Drucksache 17 / 16 351 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 03. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Juni 2015) und Antwort Rückzahlung und Ablösung von Fördermitteln im „alten“ sozialen Wohnungsbau durch städtische Wohnungsbaugesellschaften und deren Auswirkungen auf Miethöhe, Mieten- bündnis und Mietenkonzept Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Auswirkungen hat die Erhöhung der Zinsen durch die IBB für Auswendungsdarlehen auf die Höhe der Sozialmiete? Antwort zu 1: Bei Förderobjekten des Sozialen Woh- nungsbaus, die sich in der Bedienungsphase (Tilgung und Verzinsung) der Aufwendungsdarlehen befinden, ist die jährliche Anhebung des Darlehenszinssatzes Vorausset- zung für die jährliche Anhebung der Verpflichtungsmiete um 0,1278 €/m² Wohnfläche monatlich. Frage 2: Welche Auswirkungen hat die vorfristige Rückzahlung der Aufwendungsdarlehen auf die Höhe der Sozialmiete? Antwort zu 2: Bei der vor dem Inkrafttreten des Wohnraumgesetzes Berlin möglichen vorzeitigen Ablö- sung von Aufwendungsdarlehen zum Barwert sind zwi- schen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und den Fördernehmern jeweils Aufwendungsdarlehens-Rückzah- lungsverträge abgeschlossen worden, welche u.a. die Höhe der Verpflichtungsmiete zum Rückzahlungszeit- punkt und die Fortführung der jährlichen Erhöhung um 0,1278 €/m² Wohnfläche monatlich beinhalten. Bei den von Mitte 2011 bis Ende 2013 möglichen Barwertablösungen von Aufwendungsdarlehen auf der Grundlage des Wohnraumgesetzes Berlin erfolgte jeweils per Kooperationsvertrag eine Neuregelung der vereinbar- ten Mieten. Dies bewirkte für insgesamt 711 geförderte Wohnungen Mietsenkungen zum Zeitpunkt der Barwer- tablösung auf Beträge zwischen 5,50 €/m² Wohnfläche (bei Objekten in einfacher Wohnlage) bis 6,-- €/m² Wohnfläche (bei Objekten in guter Wohnlage). Der jährliche Mieterhöhungssatz wurde mit 1,5 % vereinbart. Bei der Ablösung von Aufwendungsdarlehen zum Nominalwert sind gemäß § 12 Absatz 5 Satz 1 Zweite Berechnungsverordnung im Finanzierungsplan der Kos- tenmietberechnung die zur Ablösung aufgewandten Fi- nanzierungsmittel anstelle des abgelösten Aufwendungs- darlehens anzusetzen. Dabei dürfen gemäß § 18 Absatz 4 Zweite Berechnungsverordnung keine höheren Aufwen- dungen angesetzt werden, als sie zum Zeitpunkt der Ablö- sung des Aufwendungsdarlehens zu entrichten waren. Ob diese Regelung zu einem „Einfrieren“ der Miete auf dem zum Zeitpunkt der nominalwertigen Ablösung bestehen- den führt, hängt von den jeweiligen Bedingungen des einzelnen Förderfalls ab. Ist die preisrechtlich zulässige Miete ausgeschöpft, so ist eine weitere Erhöhung bis zum Zeitpunkt des Endes der Eigenschaft „öffentlich gefördert “ (Ablauf des zehnten Jahres nach dem Jahr der vollständigen vorzeitige Rückzahlung der Aufwendungsdar- lehen; siehe § 16 Absatz 1 Satz 1 Wohnungsbindungsge- setz) nur noch im Umfang der turnusmäßigen Anpassun- gen der Verwaltungskosten- und Instandhaltungskosten- pauschalen (siehe § 26 Absatz 4 und § 28 Absatz 5a Zweite Berechnungsverordnung) möglich. Leistet der Fördernehmer Verzichte, welche er zulässigerweise nach- holen darf, so ist er möglicherweise berechtigt, diese unter Beachtung der Verpflichtungserklärung mittels o.a. jährli- cher Mietanhebung abzubauen. Frage 3: Trifft es zu, dass städtische Wohnungsbauge- sellschaften Aufwendungsdarlehen ohne eine entspre- chende gesetzliche oder vom Gesellschafter vorgegebene Verpflichtung vorzeitig vollständig ablösen, aus welchen Gründen und wie bewertet der Senat das? Antwort zu 3: Gesetzliche Verpflichtungen zur vorzei- tigen Rückzahlung von Aufwendungsdarlehen gibt es nicht. In den Jahren, in denen der Berliner Landeshaushalt mittels Nettoneuverschuldung ausgeglichen werden muss- te, bot die Barwertablösung den Vorteil, dass dem Lan- deshaushalt vorzeitig Mittel aus Forderungen zu deren Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 351 2 Barwert zugeführt wurden, die bei planmäßiger Bedie- nung erst über Jahre und Jahrzehnte hinweg ratenweise fällig geworden wären. Da der Berliner Landeshaushalt nunmehr Einnahmenüberschüsse erwirtschaftet, besteht aktuell kein Bedarf an der Wiederauflage von Barwertab- lösungen. Von der Möglichkeit der vorzeitigen Rückzahlung von Aufwendungsdarlehen zum Nominalwert machen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften i.d.R. dann Ge- brauch, wenn die Verzinsung des Aufwendungsdarlehens zuzüglich des Verwaltungskostenbeitrags der Investiti- onsbank Berlins höher ist als der Zinssatz eines Kapital- marktdarlehens mit zehnjähriger Zinsfestschreibung. Frage 4: Für wie viele und welche Wohnungen des al- ten sozialen Wohnungsbaus haben städtische Wohnungs- baugesellschaften die vorzeitige Ablösung von Aufwen- dungsdarlehen in den Jahren 2012 bis 2014 durchgeführt bzw. planen dies in den Jahren 2015 und 2016 (bitte nach Gesellschaften, Anzahl der Wohnungen und Bezirken aufgliedern)? Antwort zu 4: 2012 und 2013 haben die degewo und die GESOBAU AG bei insgesamt 593 Wohnungen Auf- wendungsdarlehen zum Barwert nach Wohnraumgesetz Berlin abgelöst. Die Wohnungen verteilen sich wie folgt auf die Bezirke: Städtische Wohnungsbaugesellschaft Lage des/der Förderobjekte/s im Bezirk Zahl der Woh- nungen degewo Charlottenburg-Wilmersdorf 35 degewo Mitte 117 degewo Neukölln 189 degewo Tempelhof-Schöneberg 146 GESOBAU Mitte 106 Insgesamt Berlin 593 Seit dem Auslaufen der entsprechenden Regelung des Wohnraumgesetzes Berlin besteht keine Möglichkeit der Barwertablösung. Zum Nominalwert sind gemäß den Angaben der städ- tischen Wohnungsbaugesellschaften seit 2012 Aufwen- dungsdarlehen für insgesamt 4.959 Wohnungen wie folgt abgelöst worden: Geplante Ablösungen für 2016 wurden nicht benannt. Städtische Wohnungsbaugesellschaft Lage des/der Förderobjekte/s im Bezirk Jahr der Ablösung Zahl der Wohnungen degewo Mitte 2012 28 degewo Mitte 2013 432 degewo Mitte 2014 84 degewo Mitte 2015 303 GESOBAU Mitte k.A. 175 GESOBAU Pankow k.A. 47 GESOBAU Reinickendorf k.A. 20 Gewobag Charlottenburg-Wilmersdorf 2012 105 Gewobag Friedrichshain-Kreuzberg 2012 51 Gewobag Spandau 2012 526 Gewobag Charlottenburg-Wilmersdorf 2013 349 Gewobag Friedrichshain-Kreuzberg 2013 399 Gewobag Neukölln 2013 283 Gewobag Spandau 2013 86 Gewobag Tempelhof-Schöneberg 2013 51 Gewobag Charlottenburg-Wilmersdorf 2014 104 Gewobag Friedrichshain-Kreuzberg 2014 192 Gewobag Neukölln 2014 385 Gewobag Reinickendorf 2014 43 Gewobag Spandau 2014 46 Gewobag Tempelhof-Schöneberg 2014 254 Gewobag Charlottenburg-Wilmersdorf 2015 73 Gewobag Friedrichshain-Kreuzberg 2015 254 Gewobag Spandau 2015 70 Gewobag Tempelhof-Schöneberg 2015 253 STADT UND LAND Steglitz - Zehlendorf 2013 300 WBM Mitte 2012 46 Insgesamt Berlin 2012-2015 4.959 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 351 3 Frage 5: Für wie viele Wohnungen im Brunnenviertel hat die degewo die Aufwendungsdarlehen vorfristig zu- rückgezahlt, zu welchem Zeitpunkt ist dies geschehen und welche Auswirkungen hatte dies auf die Miethöhe und auf die Kappung der Miethöhe nach dem Mietenkonzept des Senats? Antwort zu 5: Die degewo hat angabegemäß im Brun- nenviertel bei insgesamt 11 Förderobjekten mit 852 Woh- nungen Aufwendungsdarlehen vorzeitig vollständig zu- rückgezahlt. Die Rückzahlung verteilt sich zeitlich wie folgt: Jahr der vorzeitigen Rückzahlung Zahl der Woh- nungen 2011 79 2012 28 2013 432 2014 10 2015 303 Insgesamt 852 Frage 6: Inwieweit plant die degewo bzw. ist sie durch den Senat dazu angehalten, Kostenersparnisse aus der Umfinanzierung an die Mieterinnen und Mieter weiterzu- geben oder ist eine Klarstellung per Verordnung o.ä. erforderlich? Antwort zu 6: Gemäß Auskunft der degewo bleibt durch die Ablösung der Aufwendungsdarlehen die Durch- schnittsmiete – von Erhöhungen der Verwaltungs- und Instandhaltungskosten abgesehen – bis zum jeweiligen Ende der Eigenschaft öffentlich gefördert unverändert. Rechtlich ist die vorzeitige Ablösung von Aufwen- dungsdarlehen in § 18 Absatz 4 in Verbindung mit § 12 Absatz 5 Zweite Berechnungsverordnung abschließend und vollständig geregelt. Frage 7: Wie werden im Fall vorfristig zurückgezahl- ter Aufwendungsdarlehen künftig Mietsteigerungen be- gründet: mit der Fördermiete (Soll-Miete) oder mit der ortsüblichen Vergleichsmiete oder ist in der anschließen- den Nachwirkungsfrist eine Mieterhöhung gänzlich aus- geschlossen? Antwort zu 7: Die vorzeitige Rückzahlung von Auf- wendungsdarlehen lässt grundsätzlich die Eigenschaft öffentlich gefördert unberührt. Die geförderten Wohnun- gen unterliegen somit weiterhin dem Kostenmietrecht des Sozialen Wohnungsbaus. Ausnahme: Bei der Barwertab- lösung nach Wohnraumgesetz Berlin endet für jede zwei- te frei werdende Wohnung die Eigenschaft öffentlich gefördert. Für diese Wohnungen gilt ab dem Freiwerden das Vergleichsmietrecht. Frage 8: Wie werden die im sozialen Wohnungsbau generell höheren Mietkosten (z.B. Verwaltungs- und Instandhaltungspauschalen und deren regelmäßige Erhö- hungen, zusätzliche Kostenposten wie Mietausfallwagnis etc. aufgrund II. Berechnungsverordnung) im Mieten- bündnis berücksichtigt? Antwort zu 8: Zutreffend ist, dass die preisrechtlich zulässigen Mieten des Sozialen Wohnungsbaus Positio- nen enthalten, die im nicht preisgebundenen Wohnungs- bestand von der Vermieterin oder vom Vermieter zu tra- gen sind. Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass die Einbeziehung dieser Positionen in das Mietpreisbildungs- system die Hauptursache dafür sei, dass Sozialwohnungen in Berlin z.T. höhere Mietpreise aufweisen als vergleich- bare nicht preisgebundene Wohnungen. Denn beide Miet- preisbildungssysteme unterscheiden sich auch noch durch eine Vielzahl weiterer Faktoren, die sich auf die Miethöhe auswirken, insbesondere Finanzierungsstruktur, Mieter- höhungsspielräume und Höhe der Wiedervermietungs- mieten. Beim Mietenbündnis wird somit nicht danach unter- schieden, ob es sich bei den einzelnen Wohnungen um eine Wohnung handelt, für die das Vergleichsmietensys- tem oder das Mietrecht des Sozialen Wohnungsbaus gilt. Entscheidend sind vielmehr die Miethöhe nach Mieterhö- hung, das Haushaltsnettoeinkommen, die Haushaltsgröße und die Angemessenheit der vom Haushalt angemieteten Wohnfläche. Frage 9: Ist eine Fallkonstellation möglich, bei der die nach Mietenbündnis abgesenkte Miete dennoch höher liegt als die im Mietenkonzept für Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus vorgesehene Miethöhe von 5,70 €? Antwort zu 9: Ja. Frage 10: Wie bewertet der Senat diese Tatsache vor dem Hintergrund, dass Zielgruppe der sozialen Wohn- raumförderung Haushalte sind, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind? Antwort zu 10: Der Senat strebt eine einkommensbe- zogene Mietenbegrenzung für den Sozialen Wohnungs- bau an und wird hierzu nach erfolgter Abstimmung ein Konzept vorlegen, welches im Rahmen der Beratungen zum Doppelhaushalt 2016/17 auch Gegenstand der par- lamentarischen Beratungen werden soll. Berlin, den 19. Juni 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2015)