Drucksache 17 / 16 368 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 04. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juni 2015) und Antwort Drogenpolitische Wege Berlins III: Wie läuft die Absicherung der freien Drogen- und Suchthilfe? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Zuwendungen an Sachkosten und an Personalkosten für die freie Drogen- und Suchthil- fe, die aktuell im Integrierten Gesundheitsprogramm abgebildet sind, in den vergangenen 12 Jahren entwickelt (bitte darstellen nach den Gesamtsummen für Sach- und Personalaufwendungen in jedem Jahr, getrennt nach planmäßigen und den jeweils außerplanmäßig bewilligten Zuwendungssummen)? Zu 1.: Die Zuwendungsvergabe an Projekte des Hand- lungsfeldes Verbundsystem Drogen und Sucht im Rah- men des Integrierten Gesundheitsprogramm (IGP) wird seit 01.01.2011 durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) wahrgenommen. Jahr Zuwendung Personalkosten planmäßig Personalkosten außerplanmäßig Vergütungsanpassung Sachkosten planmäßig Sachkosten außerplanmäßig 2011 6.778.893,43 5.423.114,74 0,00 1.355.778,69 0,00 2012 6.792.688,80 5.432.551,04 2.000,00 1.358.137,76 0,00 2013 6.859.135,12 5.429.157,66 72.688,04 1.357.289,42 0,00 2014 7.114.818,42 5.619.202,23 90.815,63 1.404.800,56 0,00 2015 7.173.711,72 5.618.739,93 150.296,81 1.404.684,98 0,00 Im Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2010 erfolgte die Projektförderung im Rahmen des Integrierten Gesund- heitsvertrags durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPW). Im Zeitraum 2003/2004 erfolgte die Finanzierung der Projekte der ambulanten Grundversorgung im Verbund- system Drogen und Sucht im Rahmen des Vertrags ambu- lante Drogenhilfe durch den DPW. Die Projekte der Förderbereiche Komplementäre Ver- sorgung, Integration, Selbsthilfe und Präventi- on/Frühintervention erfolgte im Zeitraum 2003/2004 im Rahmen der Direkt-Zuwendungsvergabe durch die zu- ständige Senatsverwaltung. Da die Aufbewahrungsfristen für Zuwendungsvorgän- ge 10 Jahre umfassen, sind die Unterlagen 2003/2004 nicht mehr verfügbar. 2. Wie haben sich die Kostensätze in den vergangenen 12 Jahren (ggf. durchschnittlich) entwickelt, die bei den relevanten entgeltfinanzierten Leistungen der Dro- gen- und Suchthilfe zugrunde gelegt werden? Zu 2.: Vergütungsentwicklungen für entgeltfinanzierte Leistungen der Drogen- und Suchthilfe in Berlin unterlie- gen den Beschlüssen der Berliner Vertragskommission Soziales für Einrichtungen und Dienste nach dem SGB XII. Folgende Beschlüsse liegen dazu vor: 1. Beschluss Nr. 3/2003: Beschluss zur Umsetzung des am 04.11.2002 gefassten Beschlusses Nr. 3/ 2002 im Hinblick auf Sparvorgaben 2. Beschluss Nr. 6/ 2006: Anpassung der Vergütung ab 01.01.2007 bis 31.12.2009 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 368 2 3. Beschluss Nr.5/ 2008: Ausgestaltung des Berliner Rahmenvertrages ( BRV) mit Regelung zum In- vestitionsbetrag 4. Beschluss Nr. 8/ 2009: Anpassung der Vergütung 2010 und Angleichung der Vergütung 2010/2011 5. Beschluss Nr. 5/2011- Anpassung der Vergütung ab 1.1.2012 bis 31.12.2013 6. Beschluss Nr. 5/ 2013- Pauschale Vergütungsvereinbarung 2014/2015 7. Beschluss Nr. 7/ 2014-Vergütungsanpassung Die zum Teil sehr umfangreichen Beschlüsse sind seit 2007 im Internet veröffentlicht (www.berlin.de/sen/soziales/themen/vertraege/sgb- xii/kommission-75/berliner-rahmenvertrag/). Nach einer pauschalen Absenkung der Vergütung 2002/2003 von 1,7 % bei Einrichtungen nach § 67 SBG XII bzw. 5 % bei Einrichtungen für Menschen mit seeli- scher Behinderung nach §§ 53, 54 SGB XII ist für die letzten 10 Jahre danach eine durchschnittliche Anhebung der Vergütungen von ca. 1,18 % pro Jahr zu verzeichnen. 3. Wie hat sich die Zahl der Klient*innen in den Projekten der ambulanten Grundversorgung der freien Dro- gen- und Suchthilfe in den vergangenen 12 Jahren entwi- ckelt (bitte darstellen nach Jahresscheiben)? Zu 3.: Die Entwicklung von 2002 bis 2013 der Anzahl der in den Einrichtungen der ambulanten Suchthilfe zu betreuenden Klientinnen und Klienten ist der nachstehen- den Übersicht zu entnehmen: (Datenquelle: Berliner Suchthilfejahresberichte). Jahr Gesamtklientenzahl, ambulant Jahr Gesamtklientenzahl, ambulant 2002 10.289 2008 17.181 2003 11.792 2009 19.053 2004 10.793 2010 19.652 2005 15.409 2011 19.637 2006 15.669 2012 19.645 2007 16.027 2013 20.464 Für das Jahr 2014 liegt der Jahresbericht noch nicht vor. 4. Wie hat sich die Zahl der Klient*innen in den sonstigen Projekten im Verbundsystem Drogen und Sucht in den vergangenen 12 Jahren entwickelt (bitte darstellen nach Jahresscheiben)? Zu 4.: Auf der Grundlage der Berliner Suchthilfejah- resberichte liegt 2013 die Gesamtzahl der Klienten in den stationären Suchthilfeeinrichtungen um 6 % höher als 2005. Ein kontinuierlicher Anstieg der jährlichen Ge- samtklientenzahl ist hier nicht zu beobachten. Jahr Gesamtklientenzahl, stationär Jahr Gesamtklientenzahl, stationär 2002 Kein Vergleich möglich, da andere Statistikerhebung 2008 2.414 2003 2009 2.570 2004 2010 2.557 2005 2.238 2011 2.377 2006 2.733 2012 2.508 2007 1.614 2013 2.382 Für das Jahr 2014 liegt der Jahresbericht noch nicht vor. 5. Wie haben sich die in der Sucht- und Drogenhilfe zu bearbeitenden Problemlagen der Hilfesuchenden in den zurückliegenden 12 Jahren quantitativ und qualitativ verändert und was bedeutet das für die Ausrichtung der Sucht- und Drogenhilfearbeit, den Arbeitsaufwand und die Belastung der Projekte der freien Sucht- und Drogen- hilfe? Zu 5.: Die in 2012 durchgeführte Fortschreibung der „Bedarfsanalyse in sechs Berliner Planungsregionen im Bereich der ambulanten Drogenhilfe“ durch die Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS), kommt in ihrem Bericht vom Dezember 2012 zu folgenden Ergebnissen: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 368 3  Durch den erhöhten Beratungs- und Betreuungsbedarf der verstärkt hinzu gekommenen Konsum- entengruppen (siehe Antwort zu Nr. 3) ergaben sich auch veränderte Anforderungen an die Aufga- benwahrnehmung. Hier ist insbesondere die ver- stärkte Angehörigenberatung bei Konsumentinnen und Konsumenten von Cannabis und Stimulanzien zu nennen, die daraus resultiert, dass diese in der Regel jünger sind als die Konsumentinnen und Konsumenten von Kokain oder Opioiden.  Weiterhin haben die Suchthilfedienste seit 2006 wichtige Aufgaben übernommen, die bisher nicht Bestandteil des abgestimmten und verbindlichen Anforderungsprofils sind. Hier sind insbesondere die Aufgabenfelder Kinderschutz und Frühinter- vention zu nennen. Die Wahrnehmung dieser Auf- gabenfelder wird fachpolitisch ausdrücklich als notwendig erachtet.  Darüber hinaus hat sich die Belastungssituation in den Regionen zum Teil verändert. 6. Wie hat sich die Präventionsarbeit der Sucht- und Drogenhilfe in Bezug auf Zielgruppen, Themen und Bera- tungsaufwand in den zurückliegenden 12 Jahren verändert und was bedeutet das für die Ausrichtung der Sucht- und Drogenhilfearbeit, den Arbeitsaufwand und die Belastung der Projekte der freien Sucht- und Drogenhilfe? Zu 6.: In den Jahren 2004/05 wurde die Suchtpräven- tion in Berlin auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Expertise umstrukturiert. Diese empfahl, eine zentrale Fachstelle zur Suchtprävention einzurichten, mit dem Ziel, die vorhandenen Ressourcen zu bündeln. Auf der Grundlage der Expertise wurde ein Rahmenkonzept ent- wickelt und eine zentrale Fachstelle für Suchtprävention ausgeschrieben. Im Dezember 2005 konnte die heutige Fachstelle zur Suchtprävention im Land Berlin eröffnet werden. Deren Aufgaben sind auf eine gesamtstädtische Wirkung ausgerichtet sowie auf die Entwicklung von Informations- und Aufklärungsmaterialien, die Konzept- entwicklung von Projekten, den Wissenstransfer in Ju- gendhilfe, Schule, Gesundheitssystem und Bezirke sowie die Schulung von Multiplikatoren. Die ambulante Suchthilfe vermittelt auf Nachfrage in die Prävention und wird laut ihrer Leistungsbeschreibung nicht selbstständig in der Prävention aktiv. 7. Wie hat sich das Delta zwischen der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst (Personalaufwand pro Ar- beitsstunde) einerseits und dem Personalaufwand pro Arbeitsstunde in der Landschaft der freien Träger der Drogen- und Suchthilfe andererseits bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation seit 12 Jahren entwickelt (bitte darstellen nach Jahresscheiben und beispielhaft für eine Sozialarbeiter- bzw. psychologische Qualifikation)? Zu 7.: Die Trägerlandschaft im Bereich Drogen und Sucht ist heterogen und daraus resultieren auch sehr un- terschiedliche arbeitsvertragliche Regelungen und Vergü- tungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pro- jekte. Zuwendungsrechtlich sind die Beachtung des soge- nannten Besserstellungsverbotes (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Zuwendungsempfängern dürfen finanziell nicht bessergestellt werden als vergleichbare Beschäftigte Berlins) und die Regelungen des Mindestlohngesetzes zu beachten. Ansonsten ist die Autonomie der Träger als Arbeitgeber zu respektieren. Die Erstellung einer Vergleichsrechnung zwischen der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst (Personalauf- wand pro Arbeitsstunde) einerseits und dem Personalauf- wand pro Arbeitsstunde in der Landschaft der freien Trä- ger der Drogen- und Suchthilfe andererseits, ist daher nicht möglich. 8. Wie müssen die Förderstrukturen, der Förderumfang und die langfristig nachhaltige Finanzierung der zuwendungsfinanzierten freien Drogen- und Suchthilfe ausgerichtet werden, um den Herausforderungen Rech- nung tragen zu können – statt sich jährlich von verspätet ausgereichtem Bewilligungsbescheid zu Bewilligungsbe- scheid „hangeln“ zu müssen? Zu 8.: Eine Sicherung der Finanzierung für die Projek- te des Handlungsfeldes Verbundsystem Drogen und Sucht im Rahmen des IGP für die nächsten 5 Jahre soll durch den Abschluss eines weiteren Rahmenfördervertrages zum Jahresende 2015 erfolgen. 9. Was plant oder unternimmt der Senat, damit die Träger der freien Drogen- und Suchthilfe ihr Personal zukünftig auch kontinuierlich entsprechend der Entwick- lung der Lebenshaltungskosten und der allgemeinen Loh- nentwicklung bezahlen zu können und damit die dortige Arbeit „gute Arbeit“ ist? Zu 9.: Ein Schwerpunkt ist die angemessene Bezah- lung für die Beschäftigten in der freien Suchthilfe. Für die Anpassung der Vergütung bei den Beschäftigten von Zuwendungsempfängern hat das Abgeordnetenhaus seit 2012 jedes Jahr Mittel bereitgestellt, die an die Zuwen- dungsempfänger ausgereicht wurden. Im Entwurf des Haushaltsplans 2016/2017 sind bei den Ansätzen allge- meine Kostensteigerungen für Zuwendungsempfänger berücksichtigt. Berlin, den 26. Juni 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Juni 2015)