Drucksache 17 / 16 200 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanne Graf (PIRATEN) vom 13. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mai 2015) und Antwort Unterstützungssysteme für Familien bei der Wohnraumerhaltung und -beschaffung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft wurde bei der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage einbezogen. 1. Wie bewertet der Senat die Tatsache unterschiedlicher Vorgehens- und Kooperationsweisen der Sozialäm- ter, Jobcenter und Jugendämter in den Bezirken im Falle des drohenden Wohnraumverlusts einer Familie oder eines alleinerziehenden Elternteils mit minderjährigem Kind oder minderjährigen Kindern? 2. Welche Strategie verfolgt der Senat, um Wohnungslosigkeit von Familien und alleinerziehenden El- ternteilen mit minderjährigem Kind oder minderjährigen Kindern durch präventive Maßnahmen gezielt zu verhin- dern und diese Zielgruppe beim Wohnraumerhalt bzw. beim Finden von neuem Wohnraum besonders zu unter- stützen? Zu 1. und 2.: Droht Leistungsempfangenden der Ver- lust der Wohnung, so ist dies in den meisten Fällen auf Mietschulden zurückzuführen, die zum Erhalt der Woh- nung übernommen werden können. Das Land Berlin hat mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg gemein- sam verbindlich vereinbart (Gemeinsame Vereinbarung gemäß § 44 b Absatz 2 SGB II vom 17.12.2010), dass vor einer etwaigen Ablehnung der Mietschuldenübernahme, die Bezirke (in der Regel die Sozialen Wohnhilfestellen, in Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Sozial- diensten) einzuschalten sind. Eine Ablehnung bedarf der Zustimmung des Bezirks. Das gilt gerade auch für Fami- lien mit Kindern. Die Mietübernahme im Rahmen der Leistungen zum Lebensunterhalt findet ihre Grenzen, wenn die Miete den angemessenen Rahmen überschreitet. Dies gilt dem Wil- len des Bundesgesetzgebers entsprechend auch für Fami- lien mit Kindern und schließt in letzter Konsequenz einen Umzug nicht aus. Allerdings werden zur Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 SGB II besondere Bedarfe (die sogenann- ten Härtefälle) ebenfalls weiterhin anerkannt, um dem Wohnraumerhalt unter dem Aspekt des Erhalts sozialer Bezüge Rechnung zu tragen. Das Bundessozialgericht hält innerhalb eines Ver- gleichsraumes, wie ihn das Land Berlin wegen seiner verkehrstechnischen Verbundenheit darstellt, durchaus auch für zumutbar, das Wohnumfeld zu wechseln, wenn Kinder davon betroffen sind und beispielsweise die Schu- le wechseln müssten. Die Prüfung einer möglichen Kin- deswohlgefährdung obliegt grundsätzlich den Jugendäm- tern (vgl. § 8a SGB VIII). Sie werden entsprechend ein- bezogen, wenn im Zusammenhang mit einem Umzug aus Kostengründen oder bei Verlust der Wohnung Tatsachen bekannt werden, dass das Wohl des Kindes beeinträchtigt sein kann. Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Bil- dung, Jugend und Wissenschaft sind bezirklicherseits zur Ausgestaltung dieser gesetzlichen Verpflichtung Verein- barungen zwischen Jugendamt und Jobcenter abzuschlie- ßen (vgl. Verpflichtung zur strukturellen Zusammenarbeit nach § 81 SGB VIII). Soweit das Jugendamt bereits Leis- tungen erbringt oder das Jugendamt von der Notlage Kenntnis erhält, muss das Jugendamt auch unabhängig von bestehenden Kooperationsvereinbarungen die Betref- fenden an die hierfür zuständige Stelle vermitteln, wie ggf. Soziale Wohnungshilfe oder Jobcenter. Sollten diese dargestellten Verfahren im Einzelfall nicht greifen, stellt das jeweils zuständige bezirkliche Sozialamt die ordnungsbehördliche Unterbringung gemäß Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Berlin) sicher. Im Weiteren wird auf die Beantwortungen des Berliner Senats der Kleinen Anfrage 17/10732 und der Schriftlichen Anfrage 17/15257 verwie- sen. Darüber hinaus besteht gemäß Rundschreiben I Nr. 2/2005 über Hinweise zur Abgrenzung der Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII und §§ 67, 68 SGB XII bereits ein einheitliches Verfahren bei der Bewilli- gung von Hilfen für junge Volljährige. Der Berliner Senat prüft, ob weitere Vereinbarungen erforderlich sind. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 200 2 3. In wie vielen Fällen konnte Familien und Alleinerziehenden mit minderjährigem Kind oder minderjährigen Kindern innerhalb des letzten Jahres im Anschluss an Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe dank der in der Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 17/15257 er- wähnten Absprachen zwischen der für Jugend und Fami- lie zuständigen Senatsverwaltung und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ein neuer Wohnraum be- schafft werden? Zu 3.: Es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass im konkreten Einzelfall das Jugendamt Kontakt mit einer Wohnungsbaugesellschaft aufnimmt, um bei der Suche nach geeigneten, selbstbestimmten Wohnraum zu unter- stützen. Eine statistische Erfassung hierzu liegt nicht vor. 4. Teilt der Senat die Einschätzung, dass die Leitlinien der Wohnungslosenhilfe und Wohnungslosenpolitik in Berlin von 1999 in Anbetracht neuer von Wohnungslo- sigkeit betroffener Bevölkerungsgruppen einer dringen- den Überarbeitung bedürfen? Wann ist mit dieser Überar- beitung zu rechnen? a) Welche Leitlinien zu Gunsten der Gruppe der Fami- lien und alleinerziehenden Elternteile mit minder- jährigem Kind oder minderjährigen Kindern sind derzeit seitens des Senats angedacht? Zu 4. und 4a): Der Senat hat der Fortschreibung der „Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe/-politik“ mit der Benennung im Koalitionsvertrag eine hohe Priorität ein- geräumt. Die dafür federführende Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, hier Soziales, arbeitet an der Fortschreibung der Leitlinien. Der umfangreichen Ab- stimmungsnotwendigkeiten unterliegende Leitlinienent- wurf wird 2015 mit unterschiedlichen Adressaten disku- tiert. Eine Veröffentlichung kann frühestens im Anschluss nach Beratung im Senat und den parlamentarischen Gre- mien erfolgen. Das Kindeswohl hat überragende Bedeutung und ist vorrangig zu schützen und zu stärken. Wie in der Beant- wortung zu 1. und 2. bereits angeführt, sind Leistungen zur Erziehung für Familien oder Alleinstehenden mit minderjährigen Kindern im SGB VIII geregelt. Dem Bedarf dieser Zielgruppe wird im Besonderen in Zusam- menhang mit drohenden oder bestehenden Wohnungslo- sigkeit bei der Fortschreibung der „Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe /-politik“ Rechnung getragen. Berlin, den 01. Juni 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juni 2015)