Drucksache 17 / 16 230 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 19. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mai 2015) und Antwort Taser als Standardausrüstung für Berlins Zivilfahnder*innen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Polizeivollzugsbeamt*innen („Zivilfahnder *innen“) versehen in den Bereichen „Streifendienst Verbrechensbekämpfung“ der Polizeiabschnitte jeweils ihren Dienst? (Bitte nach Anzahl, Polizeiabschnitt und Geschlecht aufschlüsseln.) Zu 1.: Die Sollstärke eines Streifendienstes Verbre- chensbekämpfung je Abschnitt sollte nach Möglichkeit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht unterschrei- ten. Über die konkrete personelle Ausstattung entscheidet die jeweilige Abschnittsleitung in Abstimmung mit der Direktionsleitung individuell. Sie orientiert sich u.a. an der Kriminalitätslage im Abschnittsbereich. Derzeit wer- den in den 37 Abschnitten Berlins insgesamt 366 Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter beim Streifendienst Verbre- chensbekämpfung eingesetzt. Der Frauenanteil liegt bei 15 %. 2. Welche unterschiedlichen Aufgaben nehmen die Zivilfahnder*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung “ wahr und wie lautet die genaue Aufgabenbeschreibung im Wortlaut? Zu 2.: Der Streifendienst Verbrechensbekämpfung ar- beitet bedarfsorientiert zur vorwiegend tat- und täterorien- tierten Bekämpfung der Kriminalität im Abschnittsbe- reich. 3. Wie viele Einsätze von Pfefferspray und anderen Reizstoffen gab es in den Jahren seit 2009 durch die Zivil- fahnder*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung “ der Polizeiabschnitte zu welchen Ereignissen jeweils und verliefen diese aus polizeilicher Perspektive erfolgreich oder nicht erfolgreich? Wie viele Menschen wurden dabei verletzt oder getötet? (Bitte nach Jahr, An- lass und Androhung sowie Einsatz mit/ohne Erfolg auf- schlüsseln.) 4. Wie viele Einsätze von Einsatzstöcken (Schlagstö- cken) gab es in den Jahren seit 2009 durch die Zivilfahn- der*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung “ der Polizeiabschnitte zu welchen Ereignissen jeweils und verliefen diese aus polizeilicher Perspektive erfolgreich oder nicht erfolgreich? Wie viele Menschen wurden dabei verletzt oder getötet? (Bitte nach Jahr, An- lass und Androhung sowie Einsatz mit/ohne Erfolg auf- schlüsseln.) Zu 3. und 4.: Entsprechende statistische Erhebungen werden von der Polizei Berlin nicht durchgeführt. Im konkreten Einzelfall erfolgt eine verfahrenssichere Do- kumentation zum Einsatz von Reizstoffen und Mehr- zweckstöcken. Jedenfalls ist niemand hierdurch zu Tode gekommen. 5. Wie viele beabsichtigte sowie unbeabsichtigte Einsätze von Schusswaffen gegen Menschen, Tiere, Sa- chen und Sonstiges gab es in den Jahren seit 2009 durch die Zivilfahnder*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung “ der Polizeiabschnitte zu welchen Ereignissen und verliefen diese aus polizeilicher Perspek- tive jeweils erfolgreich oder nicht erfolgreich? Wie viele Menschen wurden dabei verletzt oder getötet? (Bitte nach Jahr, Anlass und Androhung sowie Einsatz mit/ohne Erfolg aufschlüsseln.) Zu 5.: Die angefragten Angaben zu Einsätzen der Schusswaffe durch Angehörige der Streifendienste Ver- brechensbekämpfung der Abschnitte ist der nachfolgen- den Tabelle zu entnehmen. Sie beziehen sich auf die Er- kenntnislage nach Abschluss aller erforderlichen Ermitt- lungen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 230 2 Jahr Anlass Androhung Beabsichtigt Folgen Folgen Polizei 2009 Raub Ja Ja eine Festnahme Raub Ja Ja eine Festnahme Angriff mit Hieb- /Stichwaffe Ja Ja eine Festnahme ein verletzter Beamter (Schnittverletzungen an den Händen) Angriff durch mehrere Rechtsbrecher, gefähr- liche Körperverletzung Nein Ja ein Verletzter, vier Festnahmen 2010 Raub Ja Ja eine Festnahme 2011 Raub Ja Ja ein Verletzter Raub Ja Ja zwei Festnah- men Angriff mit Messer Ja Ja zwei Festnah- men Raub Ja Ja eine Festnahme verletztes Tier Ja ein getöteter Fuchs 2012 Verdacht Menschen- handel/ Eigensiche- rung Ja keine Raub Ja Ja eine Festnahme 2013 verletztes Tier Ja ein getöteter Fuchs aggressiver Hund Ja Ja ein getöteter Hund Einbruchsdiebstahl in besonders schwerem Fall Ja Ja eine Festnahme 2014 Raub Ja Ja keine Angriff mit Hieb- /Stichwaffe Ja Ja eine Festnahme 6. Wie viele gewalttätige Übergriffe gab es auf Zivil- fahnder*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung “ der Polizeiabschnitte in den Jahren seit 2009 jeweils ? Wie viele Zivilfahnder*innen wurden dabei ver- letzt oder getötet? (Bitte nach Jahr, Anzahl und Polizeiab- schnitt aufschlüsseln.) Zu 6.: Im angefragten Zeitraum wurden keine Beam- tinnen und Beamte des Streifendienstes Verbrechensbe- kämpfung getötet. Weitergehende statistische Erhebungen werden von der Polizei Berlin nicht durchgeführt. 7. Besteht nach Ansicht des Senats derzeit eine „taktische und […] rechtliche Lücke des Einsatzes“ zwischen Pfefferspray, Schlagstock und Schusswaffe, die durch die Ausstattung der Zivilfahnder*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung“ oder anderer Gliederungseinheiten der Berliner Polizei mit „Distanz-Elektroimpulsgeräten “ (Tasern) geschlossen werden müsse, wie es der Direktor beim Polizeipräsidenten Berlin und Leiter der Direktion 6, Michael Knape, in der Zeitschrift „Die Polizei “ (Heft 5/2015, S 135-139) moniert? Wenn ja, wie wurde/wird eine solche Lücke mit welchen konkreten Einsatzerfahrungen begründet und welche Alternativen juristischer, taktischer, personeller und konzeptioneller Art wurden geprüft und mit welchen Argumenten verwor- fen? Zu 7.: Ja, insbesondere in Fällen von durch Drogen hervorgerufener Schmerzunempfindlichkeit, durch die der Einsatz von Pfefferspray oder einem Schlagstock nicht den notwendigen Effekt hervorrufen, kann ein Distanz- Elektroimpulsgerät das mildere Mittel gegenüber einem Schusswaffeneinsatz sein.. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 230 3 8. Auf welchen Treffen (Dienstbesprechungen, Wei- terbildungen, Workshops, Haushaltsberatungen etc.) wur- de die mögliche Aufrüstung der Zivilfahnder*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung“ der Polizeiabschnitte mit Tasern bislang thematisiert und mit wel- chem Ergebnis jeweils? 9. Welche Pro- und Contra-Argumente zur Aufrüstung der Zivilfahnder*innen des „Streifendienstes Verbrechensbekämpfung “ der Polizeiabschnitte mit Tasern sind dem Senat bekannt und wie bewertet er diese jeweils? Zu 8. und 9.: Es haben keine spezifischen Bespre- chungen zu einer möglichen Ausrüstung des Streifen- dienstes Verbrechensbekämpfung der Polizeiabschnitte mit Tasern stattgefunden. Im Übrigen werden die Inhalte sämtlicher Treffen im Sinne der Frage 8 (Dienstbespre- chungen, Weiterbildungen etc.) nicht generell statistisch erfasst. Im Übrigen beauftragte der Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK) des Arbeitskreises II „Innere Sicherheit“ der Innenministerkonferenz , der sich regelmäßig mit der Thematik befasst, die Deutsche Hochschule der Polizei unter Beteiligung der Länder damit, Erfahrungen zum Einsatz mit Distanz- Elektroimpulsgeräten auszuwerten. Die Arbeitsgruppe kam in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, dass der Taser nur von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der SEKs genutzt werden sollte. Dem schloss sich der UA FEK an und empfahl den Ländern und dem Bund den Einsatz von Elektroimpulsgeräten nur durch besonders ausgebildete Kräfte der Spezialeinheiten. Diese Empfehlung deckt sich mit den Erfahrungen der Polizei Berlin. Distanz-Elektroimpulsgeräte stellen ein geeignetes Einsatzmittel bei Einsätzen des Spezialein- satzkommandos (SEK) dar, das sich im andauernden Probelauf bisher bewährt hat. Der Einsatz dieser Geräte kann unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenhei- ten bzw. Eigenschaften (intensives Training, abgestimm- tes Vorgehen in der Gruppe, umfangreiche vorherige Planung von Handlungsalternativen, Vorhandensein eines Sicherungsschützen und eines Rettungssanitäters) eine mögliche Option zur Bewältigung von verschiedenen Lagen durch das SEK sein. 10. Sind dem Senat Studien und Gutachten zum Ein- satz von Tasern bei der Polizei bekannt? Wenn ja, welche sind dies, zu welchen Ergebnissen kommen diese und wie bewertet er diese jeweils? Zu 10.: Mittlerweile wurden weltweit zahlreiche Stu- dien erstellt, die die Anwendung von Distanz-Elektro- impulsgeräten untersucht haben. Die Ergebnisse der Stu- dien sind - soweit sie der Polizei Berlin bekannt sind - in die Einschätzung zur Anwendung der Distanz- Elektroimpulsgeräte eingeflossen. Es wird auf die Ant- wort zu den Fragen 8 und 9 verwiesen. 11. Haben Treffen zwischen Mitarbeiter*innen von Sicherheitsbehörden des Landes Berlin mit denen anderer Bundesländer oder Staaten zum Zweck des Austausches über Taser stattgefunden oder sind derartige Treffen für die Zukunft in Planung? Wenn ja, welche, wo, wann und mit welchen Teilnehmer*innen aus welchen Bundeslän- dern/Staaten jeweils? Zu 11.: Ja, aber eine statistische Erfassung derartiger Treffen findet nicht statt. Auf die in Beantwortung der Fragen 8 und 9 erwähnte Befassung des UA FEK wird verwiesen. 12. Haben Treffen zwischen Mitarbeiter*innen von Sicherheitsbehörden des Landes Berlin mit Rüstungsfir- men, die Taser anbieten, stattgefunden oder sind derartige Treffen für die Zukunft in Planung? Wenn ja, welche, wo, wann, mit wie vielen Teilnehmer*innen und mit welchen Rüstungsfirmen jeweils? Zu 12.: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des zustän- digen LKA 63 (SEK) nahmen und nehmen auch künftig regelmäßig an Zertifizierungs- bzw. Rezertifizierungskur- sen der Firma TASER® Inc. teil. Beispielsweise erhielten zuletzt zwei Beamte des LKA 63 im August 2014 eine sogenannte Instructor-Zertifizierung für das neue TASER Model X 2. Die Teilnahmen an solchen Treffen bzw. Kursen werden allerdings nicht statistisch erfasst. 13. Welche Erfahrungsberichte, Materialien, Be- schlüsse und Forderungen zum Einsatz von Tasern bei der Polizei sind dem Senat aus der Arbeit der Ständigen Kon- ferenz der Innenminister und Senatoren (IMK) bzw. der dort zuständigen Arbeitskreise (vor allem des Arbeitskrei- ses II/AKII) seit 2009 bekannt, und hat der Senat selbst Unterlagen im genannten Sinne in die Arbeit der IMK- Gremien eingebracht? Wenn ja, welche? Zu 13.: Es wird auf die in der Beantwortung der Fra- gen 8 und 9 erwähnten Befassungen des UA FEK verwie- sen. Darüber hinaus besteht als Ausfluss eines Auftrages des UA FEK eine jährliche Berichtspflicht der Polizeien der Länder und des Bundes an die Deutsche Hochschule der Polizei, um Erfahrungen der Spezialeinheiten mit Elektroimpulsgeräten auszutauschen und auszuwerten. Dabei werden sämtliche Einsätze von Distanz-Elektro- impulsgeräten erfasst. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 230 4 14. Welche Taser-Modelle welcher Hersteller wurden durch die Polizei Berlin in welchem Umfang getestet und mit welchem Ergebnis jeweils? Zu 14.: Folgende Distanz-Elektroimpulsgeräte wurden vom LKA 63 getestet und eingesetzt: 4 Geräte der Fa. TASER® Inc. Model Advanced TASER M 26, 4 Geräte der Fa. TASER® Inc. Model Advanced TASER X 26, 3 Geräte der Fa. TASER® Inc. Model TASER X 2. Aktuell werden Geräte des Typs 4 Advanced TASER X 26 getestet und eingesetzt. 15. Wie viele und welche Taser sind bislang bei der Polizei Berlin im Einsatz, nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt und wurden dazu öffentliche Ausschrei- bungsverfahren durchgeführt? Wenn nein, warum nicht? Zu 15.: Öffentliche Ausschreibungsverfahren wurden nicht initiiert, da die Produkte der Firma TASER® Inc. konkurrenzlos auf diesem Sektor sind und nur dieses Unternehmen in Betracht kam. Auch eine aktuelle Markt- schau ergab keine neuen Erkenntnisse. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. Berlin, den 02. Juni 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juni 2015)