Drucksache 17 / 16 206 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 13. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mai 2015) und Antwort „Videosysteme zur Eigensicherung“ in Fahrzeugen der Berliner Polizei Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Seit wann werden Fahrzeuge der Berliner Polizei mit Videokameras („Videosystemen zur Eigensicherung“) ausgestattet? Zu 1.: Seit dem Jahr 2010 stehen „Einsatzwagen Abschnitt “ (EWA) für den Funkwagenstreifendienst mit Videosystemen zur Eigensicherung zur Verfügung. 2. Wie viele Fahrzeuge der Berliner Polizei sind der- zeit mit „Videosystemen zur Eigensicherung“ ausgestattet , und wie viele sollen bis wann insgesamt damit ausge- stattet werden? Zu 2.: Derzeit kommen 435 Fahrzeuge zum Einsatz, die mit einem Videosystem zur Eigensicherung ausgestat- tet sind. Dabei handelt es sich um sämtliche 346 „Einsatzwagen Abschnitt“ (EWA) der Polizeiabschnitte und um 89 Fahrzeuge bei den Verkehrsdiensten. Die geplante Sollausstattung der „Einsatzwagen Abschnitt “ ist erreicht, die Ersatzbeschaffungen für diese Fahrzeuge werden weiterhin ab Werk mit dem Videoei- gensicherungssystem ausgestattet. Bis Ende 2015 wird sich die Anzahl der bei den Ver- kehrsdiensten eingesetzten Fahrzeuge mit dem Videoei- gensicherungssystem auf 116 (geplante Sollausstattung) erhöhen. Insgesamt wären dann abschließend 462 Fahr- zeuge entsprechend ausgestattet. 3. Welche Art von „Videosystemen zur Eigensicherung “ wird in den Fahrzeugen der Berliner Polizei“ eingesetzt (bitte detaillierte Auflistung nach Anzahl der Video- kameras pro Fahrzeug, Hersteller, Gerätetyp, Bildwinkel, Brennweite, Chipgröße, Datenformat, Auflösung, Erfas- sungsbereich der Kameras bei einer Entfernung von 5, 10 und 20m etc.)? Zu 3.: Folgendes System kommt in den Fahrzeugen zum Einsatz: Hersteller: Firma Trajet GmbH, Rebenring 31, 38106 Braunschweig Gerätetyp: Trajet AC 1 Kamera nach vorn und ein Trajet DV1 Rekorder Bildwinkel: ca. 45 Grad Brennweite: 6mm Chipgröße: 1/3 Zoll Datenformat: Moving Picture Experts Group 4 (MPEG 4) Auflösung: 704 x 576 Pixel Erfassungsbereich: in 5m Abstand werden circa 4m Bildbreite erfasst, in 10m Abstand werden circa 8m Bildbreite erfasst, in 20m Abstand werden circa 16m Bildbreite erfasst 4. Ermöglichen die in den Fahrzeugen der Berliner Polizei eingesetzten „Videosysteme zur Eigensicherung“ ein „rückwärtiges Speichern“, das heißt, zeichnen die Kameras jederzeit auf, löschen die Sequenzen allerdings in regelmäßigen zeitlichen Abständen, solange die Poli- zist*innen nicht das System „auslösen“? Wenn ja, über welchen Zeitraum? Zu 4.: Nein, eine Aufnahme erfolgt erst, wenn sie ma- nuell im Fahrzeug gestartet wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 206 2 5. Ermöglichen die in den Fahrzeugen der Berliner Polizei eingesetzten Videokameras auch Tonaufzeichnun- gen? Wenn ja, in welchem Umkreis und in welcher Quali- tät? Zu 5.: Nein. 6. Ermöglichen die in den Fahrzeugen der Berliner Polizei eingesetzten Videosysteme eine Übermittlung der Aufnahme in Echtzeit an die Leitstelle oder andere Orte? Zu 6.: Nein. 7. Wie viele gewalttätige Übergriffe auf Polizeibe- amt*innen hat es in den Jahren seit 2009 bei Personen- oder Fahrzeugkontrollen im öffentlichen Verkehrsraum in den einzelnen Direktionen in Berlin gegeben (bitte nach Jahr, Anzahl und Direktion aufschlüsseln)? Zu 7.: Zu Übergriffen auf Polizeibeamtinnen und Po- lizeibeamten im Zusammenhang mit Personen- und Fahr- zeugkontrollen liegen keine umfassend auswertbaren Daten vor, da die statistischen Erfassungen nicht nach Einsatzanlässen oder Situationen erfolgen. 8. Liegen dem Senat statistisch aussagefähige und be- lastbare Erkenntnisse zu der Frage vor, ob Videokameras in Polizeifahrzeugen zu einem statistisch signifikanten Rückgang der Gewalt gegen Polizeibeamt*innen oder zu einer statistisch höheren Aufklärungsquote dieser Fälle geführt haben? Wenn ja, welche? Wenn nein, werden solche Erkenntnisse angestrebt? Wenn ja, welche Metho- den werden eingesetzt? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Es kann keine statistische Aussage dazu getrof- fen werden, ob aufgrund der präventiven Wirkung der Videoeigensicherungsanlage Gewalt gegen Polizeikräfte verhindert wurde (siehe auch nachfolgende Antwort zu Frage 9). 9. Welche vertieften sozialwissenschaftlichen und rechtstatsächlichen Untersuchungen über die Eignung von Videoaufzeichnungen zur Deeskalation bei Fahrzeugkon- trollen in Deutschland sind dem Senat bekannt und zu welche Ergebnissen kommen sie? Zu 9.: Der Polizei Berlin liegen keine Untersuchungen über die Eignung von Videoaufzeichnungen zur Deeska- lation bei Fahrzeugkontrollen vor. Die Bund-Länder-Projektgruppe „Gewalt gegen Polizeibeamte /innen“ der Unterarbeitsgruppe „Führung, Einsatz , Kriminalitätsbekämpfung“ (UA FEK) des Arbeitskreises II (Innere Sicherheit) der Innenministerkonferenz ist in ihrem Abschlussbericht zu der Auffassung gelangt, dass der Einsatz von Videotechnik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Polizeikräfte beitragen kann und schlägt in diesem Zusammenhang vor, künftig eine bundesweite Plattform für einen verpflichtenden Erfahrungsaustausch zur Erprobung und Einführung von Führungs- und Ein- satzmitteln sowie Technik einzurichten. 10. In welchen Fällen kommt es zu „Auslösungen“ der Videokameras (Situation mit Aufzeichnung/Speicherung) bei Personen- oder Fahrzeugkontrollen im öffentlichen Verkehrsraum und erfolgt die „Auslösung“ jeweils automatisch oder manuell? Zu 10.: Nach rechtlicher Prüfung durch die Streifen- besatzung kann bei Vorliegen bestimmter Umstände eine Aufzeichnung ausschließlich durch manuelle Inbetrieb- setzung der Videoeigensicherungsanlage erfolgen. Entsprechende Umstände können beispielsweise bei einem Anhalte- oder Kontrollvorgang aufgrund des Ver- dachts einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit vor- liegen, beispielsweise bei: - Verdacht des Mitführens von Waffen oder gefährlichen Gegenständen - Überprüfung einer Person oder Personengruppe, die dem äußeren Anschein nach einer polizeilich rele- vanten Gruppierung zugehört (beispielsweise Ro- cker, Gewalttäter Sport, Jugendbanden), - vermuteter Alkoholisierung oder Drogenbeeinflussung der zu überprüfenden Person oder Personen- gruppe, - angenommener körperlicher oder zahlenmäßiger Überlegenheit der zu kontrollierenden Personen- gruppe, - bei Überprüfungen im Zusammenhang mit kriminalitätsbelasteten Orten, - ungünstigen äußeren Umständen (beispielsweise Dunkelheit, abgelegene Kontrollörtlichkeit). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 206 3 11. Wie viele „Auslösungen“ hat es in den Jahren seit 2010 in den Fahrzeugen der Berliner Polizei gegeben (bitte nach Jahr, Anzahl und Direktion aufschlüsseln)? Zu 11.: D ir ek ti o n 1 D ir ek ti o n 2 D ir ek ti o n 3 D ir ek ti o n 4 D ir ek ti o n 5 D ir ek ti o n 6 D ir ek ti o n Z en tr al e A u fg a- b en G es a m t 2010 134 192 13 9 56 11 8 75 36 750 2011 396 491 28 1 41 7 25 9 31 5 178 2337 2012 413 475 32 8 45 7 34 4 44 9 244 2710 2013 340 482 25 3 38 2 29 9 56 0 243 2559 2014 366 343 23 3 36 0 17 3 43 6 192 2103 Versehentliche manuelle Auslösungen über die Status- taste am im Fahrzeug eingebauten Bedienteil des Sprech- funks können nicht ausgeschlossen werden. 12. Woran erkennen die betroffenen Personen, dass sie videoüberwacht werden? Sind die Betroffenen in jedem Fall auf die Maßnahme „hinzuweisen“, damit eine Erkennbarkeit und Offenheit der Maßnahme sichergestellt wird? Wenn ja, wie wird dies gewährleistet? Wenn nein, warum nicht? Zu 12.: Die Videoüberwachung wird mittels einer rot leuchtenden Kontrollleuchte (Leuchtdiode) in der Wind- schutzscheibe direkt neben der Kamera angezeigt. Die von der Kontrolle betroffene Person oder Personengruppe ist unverzüglich auf die Aufzeichnung hinzuweisen. 13. Wie lautet die „Geschäftsanweisung ZSE IV Nr. 01/2010 über den Einsatz von Videosystemen zur Eigen- sicherung in Kraftfahrzeugen der Berliner Polizei“ im Wortlaut (bitte beifügen)? Zu 13.: Die Geschäftsanweisung der Zentralen Ser- viceeinheit (ZSE IV Nr. 01/2010) über den Einsatz von Videosystemen zur Eigensicherung in Kraftfahrzeugen der Berliner Polizei kann nicht veröffentlicht oder ver- sandt werden, da unter anderem Rückschlüsse auf die einsatztaktische Vorgehensweise der Polizei möglich wären. Eine Einsichtnahme durch Abgeordnete bei der Polizei Berlin ist jedoch jederzeit möglich. 14. Welche Kosten sind für die Ausstattung von Fahr- zeugen der Berliner Polizei mit „Videosystemen zur Eigensicherung “ in den Jahren seit Einführung angefallen (bitte nach Jahr und Summe aufschlüsseln)? 15. Welche Kosten entstehen für die Ausstattung mit Videokameras („Videosystemen zur Eigensicherung“) je Fahrzeug der Berliner Polizei? Zu 14 und 15.: In den vergangenen Jahren wurde die nachfolgende Anzahl von „Einsatzwagen Abschnitt“ mit eingebauter Videoeigensicherungsanlage beschafft: 2009 85 Fahrzeuge 2010 86 Fahrzeuge 2011 90 Fahrzeuge 2012 89 Fahrzeuge 2013 95 Fahrzeuge 2014 100 Fahrzeuge Summe: 545 Fahrzeuge Konkrete Kosten können nicht benannt werden, da das Videoeigensicherungssystem Bestandteil des Polizeiein- satzfahrzeuges „Einsatzwagen Abschnitt“ ist und bisher ohne Ausnahme ab Werk eingebaut wurde. Es ist im Gesamtpreis des Lieferanten nicht ausgewiesen, wie hoch der anteilige Preis für die Videoanlage ist. Im Jahr 2011 wurde einmalig der Preis für eine Anlage mit allen Kom- ponenten und Einzelteilen (ohne Einbaukosten) in Höhe von 1.620 € ermittelt. Weitere Angaben liegen nicht vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 206 4 Die für die Verkehrsdienste eingesetzten Fahrzeuge sind ehemals als „Einsatzwagen Abschnitt“ genutzte Fahrzeuge, die das Videoeigensicherungssystem bereits eingebaut haben. 16. Welche Kosten entstehen für die Ausstattung aller beabsichtigten Fahrzeuge der Berliner Polizei und bis wann sollen alle Fahrzeuge damit ausgestattet sein? Zu 16.: Die geplante Sollausstattung der „Einsatzwagen Abschnitt“ ist erreicht, die Ersatzbeschaffungen für diese Fahrzeuge werden weiterhin ab Werk mit dem Vi- deoeigensicherungssystem ausgestattet sein. Die für die Verkehrsdienste eingesetzten Fahrzeuge sind ehemals als „Einsatzwagen Abschnitt“ genutzte Fahrzeuge, in die das Videoeigensicherungssystem bereits eingebaut wurde (siehe auch Frage 2 und 15). Berlin, den 28. Mai 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Juni 2015)