Drucksache 17 / 16 216 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 13. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Mai 2015) und Antwort Ausbildung in Sicht – oder nicht? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Jugendliche wurden in den vergangenen Jahren durch das Projekt Ausbildung in Sicht (AiS) be- treut und wie setzt sich die Gruppe in Bezug auf Ge- schlecht, Migrationshintergrund, schulischer Vorbildung u. ä. zusammen? (bitte nach Jahren und Bezirken auf- schlüsseln) Zu 1.: Eine Zuordnung zu Bezirken ist nicht möglich, da das Programm berlinweit allen Interessierten offen steht. Im Jahr 2013 haben insgesamt 2.342 junge Erwachse- ne an Maßnahmen im Rahmen des Programms „Ausbildung in Sicht“ (AiS) teilgenommen. Davon hatten 1.636 Teilnehmende (69,85%) einen Migrationshintergrund. Von den Teilnehmenden waren 1.309 männlichen Ge- schlechts (55,89%) und 1.033 weiblichen Geschlechts (44,11%). Insgesamt verfügten bei Eintritt in das Pro- gramm 1.413 Teilnehmende (60,33%) nicht über einen Schulabschluss. Im Jahr 2014 haben insgesamt 2.283 Personen an Maßnahmen des Programms AiS teilgenommen. Davon hatten 1.986 Teilnehmende (86,99%) einen Migrations- hintergrund. Von den Teilnehmenden waren 1.369 männ- lichen Geschlechts (59,96%) und 914 weiblichen Ge- schlechts (40,04%). 1.301 Teilnehmende (56,98%) hatten keinen Schulabschluss. Im Jahr 2015 werden im Rahmen des Beschlusses des Senats vom 21. April 2015 zur In- tegration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt zusätzlich zu dem bisherigen Personenkreis 100 Plätze für geflüchtete Jugendliche bereitgestellt. 2. Welche Fördermaßnahmen werden in dem Projekt durchgeführt? Zu 2.: Das Programm AiS dient der Herstellung der Ausbildungsreife von bisher nicht ausbildungsreifen Ju- gendlichen und jungen Erwachsenen, die an dieser Maß- nahme freiwillig teilnehmen. Es ist auch möglich, im Rahmen des Programms einen Schulabschluss nachzuho- len. Dadurch sollen die Chancen auf einen Ausbildungs- platz erhöht werden. Das Programm ist in mehreren Schritten aufgebaut. In einem ersten Schritt durchlaufen die potentiellen Teilnehmenden ein Kompetenzcenter, das zahlreiche Fördermöglichkeiten in einer Institution vereint. Aus Kapazitätsgründen und aus regionalen Überle- gungen heraus sind insgesamt drei dieser Kompetenzcen- ter in Berlin eingerichtet worden. Die Träger dieser Kom- petenzcenter wurden nach einer Ausschreibung ausge- wählt. Die Aufgaben der drei Kompetenzcenter sind:  Erstellung von berufsbezogenen Kompetenzprofilen für die Teilnehmenden  Unterstützung der Teilnehmenden bei einer individuell geeigneten Berufswahl  Identifizierung von möglichst passfähigen Anschlussangeboten  Begleitung bei Überleitung in Ausbildung, Arbeit oder in Anschlussmaßnahmen Zielstellung der Kompetenzcenter ist es, einen ersten Beitrag zur individuellen Berufswahl zu leisten, aber auch Fehlbesetzungen und Abbrüchen in Folgemaßnahmen entgegenzuwirken. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 216 2 Das Angebot der Kompetenzcenter wurde vor allem auf junge Erwachsene konzentriert, deren berufliche Interessen noch unklar sind und die Unterstützung bei der Wahl einer für sie geeigneten Anschlussmaßnahme benö- tigen. Darüber hinaus sollen die Kompetenzcenter bei der Information zum Programm Ausbildung in Sicht mitwir- ken und zur Teilnehmergewinnung beitragen. Die Ver- weildauer der Teilnehmenden in den Kompetenzcentern liegt zwischen 2 und 4 Wochen. Im Anschluss daran stehen drei Maßnahmetypen be- reit: 1. Maßnahmen der Ausbildungsvorbereitung 2. Maßnahmen zum Nachholen des Schulabschlusses 3. Maßnahmen der Sprachförderung In den drei Maßnahmetypen wurden im letzten Jahr insgesamt 70 Projekte eingerichtet. Davon entfielen 36 Projekte auf den Typ 2 (Nachholen des Schulabschlus- ses), 30 Projekte auf den Typ 3 (Sprachförderung) und vier Projekte auf den Typ 1 (Ausbildungsvorbereitung). Die Weiterleitung der jungen Erwachsenen aus den Kompetenzcentern muss allerdings nicht zwingend in eine dieser drei Maßnahmetypen erfolgen. Insgesamt werden aber ca. 78 % der Absolventinnen und Absolventen der Kompetenzcenter im Rahmen des Programms AiS weiter betreut, wobei ca. die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen Maßnahmen zum Nachholen des Schulab- schlusses besuchen. 3. Wie schätzt der Senat den Erfolg des Projekts ein? Zu 3.: Das Programm leistet einen wichtigen Beitrag, um bildungsferne junge Erwachsene zu befähigen, im Anschluss an die durchgeführten Qualifizierungen mit dem Übergang in eine Ausbildung bzw. eine spätere Be- schäftigung eine erfolgreiche Integration in den Arbeits- markt zu erreichen. Die Einrichtung der Kompetenzcenter im Rahmen der Neuausrichtung von AiS ist durchweg positiv zu bewer- ten. Die Kompetenzcenter helfen mit, den Bedarf an wei- tergehender Qualifizierung der jungen Menschen passge- recht zu ermitteln und zu finden. Diese müssen nicht zwangsläufig aus dem Programm AiS stammen. Der Erfolg der Arbeit der Kompetenzcenter zeigt sich auch darin, dass von den Teilnehmenden, die freiwillig ein Kompetenzcenter besuchen, nur 8% eine nachfolgende Maßnahme des Programmes vorzeitig abbrechen. Die Ergebnisse aus dem Maßnahmetyp „Ausbildungsvorbereitung “ beziehen sich auf Auswertungen aus den Jahren 2013 und 2014. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmedauer im Normalfall bei ca. 6 Mona- ten liegt und somit nur Projekte ausgewertete werden konnten, die auch bis spätestens Ende 2014 beendet wa- ren. Grundlage für die Auswertungen sind die Verbleibs- zahlen von insgesamt 979 Teilnehmenden. Von diesen sind 37% in eine weiterführende Qualifizierung, schuli- sche oder betriebliche Ausbildung eingemündet. Ca. 10% konnten in den Arbeitsmarkt integriert werden, 25% wa- ren weiterhin arbeitslos. Bei Projekten, die das Ziel hatten, das Nachholen des Schulabschlusses vorzubereiten, ist festzustellen, dass für 27% der Absolventinnen und Absolventen dies erfolg- reich gelungen ist. Bei den Projekten, die eine Sprach- kompetenzentwicklung vorgesehen haben, haben 38% eine externe Prüfung erfolgreich absolviert. Von Projekten, die seit Mitte 2014 begonnen wurden, sind vor dem Hintergrund des Schwerpunktes von Projek- ten, die dem Nachholen des Schulabschlusses dienen und somit eine Maßnahmedauer von mehr als 6 Monaten aufweisen, noch keine Auswertungen möglich. 4. Wie viele Personen sind in dem Projekt beschäftigt und in welchen Beschäftigungsverhältnissen? Zu 4.: Die Auswahl der Projekte erfolgt aus den vor- gelegten Projekten nach einem Teilnahmeaufruf. Die Förderung der Einzelprojekte erfolgt als Zuwendungsge- währung in Form einer Projektförderung für die Projekt- laufzeit. Der Personalstellenbedarf wird von den Trägern selbstständig für eine erfolgreiche Durchführung ermittelt. Eine vollständige Abfrage bei allen betroffenen Trägern für die speziell je nach Projekten eingesetzten Beschäfti- gungsverhältnisse war im Rahmen dieser Schriftlichen Anfrage nicht möglich. Darüber hinaus gelten für alle Träger die Ausführung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG), insbesondere im Bezug auf §1 Tariftreue und Mindestentlohnung. 5. Welche finanziellen Förderungen hat das Projekt vom Land Berlin und anderen Quellen in den vergange- nen Jahren erhalten? Zu 5.: Im Haushaltsjahr 2013 wurde das Programm mit 828.412,49 € an ESF-Mitteln und 1.818.574,79 € an Landesmitteln finanziert. Im Haushaltsjahr 2014 waren es 2.544.771,56 € an ESF-Mitteln und 909.204,96 € an Landesmitteln . 6. Inwiefern ist dem Senat bekannt, dass die Finan- zierung des Projekts ab dem 30.06.2015 unklar ist und aus welchen Gründen ist dies der Fall? 8. Was wird von Seiten des Senats unternommen, um eine Finanzierungslücke mit drohenden Konsequenzen wie Standortschließungen, Entlassungen und fehlenden Betreuungsmöglichkeiten von betroffenen Jugendlichen bei dem Projekt zu vermeiden und stattdessen seine An- gebote und Maßnahmen zu verstetigen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 216 3 Zu 6. und 8.: Die Finanzierung von AiS erfolgt über Landes– und ESF-Mittel. Es ist auch in der neuen Förderperiode Teil des verabschiedeten Operationellen Pro- gramms für Berlin und wird damit auch in der neuen Förderperiode des ESF zur Verfügung stehen. In der Übergangszeit ab dem 01.09.2015 bis zum Einsatz von ESF-Mitteln der neuen Förderperiode stehen nach gegen- wärtigem Kenntnisstand zur Finanzierung des Programms nur Landesmittel zur Verfügung. Gegenwärtig wird ge- prüft, in welchem Umfang im Rahmen der Haushaltswirt- schaft eine durchgängige Finanzierung des Programms sichergestellt werden kann. 7. Welche Aufgaben und Funktionen hat die Service- gesellschaft SPI Consult GmbH und in welchem Verhält- nis steht sie zu dem Projekt AiS? Zu 7.: Die SPI Consult GmbH fungiert als Treuhänder und beliehenes Unternehmen der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen und setzt auf Basis des Geschäftsbesorgungs- und Treuhandvertrages das Ver- waltungsverfahren inklusive der Förderung der Projekte um. Sie fungiert als Bewilligungsstelle und im Falle des Einsatzes von ESF-Mitteln als Dienstleister der „Zwischengeschalteten Stelle“ (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen). Die SPI Consult GmbH setzt die Förderung und das Programm AiS im Auftrag des Landes Berlin um. Berlin, den 04. Juni 2015 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Juni 2015)