Drucksache 17 / 16 192 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Monika Thamm (CDU) vom 11. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mai 2015) und Antwort Straßenprostitution im Kurfürstenkiez Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Entwicklung und damit einhergehende Begleiterscheinungen der Straßenprostitu- tion im Kurfürstenkiez? Zu 1.: Der Straßenstrichbereich Kurfürstenkiez ist nicht auf einen Straßenzug reduziert. Vielmehr handelt es sich um mehrere Straßenzüge innerhalb des Karrees Ei- nemstraße / Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße / Bülowstraße / Potsdamer Straße / Lützowstraße, welche in der öffentli- chen Darstellung unter dem Titel der involvierten „Kurfürstenstraße “ bzw. „Bülowstraße“ beschrieben werden. Hier existiert in Berlin der größte Straßenstrichbe- reich, in welchem sich nach polizeilichen Feststellungen – im Ergebnis regelmäßiger Kontrollen/Überprüfungen seit dem Sommer 2008 – gegenwärtig insgesamt bis zu etwa 150 Frauen aus unterschiedlichen Nationen aufhalten. Aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeiten wurden im Rahmen von Kontrollmaßnahmen in diesem Bereich zeitgleich bis zu 100 Frauen (im Durchschnitt bis zu 70 Frauen) festgestellt. Dieses Niveau hat sich seit 2008 stabilisiert. Die Arbeitszeit der dort tätigen Frauen im Alter von 18 bis über 50 Jahre beschränkt sich nicht auf die Abend- bzw. Nachtstunden. Die Dienstleistung wird fast 24 Stunden am Tag angeboten. Der überwiegende Teil der Frauen stammt aus ost- und südosteuropäischen Staaten, vorwiegend aus Ungarn, Rumänien und Bulgari- en. Es war ein Anstieg des Anteils von Frauen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren zu beobachten. Die Gründe, warum diese Frauen nach Berlin kommen und hier der Prostitution nachgehen, sind komplex, in vielen Fällen spielen äußerst problematische Lebensum- stände und Armut eine wichtige Rolle. Ohne eine grund- legende Veränderung ihrer Situation in den jeweiligen Herkunftsländern ist davon auszugehen, dass Berlin auf absehbare Zeit weiterhin ein Anziehungspunkt für diese Frauen sein wird. Die Ausübung der Prostitution selbst stellt keinen strafbewehrten Tatbestand dar. Gegenstand der polizeili- chen Maßnahmen ist nicht die Prostitution an sich, son- dern die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere Straftaten im Rahmen der Begleitkriminali- tät. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Bekämpfung des Menschenhandels zu. Hier sind insbesondere die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zweck der sexu- ellen Ausbeutung sowie die Zuhälterei in den Fokus zu rücken. Opfer dieser Straftaten, die als Zeuginnen in Be- tracht kommen, sind derzeit vornehmlich Frauen aus Ost- und Südosteuropa, deren Aussagebereitschaft maßgeblich für eine erfolgreiche Strafverfolgung ist. Diese Bereit- schaft wird jedoch immer wieder von Seiten der Täter durch Bedrohungsszenarien und Gewaltanwendungen im Herkunftsland zum Nachteil der dort lebenden Familien der Opfer entscheidend gestört. Hauptziel ist es daher, den Zeuginnen die Angst vor derartigen Sanktionen zu nehmen und ihnen Hilfsangebote zu unterbreiten. Hierzu kooperiert die Berliner Polizei mit verschiedenen Fachbe- ratungsstellen für Betroffene von Menschenhandel, die u.a. die psychosoziale Betreuung der Frauen gewährleis- ten. Darüber hinaus werden den Betroffenen bestehende Möglichkeiten im Rahmen der internationalen Zusam- menarbeit der Strafverfolgungsbehörden zum Schutz ihrer Familienangehörigen aufgezeigt. Der Senat verkennt nicht, dass die Begleiterscheinungen des Straßenstrichs eine Herausforderung darstellen und von der Wohnbevöl- kerung im Kurfürstenkiez und den dortigen Gewerbetrei- benden als störend wahrgenommen werden. Dies mani- festiert sich in regelmäßigen Beschwerdeschreiben an die Polizei und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Der Senat hat daher ebenso wie die Bezirke verschiedene Anstrengungen unternommen – hier sei beispielhaft auf die Verstärkung der personellen Ressourcen beim Frauen- treff Olga hingewiesen –, deren Ziel die weitere Beruhigung der Situation ist. 2. Wie bewertet der Senator für Inneres das Instrument der Sperrzeiten? 3. Welche Anstrengungen hat der Senator für Inneres unternommen, um Sperrzeiten im Kurfürstenkiez einzu- führen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 192 2 4. Woran ist die Einführung von Sperrzeiten geschei- tert bzw. gibt es Senatsverwaltungen, die mitzeichnungs- berechtigt sind und diese Mitzeichnung verweigert haben? 5. Welche Gründe wurden gegen die Einführung von Sperrzeiten von wem vorgebracht? Zu 2. bis 5.: Der Senator für Inneres und Sport hat ei- nen auf Artikel 297 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) gestützten Entwurf einer Sperrgebietsverordnung des Senats zur zeitlichen Be- schränkung der Straßenprostitution erarbeitet und hierzu die erforderliche Abstimmung mit den betroffenen Se- natsressorts eingeleitet. Die Meinungsbildung auf Senatsebene ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Unabhängig von der Frage der Beschlussfassung über eine Sperrgebietsverordnung haben sich die inhaltlich betroffenen Senatsverwaltungen zu alternativen Maßnah- men ausgetauscht, die geeignet sind, die anhaltend schwierige Situation im Zusammenhang mit der Straßen- prostitution im Kurfürstenkiez zu verbessern. Mittlerweile setzen sich zahlreiche Institutionen – darunter senatsgeförderte Einrichtungen wie der Frauentreff Olga – und Einzelpersonen gemeinsam für eine verträgliche Koexis- tenz von Anwohnerschaft, Gewerbetreibenden und der Straßenprostitution rund um die Kurfürstenstraße ein. Der Senat misst diesem Zusammenwirken große Bedeutung zu und unterstützt dies beispielsweise durch die Finanzie- rung von Sprachmittlerinnen für die aufsuchende Sozial- arbeit im Rahmen des Fraueninfrastrukturprogramms. Berlin, den 1. Juni 2015 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Juni 2015)