in Anspruch nehmen? Zu 5.: Grundsätzlich gehört es zu den Aufgaben des Einrichtungsträgers bzw. des in den Flüchtlingsunterkünf- ten beschäftigten Fachpersonals, die Asylbegehrenden und Flüchtlinge über spezialisierte Beratungsangebote Möglichkeiten der akuten Krisenintervention sowie lang- fristige Projekte zum Thema zu informieren und sie wei- ter zu verweisen. Zudem bestehen Kontakte zu speziali- sierten Einrichtungen, die den in den Unterkünften woh- nenden Frauen Beratung anbieten (z.B. LARA) oder Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchführen (z.B. BIG-Hotline, Ban Ying, Frauenhaus Cocon). Angesichts der Herausforderung, die die adäquate Un- terbringung und Betreuung geflüchteter Menschen derzeit für alle beteiligten Institutionen darstellt, entwickeln die Senatsverwaltungen für Gesundheit und Soziales sowie die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen derzeit ein Maßnahmenpaket, das die rasche Identifizie- rung von Flüchtlingen mit besonderen Bedarfen – u.a. gewaltbetroffene Frauen – erleichtern sowie ihrer gezielten Unterstützung dienen soll. Hierzu gehört die Erarbei- tung bzw. Zusammenstellung relevanter Informationsma- terialien sowie die Konzipierung und Durchführung von Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für Mitar- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 160 3 beiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Gesund- heit und Soziales sowie der Flüchtlingsunterkünfte. Eine Evaluation des Bedarfs unter den Mitarbeitenden der Einrichtungen für Asylbegehrende und Flüchtlinge hat ergeben, dass hieran ein großes Interesse besteht und dass Fort- und Weiterbildungsangebote vom Fachpersonal begrüßt werden. Ein weiteres Ziel ist die engere Vernet- zung von Flüchtlingsunterkünften und –beratungseinrichtungen mit dem Berliner Hilfesystem für gewaltbe- troffene Frauen, um bei Bedarf eine rasche und effektive Intervention sicherzustellen. Eine statistische Erfassung, wie viele Frauen diese Angebote in Anspruch nehmen, erfolgt nicht. Berlin, den 27. Mai 2015 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mai 2015)