Drucksache 17 / 16 185 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 08. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Mai 2015) und Antwort Stellenwert der Erforschung von Ersatzmethoden im Senat Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass laut An- gaben der forschenden Arzneimittelhersteller ca. 45% aller Wirkstoffe bei der Entwicklung von Medikamenten in der präklinischen Testphase scheitern, insbesondere weil sie von Tieren nicht vertragen werden? Zu 1.: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kennt- nis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher den Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben: „Wird ein neues Arzneimittel entwickelt, darf es erst dann beim Tier eingesetzt werden, wenn andere Möglich- keiten incl. der bisher akzeptierten Ersatzmethoden für Tierversuche ausgeschöpft sind, um seine Sicherheit und Verträglichkeit nachzuweisen. Menschen wiederum dür- fen das Medikament erst testweise erhalten, wenn alle anderen Prüfungsmöglichkeiten inklusive Tierversuche ausgeschöpft sind. Das gebietet die ethische Verantwor- tung gegenüber Menschen und Tieren, und das verlangen auch nationale und internationale Gesetze. Ohne Tierversuche würden daher sowohl bei der Ent- deckung neuer Therapiestrategien als auch beim Schutz von Probandinnen und Probanden und Patientinnen und Patienten vor potenziell problematischen neuen Medika- mentenkandidatinnen und Medikamentenkandidaten entscheidende Glieder in der Absicherungskette im For- schungs- und Entwicklungsprozess für neue Medikamente fehlen, so dass die Pharmaforschung für Mensch und Tier zum Erliegen käme.“ 2. Wie bewertet der Senat, dass Medikamente wie In- sulin, Aspirin, Penicillin, Ibuprofen nach den heutigen Zulassungsstandards in der präklinischen Testphase ge- scheitert wären, weil sie unwirksam sind oder schädliche bzw. tödliche Nebenwirkungen bei Versuchstieren auslö- sen? 3. Wie bewertet der Senat vor diesem Hintergrund, dass es aus gesundheitspolitischer Sicht dringend erfor- derlich ist, Ersatzmethoden zu dem bisherigen ungenauen Tiermodell zu entwickeln, damit künftig für die menschli- che Gesundheit wichtige Medikamente nicht mehr am Tierversuch scheitern sondern es in die klinische Phase schaffen? Zu 2. und 3.: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sach- verhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl be- müht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher den VfA um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben: „Zu den genannten Einzelfällen liegen uns keine näheren Informationen vor. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass diese Aussagen in der Wissenschaft streitig sind und nicht als gesichert gelten. Die Testung mit Tieren beruht darauf, dass Mensch und Tier viele Gemeinsamkeiten beim Erbgut und damit auch beim Stoffwechsel haben. Dabei ist auch zu beden- ken, dass nicht jedes Tiermodell für jede Fragestellung in der Medikamentenentwicklung geeignet ist; dies hängt insbesondere davon ab, in welchem Krankheitsgebiet geforscht wird. Dieser Umstand ist auch bei den genann- ten Beispielen zu bedenken. Wir teilen die Ansicht, dass Ersatzmethoden entwi- ckelt werden müssen, um dem fortschreitenden Erkennt- nisgewinn z. B. bei den molekularen Grundlagen von Erkrankungen Rechnung zu tragen und Alternativen zu Tierversuchen zu eröffnen. Zusätzlich ist aber auch die Entwicklung von Ergänzungsmethoden im Sinne der 3 R von Bedeutung, damit die Prinzipien zur Reduzierung, Verbesserung und zum Ersatz von Tierstudien (3 R- Prinzip [Reduce, Refine, Replace]) konsequent angewen- det werden können. Um hier aber zu einem wirklichen Ersatz von Tierver- suchen beitragen zu können, muss auch eine internationa- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 185 2 le Validierung und Anerkennung von Tierversuchen vo- rangebracht werden. Dazu leistet Deutschland mit der, Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch‘ (ZEBET) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) einen wichti- gen Beitrag.“ 4. Mit wie viel Geld aus dem Landeshaushalt hat der Senat bisher die Erforschung von Ersatzmethoden geför- dert? Zu 4.: Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbrau- cherschutz (SenJustV) lobt alle zwei Jahre gemeinsam mit dem VfA einen Forschungspreis „Alternativen zum Tierversuch “ über 15.000 € aus. Das Geld wird vom VfA zur Verfügung gestellt. 2015 und 2017 soll dieser Preis aus den Haushaltsmitteln der SenJustV um 10.000 € aufgestockt werden. Bei den Berliner staatlichen Hochschulen und der Charité - Universitätsmedizin Berlin (Charité) ist die Finanzierungsbasis durch die Hochschulverträge geregelt. Dabei handelt es sich sowohl im konsumtiven wie im investiven Bereich um Globalsummen, so dass einzelne Ausgabenzwecke nicht nachvollzogen werden können. Weiterhin wird auf das Projekt des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) „Nanocarriersysteme für die topische Applikation von Arzneistoffen“ verwiesen, welches am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin zwischen 2009 und 2012 durchgeführt wurde. Insgesamt wurden dabei rund 500.000 € verausgabt , von denen 50 % durch Landesmittel zu decken wa- ren. In dem Projekt wurden unter Anderem künstliche Netzhäute gezüchtet, mit denen pharmakologische und kosmetisch bedingte Tierversuche teilweise ersetzt wer- den können. Allerdings ist eine konkrete Kosten-Nutzung Zuordnung in Bezug auf die Vermeidung von Tierversu- chen nicht möglich. 5. Welche Kosten sind mit dem Versuchstier-Neubau für das MdC verbunden und wie viel Geld fließt aus dem Landeshaushalt in dieses Infrastrukturprojekt für die Tier- versuchsforschung? Zu 5.: Für den Neubau des In-vivo- Pathophysiologielabors (IPL) sind insgesamt Baukosten in Höhe von 24 Millionen Euro vorgesehen, verteilt über einen mehrjährigen Zeitraum. Die Finanzierung erfolgt zu 90% durch den Bund und zu 10% durch das Land Berlin. 6. Wie ist der Planungsstand für den Neubau für das Versuchstiergebäude der Charité, welche Kosten kalku- liert der Senat und in welchem Umfang ist Berlin an der Finanzierung beteiligt? Zu 6.: Mit dem Bauvorhaben soll ein Tierhaltungsge- bäude mit Schwerpunkten in der Zucht von Kleintieren für die medizinische Forschung neu errichtet werden. Es handelt sich um einen Ersatzbau für das Bestandsgebäude der Forschungseinrichtung für Experimentelle Medizin (FEM) am Standort Berlin-Steglitz, welches in hohem Maße havariegefährdet, zudem asbestbelastet und nicht wirtschaftlich zu sanieren ist. In unmittelbarer Nachbarschaft zur FEM, auf dem gleichen Baugrundstück am südlichen Rand des Campus Berlin-Buch, errichtet das Max-Delbrück-Centrum (MDC) ein Tierforschungsgebäude (IPL). Um Synergieef- fekte zu erzielen, haben Charité und MDC vereinbart, ein gemeinsames Infrastrukturgebäude (ISG) zu errichten. Das Vorhaben der Charité umfasst demnach das Tierfor- schungsgebäude für die FEM und den Anteil der Charité am Infrastrukturgebäude. Die Prüfung der Bauplanungsunterlagen schließt mit Gesamtkosten in Höhe von 36,8 Mio. € ab. Im Landeshaushalt stehen zur Durchführung der Maßnahme 34,6 Mio. € zur Verfügung. Zusätzlich werden 2015 aus Drittmitteln 2,2 Mio. € für die Ausfinanzierung der Baumaßnahme FEM zur Verfügung gestellt. Die Bauplanungsunterlagen sind mit Datum vom 13.08.2014 geprüft und genehmigt. Der Hauptausschuss hat in seiner Sitzung am 01.10.2014 die Sperre nach § 24 Landeshaushaltsordnung (LHO) aufgehoben und damit die Baudurchführung freigegeben. Die Baugeneh- migung liegt seit November 2014 vor. Baubeginn für das Tierforschungsgebäude war am 04.05.2015. Berlin, den 29. Mai 2015 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juni 2015)