Drucksache 17 / 16 262 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Schillhaneck (GRÜNE) vom 21. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Mai 2015) und Antwort Lärmbeeinträchtigungen durch die Nutzung von Sportplätzen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele gerichtliche Verfahren wurden seit dem 31.12.2009 in Berlin auf Grund von Lärmbeeinträchti- gungen durch die Nutzung von Sportplätzen (ohne die vier großen Sportstadien) in Berlin bei den Gerichten anhängig gemacht? Es wird um Unterteilung nach Bezir- ken und Jahren gebeten. Zu 1.: Steglitz-Zehlendorf: Je ein Verfahren in 2011 und 2014 (es handelte sich um ein Ausgangs- und ein Berufungsverfahren zu dersel- ben Sportanlage). Reinickendorf: Zwei Verfahren im Zeitraum 2009 bis 2011. 2. Wie viele dieser Verfahren endeten mit einer Schließung der Sportplätze bzw. Nichtnutzbarkeit oder zeitlichen Einschränkungen (in welchem Umfang) auf Grund von Auflagen? Es wird um Unterteilung nach Bezirken, Jahren und Ausgang des Verfahrens (Nichtnut- zung, zeitliche Beschränkung etc.) gebeten. Zu 2.: Keines. 3. Wie viele dieser Sportplätze unter Ziffer 2 sind Sportanlagen, die vor Inkrafttreten der Sportanlagenlärm- schutzverordnung baurechtlich genehmigt oder – soweit eine Baugenehmigung nicht erforderlich war -, errichtet worden? Zu 3.: Entfällt. 4. Wie viele dieser Sportplätze unter Ziffer 2 wurden bis zu drei Jahre vor Anhängigkeit der Klage mit welchen Kosten für die öffentliche Hand umfangreich saniert? Es wird um Unterteilung nach Bezirken, Jahren und Ausgang des Verfahrens (Nichtnutzung, zeitliche Beschränkung etc.) und Bezeichnung der Sportanlage gebeten. Zu 4.: Entfällt. 5. Welche Kosten wären notwendig, um die notwen- digen baulichen Veränderungen zur Einhaltung der ent- sprechenden Lärmschutzbestimmungen vorzunehmen? Es wird um Unterteilung nach Bezirken, Jahren und Ausgang des Verfahrens (Nichtnutzung, zeitliche Beschränkung etc.) und Bezeichnung der Sportanlage gebeten. Zu 5.: Entfällt. 6. Hält der Senat die bisherigen Regelungen auf der Ebene von Bund und Land für ausreichend, um jeweils zu sachgerechten Lösungen zu kommen und wenn nein, welche Bemühungen wurden seit dem Jahr 2001 unter- nommen, um diese zu ändern? Zu 6.: Die maßgebliche Regelung für die Lösung im- missionsschutzrechtlicher Konflikte zwischen Sportanla- gen und der benachbarten Wohnbebauung ist die Sportan- lagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV). Die Rege- lung stammt aus dem Jahr 1991 und hat in der Vergan- genheit durchaus zur Bewältigung und Befriedung immis- sionsschutzrechtlicher Konfliktlagen zwischen Sport und Wohnen beigetragen. Sie wird jedoch den Bedingungen und Notwendigkeiten in modernen, sich sukzessive ver- dichtenden Großstädten und Ballungsräumen teilweise nicht mehr gerecht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 262 2 Die stadtentwicklungspolitischen Voraussetzungen haben sich seit dem Erlass der 18. BImSchV massiv ge- wandelt. Das Land Berlin steht heute vor der immensen Herausforderung, einerseits einen stetigen Bevölkerungs- zuwachs zu bewältigen – insbesondere den erforderlichen Wohnraum zu schaffen – und dabei zugleich den Zugang aller Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner zu öffentli- chen Infrastrukturen, zu sozialen, kulturellen und eben auch sportlichen Angeboten zu gewährleisten. Vor allem in den Innenstadtbezirken ist dies in Ermangelung ander- weitiger Flächen allein durch eine stetige Verdichtung der vorhandenen Räume (Nutzung bisher freistehender Brachflächen und Baulücken) möglich. Infolge dieser Verdichtung müssen das Wohnen und andere Nutzungen wie der Sport zwangsläufig enger zusammenrücken. Ge- rade dies ist jedoch auf der Basis der durch die 18. BIm- SchV vorgegebenen Konfliktlösungsmechanismen oft- mals nicht möglich. Die mit dem räumlichen Zusammen- rücken von Sport und Wohnen ansteigenden immissions- schutzrechtlichen Einwirkungen der Sportanlagen auf die Wohnnutzung führen nach der derzeitigen Rechtslage vielmehr zunehmend dazu, dass der Sportbetrieb auf den bestehenden Sportanlagen nicht / nicht mehr in dem be- stehenden Umfang aufrechterhalten werden kann. Die obigen Antworten zu den Fragen 1. bis 5. bilden die tatsächliche Situation und die sich entwickelnde Be- drohungslage für die Nutzung der öffentlichen Sportanla- gen insofern nicht zutreffend ab. Vielmehr haben ver- schiedene Bezirke im Rahmen ihrer Zulieferung zur Be- antwortung der vorliegenden Schriftlichen Anfrage be- tont, die Tatsache, dass nur verhältnismäßig wenige Kla- geverfahren zu verzeichnen sind, beruhe darauf, dass die für die Anlagen zuständigen Sportämter intensiv darum bemüht sind, bestehende Konfliktlagen über eigeninitiativ vorgenommene Messungen und vermittelnde Gespräche / Absprachen mit den Betroffenen zu lösen, bevor es zu einer entsprechenden Klage komme. Dies deckt sich mit der Einschätzung und den Erfahrungen des Senats bezüg- lich der – hier ausdrücklich ausgenommenen – zentralen Sportanlagen und entspricht im Übrigen auch der Situati- on, wie sie im Zuge der aktuellen bundesweiten Debatte aus anderen Ballungsräumen geschildert wird. Vor dem Hintergrund der geschilderten Gefährdungs- lage für die öffentlichen Sportanlagen hat sich der Senat (ebenso wie etwa das Land Nordrhein-Westfalen und der Deutsche Olympische Sportbund) der Initiative Ham- burgs zu einer behutsamen sportfreundlichen Überarbei- tung der 18. BImSchV angeschlossen. Dabei werden derzeit insbesondere die folgenden Änderungen disku- tiert:  rechtssichere Verstetigung Altanlagenbonus,  Aufnahme Kinderlärmprivilegierung, Ausweitung auf Jugendliche,  Änderung Ruhezeiten an den Abenden und an den Wochenenden,  Berücksichtigung passiver Schallschutzmaßnahmen bei der Bestimmung der Lärmbelastung im konkreten Einzelfall. Bereits zur Fußballweltmeisterschaft 2006 hatte der Senat außerdem gemeinsam mit dem Bund eine Änderung der 18. BImSchV herbeigeführt, mit der Ausnahmen für nationale und internationale Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung ermöglicht werden (§ 6 der 18. BImSchV). 7. Welche Rolle spielt in Berlin bei der Abwägung zwischen Sportnutzung und Wohnruhe die Frage des Bestandschutzes der Sportanlagen und der heranrücken- den Wohnbebauung und welche Tendenz ist derzeit bei den Berliner Gerichten bzw. den Bundesgerichten zu erkennen? Zu 7.: Einen immissionsschutzrechtlichen Bestands- schutz genießen die Sportanlagen nur im Rahmen des sog. Altanlagenbonus nach § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV. Die- ser schützt jedoch nur vor einer Festlegung von Betriebs- zeiten und nicht vor sonstigen immissionsschutzrechtli- chen Maßnahmen und Anordnungen. Das Vorhandensein von Sportanlagen und die von diesen ausgehenden Emissionen sind außerdem im Rah- men des nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebotes zu berücksichtigen. Die erforderliche Abwägung ist insoweit einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung der jewei- ligen Besonderheiten vorzunehmen. Allgemeine Tenden- zen in der Rechtsprechung sind dem Senat nicht bekannt. Berlin, den 08. Juni 2015 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juni 2015)