Drucksache 17 / 16 195 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Krüger (CDU) vom 12. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mai 2015) und Antwort Präventive Barrierebeseitigung in Mietwohnungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Bedeutung misst der Senat der Un- terstützung von Eigeninitiativen der Mieterinnen und Mieter zur vorausschauenden Barrierebeseitigung in privaten bzw. städtischen Wohnungen bei? Antwort zu 1.: Der Senat hält den Neubau und die Her- richtung von barrierearmen Mietwohnungen durch die Ei- gentümerinnen und Eigentümer für eine vorrangige Aufgabe. Mieterinnen und Mieter, die Maßnahmen zur vorausschau- enden Beseitigung von Barrieren in ihrer Mietwohnung umsetzen wollen, müssen zuerst die Zustimmung für die Umsetzung der Maßnahmen von der Vermieterin bzw. dem Vermieter einholen. Wünschenswert wäre, wenn Mieterin- nen und Mieter vor der Durchführung der Maßnahmen zur Beseitigung von Barrieren in ihrer Mietwohnung eine Miet- vertragsergänzung mit der Vermieterin bzw. dem Vermieter schließen. In der Vereinbarung sollten alle möglichen Aspek- te zu den durch den Mieterhaushalt durchgeführten Maß- nahmen zur Beseitigung von Barrieren geregelt werden. Die altersgerechte Bestandsanpassung ist bei den städti- schen Wohnungsgesellschaften ein Investitionsschwerpunkt. Im Rahmen der Durchführung von Modernisierungs- maßnahmen werden auf der Grundlage von Potenzial- analysen bedarfsgerechte Wohnraum- und Wohnumfeld- anpassungen mit berücksichtigt. Darüber hinaus werden bei Bedarf und Nachfrage bei Bestandsmietern individuelle Einzelmaßnahmen durchge- führt (z.B. ebenerdige Dusche, höhergestelltes WC, Be- seitigung von Schwellen in der Wohneinheit (WE), Anbau von Haltegriffen), auch in Abstimmung mit den jeweiligen Pflegekassen zur Frage der Finanzierung. Frage 2.: Welche finanziellen Unterstützungen können diesbezüglich Bürgerinnen und Bürger in Anspruch nehmen, die noch keine Pflegestufe zugebilligt bekommen haben? Frage 3.: Wie gestalten sich die entsprechenden Un- terstützungsmöglichkeiten bei der bereits erfolgten Zubil- ligung zumindest der Pflegestufe 1? Antwort zu 2. und 3.: Generell können Umbau- bzw. An- passungsmaßnahmen von Wohnraum nicht nur von der Ei- gentümerin oder vom Eigentümer, sondern mit dessen Zu- stimmung auch von der Mieterin oder vom Mieter beauftragt bzw. durchgeführt werden (siehe im Einzelnen § 554 a Bür- gerliche Gesetzbuch [BGB]). Das Risiko sowie die Sicher- stellung der Finanzierung trägt dann die Mieterin oder der Mieter. Gegebenenfalls kann eine Finanzierung der Umbau- kosten nach Absprache mit der Vermieterin oder dem Ver- mieter über eine so genannte Modernisierungsumlage erfol- gen. Das bedeutet, dass die jeweiligen Kosten von der Eigen- tümerin oder vom Eigentümer übernommen und auf den monatlichen Mietpreis umgelegt werden (siehe im Einzelnen § 559 BGB). Grundsätzlich besteht die Option, Umbaumaßnahmen mit eigenen oder fremden Mitteln bzw. mit Zuschüssen zu finan- zieren. Für die Finanzierung mit Fremdmitteln (Darlehen) wer- den Sicherheiten verlangt, welche die Mieterinnen und Mie- ter oft nicht bieten können. Kompliziert ist es bisweilen für Darlehensnehmer/innen in fortgeschrittenem Alter. Sie kön- nen die von den Banken geforderten Sicherheiten nur be- schränkt gewährleisten. Das wiederum führt dazu, dass sie nur schwer ein Bankdarlehen erhalten. Bei Zuschüssen wird zwischen einer subjektbezogenen und einer objektbezogenen Förderung unterschieden: Subjektbezogene Förderung: Je nach Anlass und indi- vidueller Situation sind verschiedene subjektbezogene För- derungen möglich: Steuerliche Förderung: Diese können in Anspruch ge- nommen werden, wenn steuerpflichtige Einkünfte vorhanden sind. In diesem Fall werden 20 % der gezahlten Handwerker- leistungen (ohne Material) bis max. 1.200 € im Jahr von der Steuerschuld abgezogen. Krankenkassen: Einige Maßnahmen werden nach ärztli- cher Verordnung von Krankenkassen bezahlt (§§ 27, 139 Sozialgesetzbuch [SGB] V). Voraussetzung hierfür ist, dass sie in der Hilfsmittelliste der jeweiligen Krankenkasse aufge- führt sind. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 195 2 Pflegeversicherung: uschüsse durch die Pflegeversi- cherung werden nur dann gewährt, wenn die/der Antrags- steller/in pflegebedürftig ist. Außerdem muss die Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes beitragen (§ 40 Abs.4 SGB XI). Der maximale Zuschuss pro Maßnah- me beträgt dabei 2.557 €. In der Regel muss die/der Antragsteller /in einen Eigenanteil von 10 % des Gesamtpreises, maximal jedoch 50 % seiner monatlichen Einkünfte, tragen. Sozialämter: Abhängig von Einkommen und Vermögen sind Zuschüsse oder zinsgünstige Darlehen auch durch die Sozialämter möglich. Voraussetzung dafür ist, dass die Um- bauten den besonderen Bedürfnissen der Antragstellerin oder des Antragstellers entsprechen und kein anderer Leistungs- träger in Frage kommt. Versorgungsämter: Sie gewähren ebenfalls Zuschüsse für Anpassungsmaßnahmen von Wohnräumen für schwerbehin- derte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Objektgebundene Förderung: Die KfW 1 -Bankengruppe bietet Finanzierungsmittel für einen altersgerechten Umbau an. Als Bedingung müssen bauliche Maßnahmen durchge- führt werden, die eine weitestgehend barrierefreie Nutzung der Wohnung ermöglichen. Das Förderprogramm 155 „Altersgerecht Umbauen – Kredit“ definiert dabei Bausteine, die auch einzeln finanziert werden können. Allerdings wird ein Baustein nur dann gefördert, wenn er auch vollständig umge- setzt wird. Das heißt, er muss die technischen Mindestanfor- derungen des Programms bzw. die entsprechenden Anforde- rungen der DIN 18040 erfüllen. Die KfW fördert die Umset- zung dieses Programms durch zinsverbilligte Kredite bis zu 50.000 € pro Wohneinheit. KfW-Kredite werden von den Geschäftsbanken durchgeleitet. Mit dem Programm 455 „Altersgerecht Umbauen – Zuschuss“ Umbaumaßnahmen mit einem Zuschuss von 5 % der förderfähigen Kosten, ma- ximal jedoch 5.000 € pro Wohneinheit. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, vor Durchführung von Anpassungsmaßnahmen im Wohnungsbereich ein aus- führliches und kostenloses Beratungsgespräch mit den Ver- treterinnen und Vertretern der nächstgelegenen Wohnbera- tungsstelle zu führen. Diese öffentlich finanzierten Bera- tungseinrichtungen bestehen bundesweit und unterstützen die Ratsuchenden bei der Sicherung oder Wiederherstellung eines selbständigen Lebens im Alter oder bei Behinderung. Das Leistungsspektrum der Wohnberatungsstellen umfasst unter anderem neben der Beratung über Förder- und Finan- zierungsmöglichkeiten der Wohnungsanpassung und Pflege, die Begleitung von Maßnahmen zur Beseitigung von Gefah- renquellen, barrierereduzierende Wohnanpassungsmaßnah- men, den Einsatz von Hilfsmitteln und - sofern erforderlich - von baulichen Maßnahmen. In Berlin nehmen die Pflegestützpunkte diese umfang- reiche Aufgabe wahr und stehen älteren Menschen, deren Angehörigen und anderen Interessenten zur Verfügung. Frage 4: Besteht ein Zusammenhang solcher Unter- stützungsmöglichkeiten mit der Gewährung eines Merk- zeichens (G, aG etc) im Schwerbehindertenausweis, un- abhängig von der Beantragung einer Pflegestufe? 1 Kreditanstalt für Wiederaufbau Antwort zu 4: Mit der Gewährung eines Merkzeichens (G, aG etc) im Schwerbehindertenausweis wäre grund- sätzlich der bedarfsgerechte Nachweis entsprechender Maß- nahmen erbracht, sofern eine Förderung einen solchen spezi- fischen Nachweis voraussetzt. Frage 5: Wie ist der aktuelle Stand im Gespräch mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften bzw. mit den großen privaten Anbietern von Wohnraum bezüglich des Verzichts auf eine im Mietvertrag vereinbarte Rückbaupflicht seitens der Mieter bei Auszug aus einer vom bisherigen Mieter barrierefrei gestalteten Wohnung? Antwort zu 5: Mit der Einführung des § 554a BGB im Rahmen der Mietrechtsreform im Jahre 2001 wurde erstmals ein Mieteranspruch eingeführt, von der Vermieterin oder vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Ver- änderungen verlangen zu können, die für eine behinder- tengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich sind. Die Vermieterin oder der Vermieter kann seine Zustimmung nur verweigern, wenn sein oder das Inte- resse der anderen Mieterinnen und Mieter an dem unverän- derten Erhalt der Mietsache das Mieterinteresse an einer behindertengerechten Wohnungsnutzung überwiegt. Die Vermieterin oder der Vermieter kann die Zustimmung von der Leistung einer angemessenen zusätzlichen Sicherheit für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhän- gig machen. Ein grundsätzlicher Verzicht der Vermieterinnen und Vermieter auf die Verpflichtung zum Rückbau bzw. die Sicherheitsleistung ist zwangsweise nicht durchsetzbar. In Abhängigkeit vom konkreten Einzelfall ist beiden Miet- vertragsparteien anzuraten, eine Vereinbarung (Mietver- tragsergänzung) über die genauen Maßnahmen zur Besei- tigung von Barrieren zu treffen und dabei auch den Rückbau oder die Übernahme durch die Vermieterin bzw. dem Ver- mieter bei Vertragsende genau zu regeln. Die fachgerechte Ausführung der baulichen Maßnahmen ist dabei auch be- achtlich. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind dabei bemüht, entsprechende freiwerdende Wohnungen Bedürfti- gen zur Verfügung zu stellen. Berlin, den 28. Mai 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Juni 2015)