Drucksache 17 / 16 393 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 08. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juni 2015) und Antwort Verwendung von Videoaufzeichnungen bei Polizeiermittlungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Werden bei (Straf-)Anzeigen (sowohl online als auch offline) die Videoaufzeichnungen vom mutmaßli- chen Tatort gesichert, um den/die Täter schneller/besser ermitteln zu können? Wenn ja, inwieweit geschieht diese Sicherung? Wenn nein, warum nicht? Zu 1.: Sobald der Polizei bekannt wird, dass es Video- aufzeichnungen gibt, die für die Aufklärung einer Straftat von Bedeutung sein können, gehört es zum polizeilichen Standard, diese Videoaufzeichnungen als potentielles Beweismittel beizuziehen. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben erfolgt die Siche- rung von Videodaten vor dem Löschen durch Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter der Betriebsleitstelle Sicherheit der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), indem die betroffenen Datensätze auf eine verschlüsselte Netzablage verschoben werden. Die Deutsche Bahn AG (DB) hat mitgeteilt, dass sie keine Antwortbeiträge zu der Schriftlichen Anfrage abge- ben kann. 2. Geschieht die Sicherung der Aufzeichnung automa- tisiert, muss diese manuell durchgeführt oder auf einem anderen Weg durchgeführt werden? Zu 2.: Eine automatisierte Sicherung von Videoauf- zeichnungen durch die Polizei Berlin findet nicht statt. In Ermittlungsverfahren werden unabhängig von der Quelle der Videoaufzeichnungen ausschließlich anlassbe- zogene Sicherstellungen dieser Aufzeichnungen vorge- nommen. Die Vorgehensweise bei der Sicherung der notwendi- gen Daten einer Videoaufzeichnung ist je nach Herkunft der Daten unterschiedlich. In der Regel werden die aufge- zeichneten Daten durch den Aufnehmenden auf einem geeigneten Medium gespeichert und an die Polizei über- geben. 3. Wie viel Zeit vergeht im Durchschnitt, bis eine für die Ermittlung benötigte Sicherung der Videoaufzeich- nung erfolgt ist? Zu 3.: Mangels statistischer Erhebungen können hier- zu keine Aussagen getroffen werden. 4. a) Bei wie vielen (Straf-)Anzeigen erfolgte in den letzten drei Kalenderjahren eine Anfrage zur Sicherung der Videoaufzeichnungen? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln) b) Bei wie vielen (Straf-)Anzeigen konnte diese An- frage aufgrund des Verstreichens der Speicherfrist von 48 Stunden nicht mehr realisiert werden? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln) Welche Gründe führten dazu, dass die Speicherfrist von 48 Stunden überschritten wurde? Zu 4.: a) Zur Sicherung von Videoaufzeichnungen von an- deren Quellen als denen der BVG (Tankstellen, Geldinsti- tute etc.) liegen keine statistischen Daten vor. Zu Videodateien der BVG wird auf die Antworten der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/15216 und der Kleinen An- frage Nr. 17/13083 verwiesen. Diese beziehen sich auf „Gewaltvorfälle und Videoüberwachung bei der BVG“ in den Jahren 2013 und 2014. Im Jahr 2012 fand in 2517 Fällen eine Anforderung von Videomaterial statt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 393 2 b) Gemäß § 31 b Absatz 3 a des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten in der Berliner Verwaltung (Berliner Datenschutzgesetz – BlnDSG) richtet sich das Löschungsgebot nach Verstreichen der 48 stündigen Speicherfrist ausschließlich an die BVG. Die Anzahl der Strafanzeigen, bei denen die Anfrage aufgrund des Verstreichens der zulässigen Speicherfrist von 48 Stunden nicht beantwortet werden können, werden nicht erfasst. 5. a) Muss für die dauerhafte Sicherung der Videoauf- zeichnung eine bestimmte Schwere eines (Straf-)Tat- bestandes erfüllt sein? Wenn ja, nach welchen Kriterien erfolgt die Differen- zierung und aus welchem Grund erfolgt die Differenzie- rung? b) Wird eine Sicherung der Videoaufzeichnung durchgeführt, wenn die Anzeige einen sexualstrafrechtli- chen Tatbestand beinhaltet? c) Wie viele Fälle mit sexualstrafrechtlichem Bezug wurden in den letzten drei Jahren zur Anzeige gebracht? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln) d) Bei wie vielen Fällen mit sexualstrafrechtlichem Bezug wurden in den letzten drei Jahren Videoaufzeich- nungen zu Ermittlungszwecken sichergestellt und ver- wendet? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln) e) Werden für diese Straftaten die Polizeikräfte beson- ders geschult bzw. wird in den Polizeiabschnitten darauf geachtet, dass die Anzeigenaufnahme von entsprechend geschulten Kräften durchgeführt wird? Wenn ja, inwieweit geschieht dies? Wenn nein, warum nicht? f) Gibt es Polizeidienststellen, die auf Straftatbestände mit sexualstrafrechtlichem Bezug spezialisiert sind? Wenn ja, wo befinden sich diese Polizeidienststellen? g) Wird bei entsprechend schweren Fällen die Gewalt- schutzambulanz eingeschaltet? Wenn nein, welche Hintergründe bestehen und wann und wie können diese beseitigt werden? Zu 5.: a) Nein. Die Dauer der Sicherung von Videomaterial im Rahmen eines Ermittlungs-/ Gerichtsverfahrens wird durch die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht entschie- den. b) Siehe Antwort zu Frage 1. c) Im Jahr 2012 wurden in Berlin insgesamt 2.813 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung; im Jahr 2013 2.628 und im Jahr 2014 2.991 Straftaten zur Anzei- ge gebracht. d) Dies wird statistisch nicht erfasst. e) Polizeidienstkräfte werden bereits im Rahmen ihrer Ausbildung zum Thema Sexualstraftaten beschult. Die Lehr- und Studienpläne sowohl für die Aus- als auch für die Fortbildung beinhalten umfangreiche Aspekte im Hinblick auf den Umgang mit sexualisierter Gewalt und deren Opfern. Der Opferschutz genießt bereits mit Be- kanntwerden der Tat höchsten Stellenwert innerhalb der Polizei, so dass z.B. weibliche Opfer auf entsprechenden Wunsch nur von weiblichen Dienstkräften befragt, zu Untersuchungen begleitet und in Opferschutzräumen betreut werden. f) Das Dezernat 13 (LKA 13) der Abteilung 1 „Delikte am Menschen“ im Landeskriminalamt Berlin ist die zuständige und spezialisierte Fachdienststelle für die zentra- le Bearbeitung von Sexualdelikten. g) Die beweiskräftige Untersuchung und Sicherung von Spurenmaterial bei Opfern sexueller Gewaltstraftaten wird in Berlin grundsätzlich im Rahmen einer Kooperati- onsvereinbarung zwischen der Polizei Berlin und der Charité durchgeführt. Auf diese Weise wird ein einheitli- cher Qualitätsstandard unter Verwendung eines standardi- sierten Ärztlichen Befundberichts angestrebt und weitest- gehend erreicht. Voraussetzung für eine derartige Unter- suchung und Spurensicherung ist eine entsprechende Strafanzeige. Die Gewaltschutzambulanz ist dagegen eine im Feb- ruar 2014 eingerichtete Anlaufstelle an der Charité Berlin, die ein niederschwelliges Angebot für Gewaltopfer dar- stellt, um erlittene Verletzungen rechtsmedizinisch unter- suchen und dokumentieren zu lassen – dies ist auch ohne polizeiliche Anzeige möglich. Gedacht ist das Angebot als Anlaufstelle insbesondere für - Menschen, die Opfer häusliche Gewalt wurden, - Öffentlich-soziale Einrichtungen (z.B. bei Ver- dacht auf Kindesmisshandlung) und - Medizinisches Fachpersonal, nicht jedoch für Opfer von Sexualstraftaten. Berlin, den 25. Juni 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juli 2015)