Drucksache 17 / 16 453 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 16. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juni 2015) und Antwort Nutzung von Social Media durch die Berliner Polizei (II): Versammlungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Grundsätze gelten für die Nutzung von Social Media, insbesondere Twitter, durch die Berliner Polizei im Zusammenhang mit Versammlungen? Zu 1.: Es gelten die Grundsätze der Neutralität und Transparenz sowie des respektvollen, dialogbereiten, offenen Umgangs miteinander. 2. Welche (Kommunikations-)Strategie liegt der Nutzung von Social Media, insbesondere Twitter, durch die Berliner Polizei im Zusammenhang mit Versammlungen zu Grunde? Zu 2.:Die Strategie leitet sich von den zu 1. genannten Grundsätzen und der Gesamt-Social Media-Strategie der Polizei Berlin ab. 3. Welche Entscheidungsebenen sind in den Abstimmungsprozess vor dem Absenden eines Tweets oder Re-Tweets allgemein und welche im Zusammenhang mit Versammlungen involviert? Zu 3.: Auf dem Twitter-Account „@polizeiberlin“ twittern/retweeten/antworten die fünf auf der TwitterProfilseite namentlich einschließlich Foto genannten Personen mit einer generellen Freigabe zum Twittern im Namen der Polizei Berlin unter Nennung ihrer Namenskürzel . Wird der Twitter-Account „@PolizeiBerlin_E“ bei Versammlungen genutzt, dann wird er organisatorisch in die jeweilige Besondere Aufbauorganisation eingebunden . Tweets und Retweets im direkten Zusammenhang mit der Versammlung werden sodann in Abstimmung mit der Einsatzleitung getwittert. 4. Inwiefern werden die Tweets der Berliner Polizei bei Einsätzen im Zusammenhang mit Versammlungen zwischen Einsatzleitung und Social-Media-Team abgestimmt ? Ist das Social-Media-Team direkt vor Ort? Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 3. Ein Teil des Social Media-Teams war bei einigen Versammlungen mit dem Einsatz-leiter direkt vor Ort und hat von dort aus getwittert. 5. Wie wird bestimmt, welche Informationen oder Lagebeurteilungen (in Echtzeit oder aufbereitet) an das Social-Media-Team übermittelt werden, damit diese daraus Tweets generieren? Zu 5.: Dies geschieht anlassbezogen in enger Abstimmung zwischen dem Social Media-Team, dem Pressesprecher und der Einsatzleitung. 6. Wie wird bei Versammlungen und anderen polizeilichen Großlagen zwischen Social-Media-Team und der jeweiligen Einsatzleitung kommuniziert? Zu 6.: Das Social Media-Team kommuniziert mit dem Einsatzleiter bzw. seinem Führungs-stab unmittelbar mündlich, per Telefon, per Funk und über das polizeiliche Intranet. 7. Wie bewertet der Senat, dass die Berliner Polizei durch die Nutzung von Social Media, insbesondere Twitter , gestaltend ins Versammlungsgeschehen eingreift, Abläufe kommentiert, bewertet und aktiv versucht, die Teilnehmer*innen im eigenen Interesse zu lenken (Solidarisierung mit einem Teil der Versammlungsteilnehmer *innen, Aufrufe zur Distanzierung von einem Teil der Versammlungsteilnehmer*innen, Aufrufe zu einem bestimmten Handeln etc.)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 453 2 Zu 7.: Eine „Lenkung“ von Versammlungsteilnehmerinnen und Versammlungsteilnehmern erfolgt in Ausnahmefällen ausschließlich im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Polizei zur Abwehr von Gefahren sowie zur Verhinderung bzw. Beendigung von Gesetzesverstößen. Die Polizei Berlin nutzt Tweets ferner als Kommunikationsmittel zur Ergänzung bereits erfolgter Durchsagen von Lautsprecherwagen der Polizei und der polizeilichen Einsatzmoderatorinnen und Einsatzmoderatoren. Im Sinne einer transparenten Informationsweitergabe wurden außerdem bei einigen Versammlungslagen der Versammlungsleitung bereits zugestellte bzw. bekannte Versammlungsauflagen zusätzlich per Twitter veröffentlicht. Eine Kommentierung oder Bewertung von Versammlungsabläufen via Twitter erfolgt seitens der Polizei Berlin nicht. 8. Inwiefern verträgt sich dies mit dem behördlichen Auftrag, wahrheitsgemäß und neutral zu informieren? Zu 8.: Der Anspruch der Polizei Berlin ist, wahrheitsgemäß und neutral via Twitter zu informieren. Die bislang per Twitter im Zusammenhang mit Versammlungslagen veröffentlichten Informationen lassen auch keinen anderen Schluss zu. 9. Welche Folgen und Effekte hat die Nutzung von Twitter durch die Berliner Polizei allgemein sowie im Zusammenhang mit Versammlungen? Befolgen nach Erkenntnissen der Berliner Polizei die Follower*innen im Zusammenhang mit Versammlungen, Sportveranstaltungen etc. die Twitter-Aufforderungen der Berliner Polizei? Zu 9.: Via Twitter informiert die Polizei Berlin in Veranstaltungs- und Versammlungslagen direkt und in Echtzeit und kann so mit den Besucherinnen und Besuchern bzw. Teilnehmerinnen und Teilnehmern unmittelbar verbunden bleiben. Zudem sorgen die jeweiligen an der Veranstaltungsorganisation Beteiligten der betwitterten Veranstaltungen für eine große Verbreitung der Tweets der Polizei Berlin. Die Lenkung von Besucherströmen bei Großveranstaltungen ist via Twitter im Zusammenspiel mit der Verbreitung durch die o.a. Beteiligten und die Veranstalter möglich. Zum Befolgen von Bitten und Aufforderungen der Polizei Berlin via Twitter auf Versammlungen kann grundsätzlich keine Aussage getroffen werden. 10. Wie häufig und in welchem Zusammenhang hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass der Inhalt eines Tweets der Berliner Polizei nicht wahrheitsgemäß war bzw. die Berliner Polizei den Sachverhalt anders bewerten würde? Gab es in jedem Einzelfall Richtigstellungen des Sachverhalts? Wenn nein, warum nicht? Zu 10.: Objektiv nicht wahrheitsgemäße Tweets der Polizei Berlin sind nicht bekannt. Sollten Tweets im Einzelfall fehlerhaft oder aus einer falschen Lageeinschätzung heraus entstanden sein, so werden diese umgehend berichtigt. Sollten Richtigstellungen erforderlich sein, dann erfolgen diese selbstverständlich auch via Twitter. 11. Warum und nach welchen Kriterien spricht die Berliner Polizei über Twitter ihre Follower*innen in SieForm oder in Du-Form (v.a. Versammlungsteilnehmer *innen, Sportfans etc.) an, und hält der Senat dies für amtsangemessen? Zu 11.: Auf Twitter wird grundsätzlich die Sie-Form verwandt. Die Berufsnachwuchswerbungs-Tweets bilden hier eine Ausnahme; sie werden aufgrund der Zielgruppenfokussierung zum Teil in der Du-Form verfasst. Bei einer Sportveranstaltung im Jahr 2014 wurde einmalig die Du-Form erprobt. Dies wurde zugunsten der Sie-Form jedoch nicht weiter verfolgt. 12. Ersetzt eine Ankündigung der Berliner Polizei auf Twitter eine offizielle Durchsage bei Versammlungen vor Ort und damit die vorgeschriebene Informierung der Versammlungsteilnehmer *innen bzw. Versammlungsleitungen wie im Falle der Fertigung von „Übersichtsaufnahmen “ oder dem Einsatz von Zwangsmitteln? Zu 12.: Nein, sie ist lediglich eine zusätzliche und ergänzende Umsetzung der Benachrichtigungspflicht. 13. Wie bewertet der Senat die möglicherweise einschüchternde Wirkung auf die Teilnahme an einer Versammlung , wenn Demonstrant*innen jederzeit damit rechnen müssen, dass das Social-Media-Team der Berliner Polizei sie fotografiert und personenbezogene Daten ins Internet gestellt werden könnten? Auf welcher Rechtsgrundlage fertigt das Social-Media-Team der Berliner Polizei Fotoaufzeichnungen bei Versammlungen, Veranstaltungen und Ansammlungen an? Zu 13.: Das Social Media-Team fotografiert keine Versammlungsteilnehmerinnen und Versammlungsteilnehmer und stellt keine personenbezogenen Daten ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen in die Sozialen Medien. In einem Fall hat das Social Media-Team ein Foto von der Arbeit ihrer Kolleginnen und Kollegen bei der Begleitung einer Versammlung gepostet. Auf diesem Foto waren im Hintergrund unbeabsichtigt noch Versammlungsteilnehmerinnen bzw. -teilnehmer zu erkennen. Dieser Einzelfall wurde ausgewertet und behoben. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 453 3 14. Worin sieht der Senat unter dem Gesichtspunkt des Ziels „Einwirken auf das Verhalten der Versammlungsteilnehmer *innen“ den rechtlichen und tatsächlichen Unterschied des Twitterns des Social-Media-Teams zum Einsatz bspw. von Verdeckten Ermittler*innen oder Agent Provokateurs? Zu 14.: Das Social Media-Team wirkt – mit Ausnahme der zu Frage 7 beschriebenen Fälle – nicht direkt auf das Verhalten der Versammlungsteilnehmerinnen bzw. - teilnehmern ein. Tweets haben immer einen unterstützenden bzw. begleitenden Charakter. Das Social Media-Team agiert immer offen und nachvollziehbar auf den Social MediaAccounts der Polizei Berlin und nie auf strafprozessualer Grundlage. 15. Versucht die Berliner Polizei, über nicht-offizielle Twitter-Accounts („Fake-Accounts“) Einfluss auf das Versammlungsgeschehen zu nehmen? Wenn ja, wie häufig kam dies bereits vor und mit welchem „Erfolg“? Zu 15.: Nein. 16. Wie hat sich die Nutzung von Social Media, insbesondere Twitter, durch die Berliner Polizei im Zusammenhang mit Versammlungen bewährt und was sind Kriterien der Erfolgsmessung für die Berliner Polizei? Zu 16.: Die unmittelbare Information, das offene und transparente Erläutern von polizeilichen Maßnahmen sowie das Unterstützen von Bekanntmachungen und/oder Auflagen via Twitter im Zusammenhang mit Versammlungen hat sich für die Polizei Berlin im Sinne einer modernen , transparenten und zielgruppenorientierten Öffentlichkeitsarbeit bewährt. Als Indikatoren zur Erfolgsmessung können gelten: - Anzahl und Entwicklung der Followerzahlen - Anzahl der Impressionen (Aufrufe) der Tweets - Anzahl der Retweets (Weiterleitungen) und Antworten - Anzahl der geführten Dialoge - Tonalität und - Feedback. Berlin, den 30. Juni 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juli 2015)