Drucksache 17 / 16 383 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ellen Haußdörfer (SPD) vom 08. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juni 2015) und Antwort Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen I: Nicht Zukunftsaufgabe sondern Ge- genwart Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie schätzt der Senat die Medienkompetenz der Berliner Kinder und Jugendlichen allgemein ein? 2. Gibt es Statistiken darüber, in welchem Alter die Kinder mit digitalen Medien erstmals in Berührung kom- men bzw. regelmäßig mit ihnen zu tun haben? Wenn ja, bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht und Art des Mediums. 3. Falls sich signifikante Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen ergeben, welche Erklärungen gibt es dafür? Zu 1. - 3: Der Begriff Medienkompetenz ist sehr viel- schichtig. Er umfasst Dimensionen wie Wissen, Bewerten und Handeln und ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung von Bildungs- und (medialen) Teilha- bechancen für eine kompetente Lebensführung. Eine kritische Auseinandersetzung mit Medien und Medienin- halten ebenso wie das Erkennen von Chancen der Medi- ennutzung zählen deshalb zu den Grundkompetenzen, die junge Menschen heute erwerben müssen. Die wichtigsten Instanzen, die Einfluss auf die Entwicklung der Medien- kompetenz von Kindern und Jugendlichen haben sind u.a. die Familie, die Kindertagesstätte, die Schule, Peergroups und die Jugendarbeit. Zur Befähigung einer kompetenten Mediennutzung insbesondere der digitalen Medien werden in Berlin zahl- reiche Angebote in den unterschiedlichen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe, vom frühkindlichen Bereich über die Eltern- und Familienbildung, die Kinder- und Jugendarbeit, die Jugendsozialarbeit bereitgestellt. Verschiedene Studien wie die KIM-Studie (Langzeit- studie Kinder und Medien) 2014 und die JIM-Studie (Langzeituntersuchung Jugend, Information, (Multi- )Media) 2014 vom Medienpädagogischen Forschungsver- band Südwest, die das Medienverhalten der 6 bis 13- Jährigen bzw. den Medienumgang der 12 bis 19-Jährigen in Deutschland abbilden oder auch die miniKIM (Klein- kinder und Medien) 2014 des gleichen Forschungsver- bandes, eine Basisuntersuchung zum Medienumgang der 2 bis 5-Jährigen, untersuchen seit vielen Jahren, wie Kin- der- und Jugendliche Medien nutzen und wie die Medien- kompetenz dieser Zielgruppen ausgeprägt ist. Aus den Eckdaten dieser Studien lassen sich folgende Einschätzungen ableiten, die auch auf Berliner Kinder und Jugendliche zutreffen: Digitale Medien werden demnach von fast allen Kin- dern im Alter von 6 bis 13 Jahren genutzt. Der Anteil der Internet-Nutzer/innen fällt bei Mäd- chen in dieser Altersgruppe mit 60 % etwas geringer aus als bei Jungen mit 66 %. 15 % der jüngeren Kinder (2- bis 5-Jährige) haben ers- te Erfahrungen mit dem PC gesammelt, 5 % nutzen schon Online-Dienste. In dieser Alters- gruppe spielen das Fernsehen - täglich sehen 44 % dieser Kinder fern - und die tägliche Beschäftigung mit Büchern (43 %) die größte Rolle. Mit 97 % besitzt praktisch jeder 12 bis 19-Jährige ein eigenes Mobiltelefon (Smartphone 88 %), 92 % können vom eigenen Zimmer auf das Internet zugreifen. Computerspiele werden von 45 % dieser Altersgruppe regelmäßig genutzt, wobei die männlichen Spieler (70 % Jungen und 17 % Mädchen) eindeutig dominieren. Jungen spielen mit 105 Minuten täglich mehr als doppelt so lange als Mädchen (48 Minuten). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 383 2 Neben der elektronischen Mediennutzung gehört das Lesen für zwei von fünf Jugendlichen zu den regelmäßi- gen Freizeitbeschäftigungen, hier ist die Vorliebe der Mädchen für Bücher eine Konstante, jedes zweite Mäd- chen aber nur jeder vierte Junge liest regelmäßig Bücher. Traditionelle Medien wie Bücher, Fernsehen und Radio werden von Jugendlichen noch im gleichen Umfang ge- nutzt wie vor 15 Jahren. Digitale Medien und Kommuni- kation ergänzen sich und erweitern das Medienrepertoire von jungen Menschen, auch hinsichtlich kultureller Aus- drucksformen. Ungleiche Lebensverhältnisse, z.B. Armut, Erwerbs- losigkeit oder geringe Bildungsabschlüsse der Eltern haben Auswirkungen auf die Nutzung und Zugänglichkeit digitaler Medien. Je höher der Bildungsgrad, desto höher ist die Internetkompetenz, desto vielfältiger und differen- zierter die Verwendung von sozialen Netzwerken und das Sicherheitsbewusstsein im Netz (vgl. Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet 2014). Umso wichtiger ist es, dass gezielte Angebote und zielgruppensensible und diversitätsbewusste Konzepte der Medienbildung in der frühen Kindheit, in der Schule und im außerschulischen Bereich bereitstehen, die die unglei- chen Lebenslagen und ihre Auswirkungen auf digitale Teilhabemöglichkeiten berücksichtigen. 4. Welche niedrigschwelligen Angebote gibt es für Eltern um ihre Kompetenzen in der Begleitung ihrer Kin- der bei den ersten Schritten im Umgang mit digitalen Medien zu verbessern? 5. Gibt es im Rahmen dessen spezielle Angebote für sozialschwache bzw. bildungsferne Familien oder Fami- lien mit Migrationshintergrund? Zu 4. und 5.: Im „Jahr der Medienkompetenz in der Bildung“ (2011) weitete die Senatsverwaltung für Bildung , Jugend und Wissenschaft (SenBildJugWiss) ihre Bemühungen um mehr Medienkompetenz aus. Dabei wurden zum ersten Mal auch die Eltern berücksichtigt. Die SenBildJugWiss entwickelte dazu das neue Master- plan-Leitprojekt „Mehr Medienkompetenz für Eltern“. Künftig sollten den Eltern entsprechende Kurse an den Schulen ihrer Kinder angeboten werden, damit sie eigene Medienkompetenz entwickeln und somit ihre Erziehungs- arbeit auf die Digitalen Medien ausweiten können. Die Kosten für diese Kurse trägt die SenBildJugWiss. Eine Trennung der Elternschaft nach wirtschaftlichem Status oder kulturellem Hintergrund ist dabei nicht vorgesehen. In jedem Berliner Bezirk gibt es ein Medienkompe- tenzzentrum die u.a. auch Angebote für Eltern oder gene- rationenübergreifend für die Familie als Ganzes machen. Auch die Berliner Volkshochschulen bieten mit unter- schiedlich starker Ausprägung Kurse im Bereich Medien- erziehung für Eltern an. Die Einrichtungen der Familienbildung, Familienför- derung und die Familienzentren entwickeln ihr Angebot zur Medienerziehung in der Familie ständig weiter. So werden alltagsnahe sensibilisierende Maßnahmen mit niedrigschwelligen Anregungen kombiniert, um die Auf- merksamkeit von Eltern für medienerzieherische Belange zu wecken und einen fachlich unterstützten Austausch zwischen Eltern zu fördern. Das „Interinstitutionelle Projekt zur Stärkung der Erziehungskompetenz “ (IPSE), ein Lokales Bündnis für Familie im Bezirk Marzahn-Hellersdorf führt zum Thema „Neue Medien“ Elternabende durch und erstellt entsprechende Elterninformationen in deutscher, russischer und vietnamesischer Sprache. 6. Wie gut schätzt der Senat die Medienkompetenz von Erzieherinnen und Erziehern in Berliner Kindertages- stätten ein? Zu 6.: Sozialpädagogische Fachkräfte bearbeiten in ih- rer Ausbildung an Fachschulen auch das Thema Medien- bildung und Medienpädagogik. Der Berliner „Rahmenlehrplan für Unterricht und Erziehung“ an den Staatlichen Fachschulen für Sozialpädagogik – gültig seit Schuljahr 2011/2012 – berücksichtigt im „Lernbereich I: Kommunikation und Gesellschaft“ im „Themenfeld 3: Kulturarbeit leisten“ auch das Thema Medien. Hierbei geht es einerseits um die eigene Medienkompetenz der künftigen Pädagoginnen und Pädagogen aber andererseits auch darum, diese Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. Als Inhalte des insgesamt 100 Stunden umfassenden Themen- felds werden in Bezug auf Medien genannt: - Medien und Medienverbundsysteme, Medienwahrnehmung , Medienwirkung, Mediensozialisa- tion - Medien im Bildungsprozess, - Kommunikations- und Medientechnik in der sozi- alpädagogischen Arbeit. Im Berliner Bildungsprogramm für Kitas und Kinder- tagespflege (2014), das verbindliche Grundlage für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen ist, wird die Entwicklung von Medienkompetenz als ein wichtiges pädagogisches Ziel angesehen. Unter dem Bildungsbe- reich „Kommunikation“ finden die pädagogischen Fachkräfte Anregungen für ihre alltägliche Praxis. Da es sich bei Medienbildung um eine Querschnittsaufgabe handelt, sind die Verbindungen zu anderen Lernbereichen einzu- beziehen. In den Jahren 2003 bis 2006 wurden im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Land Berlin und IBM- Deutschland 200 Kindertagesstätten berlinweit mit den Multi-Media-Lernstationen „kidsmart“ ausgestattet. Begleitend wurden Qualifizierungsmaßnahmen angeboten, die auf die Erweiterung der Medienkompetenzen der pädagogischen Fachkräfte zielten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 383 3 Entwicklung und Innovation erfolgen im Bereich der Medien sehr schnell. Aus diesem Grund sind pädagogi- sche Fachkräfte gehalten, ihre Kompetenzen z.B. über Fort- und Weiterbildung stets weiter zu entwickeln und aktuell zu halten. 7. Gibt es oder plant der Senat spezielle Angebote für die Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern der KITAs, um eine geeignete Begleitung und Förderung der Medienkompetenz von jüngeren Kindern zu gewährleis- ten? Zu 7.: Pädagogische Fachkräfte finden im Land Berlin ein breites Angebot an medienpädagogischen Fortbildun- gen vor. Beispielhaft sei hier das Berliner Fortbildungs- programm von „BITS 21“ im Rahmen des Landesprogramms „jugendnetz-berlin“, das von der „WeTeK gGmbH“ und dem „Förderverein für Jugend- und Sozialarbeit e.V.“ organisiert wird, genannt. Die beiden Träger bieten ein umfangreiches und bedarfsorientiertes Pro- gramm an, das durch den Europäischen Sozialfonds ge- fördert wurde. Das „Fachprofil Medienbildung“ bei- spielsweise umfasst 250 Stunden, qualifiziert berufsbe- gleitend und schließt mit einem Zertifikat für die Teil- nehmenden ab. Auch bezirkliche Medienkompetenzzen- tren kooperieren mit Kindertagesstätten und halten ein medienpädagogisches Fortbildungsprogramm für den Umgang mit Hard- und Software vor. 8. Wie gut schätzt der Senat die Medienkompetenz der Berliner Lehrerinnen und Lehrer im Allgemeinen ein? Zu 8.: Im März 2012 fand die Erhebung des IT- Bestands für den unterrichtlichen Einsatz an den öffentli- chen Berliner Schulen durch den Statistikbereich der SenBildJugWiss statt. Dabei wurden die allgemein bil- denden Schulen auch noch zu ihrer Einstellung gegenüber dem „eEducation Berlin Masterplan“ befragt. An der Befragung nahmen 554 der 650 öffentlichen allgemein bildenden Berliner Schulen teil, das entspricht einer pro- zentualen Beteiligung von 85,2%. Die Frage 3 mit den Unterpunkten 3.1 und 3.2 in dieser Erhebung bezog sich auf die Entwicklung, bzw. auf den Erwerb von Medien- kompetenz und lautete: Durch die Umsetzung des Masterplans an meiner Schule konnte im Bereich der Medienkompetenz bei den Lehrer/innen und den Schüler/innen folgendes beobachtet werden: Frage 3.1: Die Medienkompetenz der Lehrer/innen... verbesserte sich verbesserte sich nicht 89,5% 10,5% Frage 3.2: Die Medienkompetenz der Schüler/innen... verbesserte sich verbesserte sich nicht 93,7% 6,3% Aus den o. g. Ergebnissen kann geschlossen werden, dass sich bei den Berliner Lehrerinnen und Lehrern in hohem Maße Medienkompetenz hat entwickeln können. Dies spiegelt sich auch in den Medienkonzepten („Medienentwicklungspläne “) wieder, die Schulen einreichen müssen, wenn sie eine Förderung im Rahmen der Umset- zung des „eEducation Berlin Masterplan“ bei der SenBildWiss beantragen. 9. Werden die Kompetenzen im Umgang mit Medien bzw. das Lehren dieser Kompetenzen in der Lehrerausbil- dung ausreichend geschult? Zu 9.: Für den Vorbereitungsdienst lautet die Antwort: Ja. Umgang mit Medien ist im Vorbereitungsdienst als Querschnittsthema an mehreren prominenten Stellen in den Pflichtbausteinen verankert:  Pflichtbaustein 2 im Modul Unterrichten: Grundsätze der Planung von Unterricht (Ausgewählte Me- thoden und Medien, Funktionszusammenhang und Gestaltung)  Pflichtbaustein 4 im Modul Unterrichten: Unterrichtsarrangement (Mediennutzung)  Pflichtbaustein 2 im Modul Erziehen und Innovieren : Reflexion und Entwicklung von Werthaltun- gen (Umgang mit Medien, Medienerziehung)  Pflichtbaustein 3 im Modul Erziehen und Innovieren : Konflikte und Gewaltprävention (Umgang mit Medien, Medienerziehung). Für die Ausbilderinnen und Ausbilder erfolgen regel- mäßig Qualifizierungsmaßnahmen zu diesem Thema. 10. Inwieweit und in welchem Umfang werden die Fortbildungsangebote für den Umgang mit digitalen Me- dien für Lehrerinnen und Lehrer an den Volkshochschu- len wahrgenommen? 11. Welche Maßnahmen gibt es um Lehrerinnen und Lehrer auf diese Angebote weiter aufmerksam zu machen, diese attraktiv und ergebnisorientiert zu gestalten, um eine ausreichende Kompetenz zu gewährleisten? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 383 4 Zu 10. und 11.: Die operative Umsetzung der Fortbil- dungsmaßnahmen im Rahmen des modularen Fortbil- dungskonzepts des „eEducation Berlin Masterplan“ für das pädagogische Personal an Schulen liegt seit 2005 bei der Einrichtung der Berliner Volkshochschulen (VHS). Koordiniert werden diese Maßnahmen durch die VHS- Leitstelle IT (Volkshochschule Otto Suhr in Berlin- Neukölln). Seit Herbst 2005 bis Ende 2014 haben insge- samt 32.106 Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher sowie Referendarinnen und Referendare 2.785 Kurse nach dem Modulkonzept des Masterplans besucht und dabei insgesamt 616.016 Kursteilneh- mer/innenstunden abgeleistet. Über diese Möglichkeit der kostenlosen Fortbildung wird das pädagogische Personal über die Masterplanseite der SenBildJugWiss, die Webpräsenz der VHS-Leitstelle IT sowie über die IT-Regionalbetreuer/innen und durch die SenBildJugWiss direkt bei Beantragung einer Förde- rung nach dem „eEducation Berlin Masterplan“ informiert . Berlin, den 22. Juni 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2015)