Drucksache 17 / 16 318 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 28. Mai 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juni 2015) und Antwort Nachlese zur Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 17/16106 über Hunde 2014 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Quelle zieht der Senat für seine Aussage in Punkt 13 heran, die der im Hundegesetz gelisteten Rasse Tosa Inu eine niedrige Reizschwelle zuspricht? 2. Welche Informationen hat der Senat über die Reizschwellen von Hunderassen wie Pitbull, American Staf- fordshire Terrier und Tosa Inu im Vergleich zur Reiz- schwelle von Hunderassen wie dem Deutschen Schäfer- hund und Malinois, also solchen Hunderassen, die bevor- zugt im Schutzdienst eingesetzt werden? Zu 1. und 2.: In der Antwort auf Frage Nr. 13 der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/16106 werden die Eigen- schaften gelisteter Kampfhunde zusammengefasst darge- stellt. Verschiedene dieser Eigenschaften sind auch für den Tosa Inu zutreffend. Hinweise auf Merkmale, die die potentielle Gefährlichkeit molossoider Rassen wie des Tosa Inu bekräftigen, finden sich in „Molosser–Geschichte , Zucht, Haltung, Beschreibung 7 molossoider Rassen“ von Walt Weisse u. a. (Kynos Verlag, 1999) und „Kampfhundrassen“ von Dr. D. Fleig (Verlag Helga Fleig, 1990). In diesen Werken wird auch die genetische Disposition zur Aggression molossoider Rassen aus der Perspektive der Praxis dargestellt. Die sogenannten Ge- brauchshunderassen Deutscher Schäferhund, Deutscher Boxer, Dobermann, Rottweiler, Airedaleterrier, Riesen- schnauzer etc. werden gegenüber den Molossern abge- grenzt. Dabei wird im Gegensatz zu den Gebrauchshunde- rassen bei den Molossern aufgrund ihres besonderen „Wesens“ (hohe Verteidigungsbereitschaft) ausdrücklich vor der sogenannten „Mannarbeit“ gewarnt. Nach dem im Auftrag des Bundesministeriums für Er- nährung, Landwirtschaft und Forsten erstellten Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen) vom 2. Juni 1999 kann überstei- gertes Angriffs- und Kampfverhalten, das leicht auslösbar und biologisch weder bezüglich Zweck noch Ziel sinnvoll ist, grundsätzlich in vielen Rassen oder Zuchtlinien auf- treten, zeigt sich jedoch besonders ausgeprägt in be- stimmten Zuchtlinien der Bullterrier, American Staffords- hire Terrier und Pitbull. 3. Weshalb erfasst der Senat nicht einfach die dem Finanzamt schon heute vorliegenden Daten über die Hun- derassen, um sich einen Überblick über die Anzahl der gehaltenen Hunde je Hunderasse zu verschaffen und so- mit qualifizierte Aussagen über mehr oder weniger ge- fährlichere Hunderassen treffen zu können? Zu 3.: Bei der steuerlichen Anmeldung eines Hundes sind von der Hundehalterin oder vom Hundehalter auf dem zu verwendenden Vordruck Angaben zur Rasse des Hundes zu machen. Eine hohe Anzahl der steuerlich ge- führten Hunde wird als Mischling angemeldet, so dass keine Zuordnung zu einer bestimmten Rasse erfolgen kann. Eine maschinelle Erfassung und Auswertung der Daten erfolgt nicht, da diese Angaben zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens nicht erforderlich sind. Die Angaben werden lediglich erbeten, um im Rahmen der Einzelfallprüfung (z. B. bei der Auswertung eigener Kon- trollaktionen oder der Bearbeitung von Kontrollmit- teilungen der Polizei und der Ordnungsbehörden) über- prüfen zu können, ob die festgestellte Marke an dem Halsband des Hundes befestigt war, für den sie bei der steuerlichen Erfassung vergeben wurde. 4. Inwieweit hat der Senat bei seiner Auflistung des Tosa Inu als gefährlicher Hund in der Rasseliste berück- sichtigt, dass diese Rasse nur für unblutige Hundekämpfe, vergleichbar mit dem Sumo-Ringen, gezüchtet wurde und dass Hunde, die diese Regel nicht befolgten, unverzüglich von der Zucht ausgeschlossen wurden? Zu 4.: Diese Zucht- und Nutzungshintergründe hat der Senat berücksichtigt. Die Aufnahme in die sog. Rasseliste ist Ergebnis einer intensiven Abwägung zwischen diesen Sachverhalten und sonstigen Merkmalen dieser Rasse (vgl. die Antworten zu den Fragen 1 und 2). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 318 2 5. Wie soll ein Hundegesetz wirksam vor den Attacken gefährlicher Hunde schützen, bei dem die Rasse Tosa Inu als gefährlicher Hund gelistet ist, obwohl durch Hunde dieser Rasse zwischen 2005 und 2014, laut Aus- sage des Senats in Punkt 12, lediglich drei Beißvorfälle gegenüber anderen Hunden verursacht wurden, während durch Hunde der Rasse Deutscher Schäferhund im selben Zeitraum 994 Menschen und 761 Hunde verletzt wurden? Zu 5.: Die seit dem Jahr 2000 geltenden Regelungen über das Halten und Führen von Hunden in Berlin haben sich nachweislich des starken Rückgangs der Beißvorfälle bewährt. Insofern teilt der Senat die in der Frage zum Ausdruck kommende Annahme einer fehlenden Wirk- samkeit des Hundegesetzes nicht. 6. Wie bewertet der Senat die Auffassung, dass Hunderassen , die in der Vergangenheit durch Hundeattacken gegen Menschen auffällig geworden sind, eher auf eine solche Liste gehören würden, als die Hunderasse Tosa Inu, die weder Menschen verletzt noch attackiert hat? Zu 6.: Der Senat teilt diese Auffassung insoweit, dass gegen auffällig werdende Hunde anderer Rassen wirk- same Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das geltende Hundegesetz trägt dem Rechnung. Auf die Gründe für die Listung verschiedener Rassen ist der Senat gegenüber dem Berliner Abgeordnetenhaus wiederholt und umfas- send eingegangen. Ergänzend wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 7. Wie bewertet der Senat die Auffassung von WissenschaftlerInnen , nach denen die Gefährlichkeit eines Hundes keine rassespezifische Eigenschaft ist sondern eine individuelle bzw. die verbotener Zuchtlinien? Zu 7.: Eine solche Auffassung kann der Senat – sollte es sie in dieser Absolutheit geben - unter dem Gesichts- punkt der Gefahrenabwehr nicht teilen. Nach Auffassung des Senats gibt es rassespezifische Eigenschaften, die die Gefährlichkeit von Hunden ohne Zweifel mitbestimmen. Dazu zählen u. a. die Größe, die Beißkraft, das Beißver- halten, die ursprüngliche oder aktuelle Zweckbestim- mung und die Wesensmerkmale einer Rasse. So sind z. B. große und muskulöse Hunde natürlich potentiell gefährli- cher als Hunde sehr kleiner Rassen. Gegenteilige wissen- schaftliche Auffassungen sind dem Senat nicht bekannt. 8. Über welchen Zeitraum zahlt der Senat die Kostenpauschale von 16,37 Euro pro Tag an das Tierheim, vor dem Hintergrund einer durchschnittlichen Verweil- dauer von 144 Tagen pro Hund, bzw. 442 Tagen pro Lis- tenhund? Zu 8.: Zahlungen an den Tierschutzverein für Fund- und Verwahrtiere erfolgen im Rahmen der zwischen dem Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin und dem Tierschutzverein geschlossenen Ver- träge. Dabei wird hinsichtlich der Zahlungszeiträume differenziert zwischen Fund- und Verwahrhunden: a) Bei Verwahrhunden, d. h., bei Hunden, die auf- grund gesetzlicher Bestimmungen oder behördlicher An- ordnung (z. B. wegen eines Bissvorfalls) sichergestellt, beschlagnahmt oder eingezogen sind, erfolgt die Zahlung des vereinbarten Tagessatzes in Höhe von 16,37 €/Tag bis zur Abholung durch die Tierhalterinnen oder Tierhalter bzw. deren Beauftragte bzw. bis zur Freigabe durch die amtliche Stelle, die die Sicherstellung, Beschlagnahme oder Einziehung angeordnet hat. Dies gilt grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung. Sollte beispielweise ein Lis- tenhund vom Amtstierarzt (Veterinäramt) ein Jahr (oder länger) sichergestellt sein, so würden Zahlungen für jeden Tag des gesamten Zeitraumes erfolgen. b) Für Fundhunde wird der vereinbarte Tagessatz zu- nächst für die vertraglich festgesetzte Frist von bis zu 5 Tagen - soweit keine frühere Abholung durch die Halterin oder den Halter erfolgt - gezahlt. Nicht abgeholte Fund- hunde werden dann vom Tierschutzverein mit dem Ziel der unverzüglichen Weitervermittlung unter fundrechtli- chem Vorbehalt in seine Obhut übernommen. Die Kosten für diese übernommenen Fundhunde werden dann bis zu weiteren 19 Tagen mit dem Tagessatz abgegolten, falls keine frühere Vermittlung erfolgt. 9. Weshalb sorgt der Senat nicht für eine annähernd kostendeckende Finanzierung, zumal er gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 des Tierschutzgesetzes verpflichtet ist, sich um herrenlose Fundiere zu kümmern und gemäß § 973 BGB deren Aufbewahrung für sechs Monate zu ge- währleisten? Zu 9.: Für die Unterbringung von Fundtieren ist § 15 Absatz 1 Satz 1 des Tierschutzgesetzes nicht einschlägig, da sich die Aufbewahrungspflicht von Fundtieren aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergibt. Das Tierschutzge- setz enthält hierzu keine Regelungen. Der die Aufbewah- rung bzw. Unterbringung von Fundtieren regelnde Ver- trag wurde vom Land Berlin, vertreten durch das Bezirk- samt Lichtenberg von Berlin, mit dem Tierschutzverein entsprechend den rechtlichen Vorgaben sowie gemäß europäischem Vergaberecht als Ergebnis eines öffentli- chen europaweiten Ausschreibungsverfahrens geschlos- sen. Dabei wurde das im Rahmen der öffentlichen Aus- schreibung vom Tierschutzverein abgegebene Angebot (Gebot) vom Land Berlin angenommen und diesem der Zuschlag erteilt. Die fundrechtliche Aufbewahrungsfrist ist im Rahmen der Verträge dadurch gewährleistet, dass nicht abgeholte Fundtiere dem Tierschutzverein „unter fundrechtlichem Vorbehalt“ zur Weitervermittlung übergeben werden. Sollte sich doch noch innerhalb der 6 Monate nachträglich die „Verliererin“/der „Verlierer“ des Tieres melden, wäre das Tier dieser/diesem zurückzugegeben. Diese vertragli- che Regelung dürfte hinsichtlich der Übergabe unter fundrechtlichem Vorbehalt rechtlich auch nicht zu bean- standen sein. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 318 3 Aus Tierschutzgründen im Interesse der unterge- brachten Tiere sollte eine Vermittlung der Tiere möglichst zügig erfolgen und nicht erst 6 Monate zugewartet wer- den. Berlin, den 18. Juni 2015 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Juni 2015)