Drucksache 17 / 16 276 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 20. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mai 2015) und Antwort Organisierte Kriminalität in Berlin – Der Rechtsstaat und selbst ernannte Friedensrichter und Streitschlichter Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet die Senatsverwaltung für Justiz die Aktivität von Friedensrichtern und Streitschlichtern in Berlin in Bezug auf den Bereich der Organisierten Krimi- nalität? Zu 1.: Der Senat nimmt die Thematik „Paralleljustiz“ sehr ernst. Beispielsweise beteiligt sich die Senatsverwal- tung für Justiz und Verbraucherschutz an der Länderar- beitsgruppe „Verhinderung von rechtstaatlich problematischer Paralleljustiz“. Darüber hinaus hat sie eine Studie in Auftrag gegeben, die das Phänomen der Paralleljustiz in verschiedenen Kulturkreisen in Berlin untersuchen soll. Zudem werden bei allen drei Strafverfolgungsbehörden Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für „Paralleljustiz “ benannt, die ihren Kolleginnen und Kollegen beratend zur Seite stehen, aber auch die Erkenntnisse - auch aus den Bereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Familiengerichtsbarkeit, die ebenfalls zeitnah An- sprechpartnerinnen/Ansprechpartner benennen werden - bündeln sollen. Auszugehen ist allerdings davon, dass das Tätigwerden von Friedensrichterinnen und Friedensrich- tern bzw. Streitschlichterinnen und Streitschlichtern nicht grundsätzlich rechtsstaatwidrig ist. Liegt allerdings eine rechtsstaatswidrige Beeinflussung von Zeuginnen und Zeugen durch Friedensrichterinnen und Friedensrichtern vor, ist dies in jedem Fall - also auch in den Fällen Orga- nisierter Kriminalität - inakzeptabel und wird bei Vorlie- gen entsprechender Voraussetzungen strafrechtlich ge- ahndet. 2. Wird von offizieller Seite aus mit den genannten Personen zusammengearbeitet? Zu 2.: Dem Senat sind keine Fälle der institutionali- sierten Zusammenarbeit mit Friedensrichterinnen und Friedensrichtern und Streitschlichterinnen und Streit- schlichtern bekannt. In Einzelfällen kann es zu einer Zu- sammenarbeit kommen, wenn etwa die betroffenen Per- sonen als Zeuginnen/Zeugen in einem Strafverfahren in Betracht kommen. 3. In wie vielen Fällen kam es bei Prozessverläufen zu einer Aussageverweigerung, weil mutmaßlich „Friedensrichter “ eingeschaltet wurden? Zu 3.: Zu der Anzahl der mutmaßlich von Friedens- richtern und Streitschlichtern rechtsstaatwidrig beeinfluss- ten Verfahren sind keine Angaben möglich, da keine statistische Erfassung entsprechender Verfahren erfolgt, zumal die Einschaltung eines Friedensrichters oder eines Streitschlichters von den Verfahrensbeteiligten nur ganz selten offen gelegt wird. 4. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, dies zukünftig zu verhindern? Zu 4.: Um eine Beeinflussung von Zeuginnen und Zeugen im Prozess zu verhindern, kommt es vorrangig darauf an, potentielle Belastungszeuginnen- und zeugen möglichst schnell zu möglichst authentischen und ge- richtsfesten Angaben zu veranlassen. Insoweit wird ver- stärkt die Notwendigkeit zügiger, unmittelbar auf die Tat folgender polizeilicher und staatsanwaltlicher, vorzugs- weise auch richterlicher Vernehmungen und die Umset- zung polizeilicher Videovernehmungen gesehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 276 2 Daneben werden konsequent Strafverfahren gegen selbst ernannte „Streitschlichter“ und „Friedensrichter“ eingeleitet, wenn eine Beeinflussung von Zeuginnen und Zeugen oder Geschädigten stattfindet, sowie gegen diese selbst, wenn sie vorsätzlich falsche Angaben gegenüber den Strafverfolgungsbehörden machen. 5. Welche Maßnahmen könnten generell ergriffen werden, um die Unterhöhlung des Rechtsstaates durch die oben genannten Personen zukünftig zu verhindern? Zu 5.: Es handelt sich um ein gesellschaftliches Phä- nomen, welches in der Tradition einiger Kulturkreise verwurzelt und anerkannt ist. Die Ursachen und die Ver- breitung dieses Phänomens in Berlin werden derzeit un- tersucht. Es bleibt abzuwarten, ob sich aus den für Ende des Jahres 2015 zu erwartenden Ergebnissen der Studie konkrete Maßnahmenempfehlungen ergeben. Bereits heute gilt: Sobald strafbares Verhalten zu erkennen ist, wird kon- sequent hiergegen vorgegangen. Bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Frie- densrichterinnen und Friedensrichter oder Streitschlichte- rinnen oder Streitschlichter - etwa wegen Strafvereitelung - besteht jedoch die Problematik, dass sich die „Ratschläge “ häufig in einem Rahmen bewegen, der den Nachweis eines die Strafbarkeit auslösenden Vorsatzes ausschließt; zum andern finden sich so gut wie keine Verfahrensbetei- ligten, die zu den Tätigkeiten der Friedensrichterinnen oder Friedensrichtern oder Streitschlichterinnen oder Streitschlichtern konkrete Angaben machen. Berlin, den 12. Juni 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juni 2015)