Drucksache 17 / 16 309 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Klaus Lederer und Katrin Lompscher (LINKE) vom 29. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juni 2015) und Antwort Bauvorhaben Magnus-Haus: Gilt in Berlin Sonder-Baurecht für Großkonzerne? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Trifft es zu, dass die Untere Denkmalschutz- behörde (UD) des Bezirks Mitte den Antrag des Siemens- Konzerns, auf dem Grundstück des Magnus-Hauses (Am Kupfergraben 7 gegenüber der Museumsinsel) einen mehrgeschossigen Neubau zu errichten, aus denkmalpfle- gerischen Gründen zunächst abgelehnt hat und erst auf Weisung des Bezirksstadtrates Spallek (CDU) die denk- malrechtliche Stellungnahme im Bauvorbescheid aus übergeordneten „politischen Gründen“ in eine Zustimmung umgewandelt wurde? Antwort zu 1: Es trifft zu, dass die Untere Denkmal- schutzbehörde des Bezirkes Mitte den Antrag auf Vorbe- scheid des Siemenskonzerns aus denkmalpflegerischen Gründen abgelehnt hat und dass diese Ablehnung durch eine Weisung des für Bauen zuständigen Bezirksstadtrates von Mitte aufgehoben wurde. Frage 2: Wie lautet die ursprüngliche Stellungnahme der UD Mitte? Antwort zu 2: Es wurde eine ablehnende Stellung- nahme gefertigt. Hier waren insbesondere folgende Gründe maßgeb- lich: Das freistehende Palais mit einer Fassadengestaltung von hoher künstlerischer Qualität ist ein bedeutendes Werk friederizianischer Baukunst. Es ist eines der letzten barocken Stadtpalais‘ in Berlin-Mitte und im Zusammenhang mit der überlieferten Freifläche, dem Garten und der Gartenmauer von außerordentlicher bauhistorischer und stadtgeschichtlicher Bedeutung. Es stellt ein einzigartiges Zeugnis der Stadtentwicklung aus der Mitte des 18. Jahr- hunderts dar. Ein zusätzlicher Bau führt zusätzlich zu einer wesent- lichen Beeinträchtigung des unmittelbar umgebenden Denkmalbestandes – dem Denkmalbereich (Ensemble) Dorotheenstadt. Das Grundstück befindet sich zudem im Geltungsbe- reich der Pufferzone Weltkulturerbe „Museumsinsel“. Frage 3: Durch wen und wann ist der Landesdenkmal- rat mit dem Vorhaben befasst worden und wie hat der Landes-denkmalrat Stellung genommen? Antwort zu 3: Der Landesdenkmalrat hat sich am 7. Januar 2015 mit dem Objekt befasst und sich entschieden, seine Empfehlung vom 18. Oktober 2013 zu erneuern und zu ergänzen: „Jegliche Überbauung des Gartens stellt eine schwere Beeinträchtigung des Denkmals und seines Umraums und zudem der Welterbestätte „Museumsinsel Berlin“ in seiner Pufferzone dar. Ein Wettbewerb kann das Problem nicht lösen, da es nicht um die Volumetrie und Gestaltung im Einzelnen, sondern generell um die Verträglichkeit einer Bebauung an diesem Standort geht. Der Landesdenkmalrat stellt zudem die Frage, ob für die Repräsentationszwecke des Eigentümers nicht ohne- hin die Nutzung des barocken Palais derjenigen eines neuen Hinterhauses vorzuziehen sei. Der Landesdenkmal- rat empfiehlt dringend, der Eigentümerschaft den beson- deren Wert der heutigen Situation von Palais und offenem Gartenraum nahe zu bringen und sie einzuladen, gegebe- nenfalls einen alternativen Standort für ihren Berliner Repräsentationssitz zu suchen.“ Frage 4: Trifft es zu, dass auch aus planungsrechtli- chen Gründen dieses Bauvorhaben vom Stadtplanungsamt Mitte als nicht genehmigungsfähig bewertet wurde, aber dennoch ein positiver Bauvorbescheid (ohne die beantrag- te Tiefgarage) auf Weisung des Bezirksstadtrates Spallek (CDU) ergangen ist? Antwort zu 4: Ja. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 309 2 Frage 5: Wie lautet die ursprüngliche planungsrechtli- che Stellungnahme des Stadtplanungsamtes Mitte? Antwort zu 5: Die planungsrechtliche Stellungnahme des Stadtplanungsamtes Mitte zum Bauvorbescheid war ablehnend. Frage 6: War die Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und Umwelt bereits vor dem Widerspruch des Sie- mens-Konzerns in Sachen Bauvorbescheid in das Geneh- migungsverfahren involviert? Wenn ja: Aus welchen Grün-den hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt nicht gegen die beabsichtigte „politische“ Genehmigung des offensichtlich planungs- wie denkmal- rechtlich unzulässigen Neubaus auf dem Grundstück des historischen Bauensembles interveniert? Antwort zu 6: Die Bauabsichten des Siemens- Konzerns sind in der Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und Umwelt seit Februar 2012 bekannt. Zu dieser Zeit wurde eine erste Machbarkeitsstudie vorgestellt, die als nicht genehmigungsfähig eingestuft wurde. Im weite- ren Verlauf hat die Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und Umwelt Gespräche mit dem Siemens-Konzern und dem Bezirk geführt, die eine Reduzierung des Bauvo- lumens zum Inhalt hatten. Das Ergebnis der Verhandlun- gen wurde in einem Schreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 26.06.2014 an die Siemens AG bestätigt. Frage 7: Wer hat in wessen Auftrag seitens des Senats zu Gunsten des Siemens-Konzerns Einfluss auf das Ge- nehmigungsverfahren im Bezirksamt Mitte genommen? Frage 13: Haben Klaus Wowereit oder Michael Müller als Regierende Bürgermeister oder (Michael Müller) als zuständiger Senator direkt oder über Dritte Einfluss auf den Genehmigungsprozess des Baubegehrens im Bezirk- samt Mitte, im Landesdenkmalamt oder bei der Obersten Denkmalschutzbehörde genommen oder zu nehmen ver- sucht? Antwort zu 7 und 13: In einem Schreiben des ehem. Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit an den Senator für Stadtentwicklung und Umwelt bat der ehem. Regierende Bürgermeister darum, das Vorhaben unter- stützend zu begleiten und anstehende Fragen in engem Kontakt mit dem Bezirk einer einvernehmlichen Klärung zuzuführen. Frage 8: Trifft es zu, dass das Landesdenkmalamt das Bauvorhaben des Siemenskonzerns aus denkmalfachli- chen Gründen für unzulässig bewertet und im Genehmi- gungsverfahren das Einvernehmen zu der auf Weisung erfolgten positiven Stellungnahme der UD Mitte verwei- gert hat? Wenn ja: Wie lautet die fachliche Stellungnahme des Landesdenkmalamts im Verfahren für die Ablehnung des Bauvorhabens? Antwort zu 8: Das nach § 6 (5) Satz 1 erforderliche Einvernehmen zu der positiven Beantwortung der im geänderten Vorbescheid gestellten denkmalrelevante Frage wird vom Landesdenkmalamt (Fachbehörde) nicht erteilt. Das Magnus-Haus steht als Baudenkmal unter Denk- malschutz, ist mit seinem Garten und der Gartenmauer Teil des Denkmalensembles „Dorotheenstadt“ und liegt darüber hinaus im Geltungsbereich der Erhaltungsverord- nung für das Gebiet „Dorotheenstadt, Friedrichstadt“ (03.03.1997, Gesetz- und Verordnungsblatt [GVBl.] S.258). Das Grundstück liegt zugleich innerhalb der enge- ren Pufferzone der Welterbestätte Museumsinsel gem. der UNESCO-Welterbekonvention von 1972. Die erhaltenen historischen Wohnbauten entlang der Straße Am Kupfergraben und an der Bauhofstraße mit dem Magnus-Haus (1756), den nördlich anschließenden Wohngebäuden (Nr.5,6, und 6a) sowie den Gebäuden Bauhofstraße 2, 3, 4 und 5 aus dem mittleren 19. Jahr- hundert vermitteln eindrücklich den Maßstab der Stadt, in die die monumentalen Bauten der Museumsinsel einge- fügt wurden und damit ein 250 Jahre Bau- und Stadtge- schichte im Zentrum Berlins. Frage 9: Haben Landespolitiker sich gegenüber dem Landesdenkmalamt während des Genehmigungsverfah- rens zugunsten einer Genehmigung des Vorhabens für Siemenskonzern geäußert und hat das LDA danach Ab- striche an seiner denkmalrechtlichen Ablehnung ge- macht? Antwort zu 9: Nein. Frage 10: Auf welcher Grundlage erfolgte die Befas- sung der Obersten Denkmalschutzbehörde bei der Senats- verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt angesichts der Tatsache, dass es denkmalfachlich keinen Dissens zwischen der UD Mitte und dem Landesdenkmalamt hinsichtlich einer Ablehnung des Bauvorhabens gab, sondern die denkmalrechtliche Stellungnahme der UD Mitte im Vorbescheid-Verfahren durch eine politische Weisung des Bezirksstadtrates substituiert wurde? Antwort zu 10: Da zwischen der Denkmalfachbehörde und der unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirkes zur denkmalrelevanten Frage des Vorbescheides kein Einver- nehmen hergestellt werden konnte, wurde von der unteren Denkmalschutzbehörde die oberste Denkmalschutzbehör- de gemäß § 6 Abs. 5 Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) um Entscheidung gebeten. Frage 11: Trifft es zu, dass die Oberste Denkmal- schutzbehörde entgegen der fachlichen denkmalschutz- rechtlichen Bewertung gegen das Bauvorhaben des Sie- mens-Konzerns im Garten des Magnus-Hauses auf politi- sche Weisung der Vorgesetzten den auf politische Wei- sung herbeigeführten "Dissens" zwischen UD Mitte und Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 309 3 dem Landesdenkmalamt zu Gunsten der Genehmigung des Bauantrages des Siemenskonzerns entscheiden muss- te? Antwort zu 11: Es trifft zu, dass die Oberste Denkmal- schutzbehörde den Dissens zwischen der Unteren Denk- malschutzbehörde des Bezirkes Mitte und dem Landes- denkmalamt zur denkmalrechtlichen Frage des Bauvorbe- scheides zu Gunsten einer positiven Beantwortung ent- schieden hat. Frage 12: Wer hat die Oberste Denkmalschutzbehörde angewiesen, diese Entscheidung entgegen der eigenen fachlichen denkmalrechtlichen Einschätzung so zu tref- fen? Antwort zu 12: Die Senatsbaudirektorin hat auf der Grundlage des Schreibens des Regierenden Bürgermeis- ters Klaus Wowereit an den Stadtentwicklungssenator von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht (siehe Antwort zu Frage 7). Frage 14: Wodurch wähnen sich die beteiligten ver- antwortlichen Politiker legitimiert, sich über alle fachli- chen und rechtlichen Feststellungen der qualifizierten Verwaltungsmitarbeiter*innen aufgrund des BauGB bzw. DSchG Bln hinwegzusetzen und mittels politischer An- weisung willkürlich baurechtliche Genehmigungen her- beizuführen? Frage 15: Beabsichtigt der Senat, mit diesem Vorge- hen ein Zeichen an Großinvestoren auszusenden, dass Berlin bereit sei, die Pflege und Bewahrung seines bau- historischen und kulturellen Erbes gemäß ihren Wünschen zur Disposition zu stellen? Antwort zu 14 und 15: Das Unternehmen Siemens be- absichtigt, auf dem Gelände des Magnus-Hauses seine Konzernrepäsentanz zu errichten. Dieses Vorhaben soll der Schaffung eines Forums für den Dialog zwischen Politik und Wirtschaft dienen und ist deshalb für Berlin von herausragender wirtschaftspolitischer Bedeutung. Der repräsentative Standort entspricht nicht nur der Bedeutung des Unternehmens Siemens als größtem industriellen Arbeitgeber der Hauptstadt, sondern bindet darüber hin- aus das Unternehmen Siemens noch fester an Berlin als Gründungsstadt des Konzerns. Frage 16: Wie ist der Sachstand des Bauvorhabens auf dem Grundstück des Magnus-Hauses und wie schätzt der Senat die Denkmalverträglichkeit des beabsichtigten Bauvorhabens ein? Antwort zu 16: Stand der Planung für das Bauvorha- ben Firmenrepäsentanz der Firma Siemens auf dem Gar- tenareal des Magnus-Hauses ist der bekannte Vorbe- scheidantrag. Der Vorbescheid ist Voraussetzung für den von Siemens geplanten Wettbewerb. Berlin, den 18. Juni 2015 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juni 2015)