Drucksache 17 / 16 494 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Schillhaneck (GRÜNE) vom 24. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2015) und Antwort Inklusion durch Sport I - Jugend trainiert für Olympia/Paralympics Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat den Beitrag des Landesund Bundeswettbewerbs „Jugend trainiert ...“ für die Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderungen? Zu 1.: Die Bundeswettbewerbe JUGEND TRAINIERT FÜR PARALYMPICS (JTFP) und JUGEND TRAINIERT FÜR OLYMPIA (JTFO) leisten mit ihren Möglichkeiten einen bedeutsamen Beitrag für die Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderungen. Nachdem 2010 und 2011 zwei bundesweite Pilotveranstaltungen von JTFP erfolgreich realisiert worden sind, gibt es seit 2012 drei Bundesfinalveranstaltungen im Jahr in sieben paralympischen Sportarten und drei Förderschwerpunkten . Mittlerweile hat sich JTFP als fester Bestandteil eines vielfach gemeinsam ausgerichteten Wettbewerbs „Jugend trainiert …“ etabliert. Die Bundesfinalveranstaltungen der beiden Wettbewerbe finden zeitgleich und vielfach auch an den gleichen Wettkampfstätten statt. Dadurch haben alle Beteiligten die Möglichkeit, die sportlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung hautnah zu erleben und wahrzunehmen . Über diese bewusste Wahrnehmung und die vielfältigen Möglichkeiten, sich über den sportlichen Wettbewerb hinaus persönlich kennen zu lernen, bietet dieses Veranstaltungsformat sehr gute Bedingungen für die Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderung. Darüber hinaus gibt es bereits auch erste Ansätze von inklusiven Wettbewerben. So wurde ein Staffelwettbewerb im Schwimmen erfolgreich eingeführt, bei dem jeweils zwei Schüler und Schülerinnen mit und ohne Behinderung teilnehmen. 2. Sofern bestimmte Gruppen von Schüler*innen vor vornherein von der Teilnahme an „Jugend trainiert ...“ ausgeschlossen werden: Warum? Zu 2.: Bei JTFP und JTFO stehen die nachfolgend aufgeführten Sportarten im Programm: JTFP JTFO Fußball Goalball Leichtathletik Rollstuhlbasketball Schwimmen Skilanglauf Tischtennis Badminton Basketball BeachVolleyball Fußball Gerätturnen Golf Handball Hockey Judo Leichtathletik Rudern Schwimmen Skilanglauf Skisprung Ski Alpin Tennis Tischtennis Triathlon Volleyball Grundsätzlich stehen die Wettbewerbe für jede Schülerin und jeden Schüler offen, die bzw. der Interesse an und sportliches Vermögen für die Wettkampfteilnahme an einer oder mehreren der o. g. Sportarten besitzt. Es ist jedoch zu beachten, dass bei JTFP und JTFO keine Einzelwettbewerbe sondern Mannschaftswettbewerbe ausgetragen werden. D. h., eine Schule muss zur Teilnahme die notwendige Anzahl an Schülerinnen und/oder Schüler für eine Mannschaft (ggf. inkl. der Reservespielerinnen und Reservespieler) zur Verfügung haben. Das bedeutet im Bereich von JTFP, dass vornehmlich Förderschulen und -zentren an den Wettbewerben teilnehmen . Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen, die an den Regelschulen unterrichtet werden, eine Teilnahme am Wettbewerb kompliziert, da die notwendige Mannschaftsstärke an einer Regelschule zur Teilnahme an JTFP nur sehr selten erreicht werden kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 494 2 Die Ausschreibung von JTFP lässt aber im Gegensatz zur Ausschreibung von JTFO zu, dass auch Mannschaften teilnahmeberechtigt sind, die sich aus mehreren Schulen bilden, wenn sie nach den jeweiligen Landesvorgaben z. B. als Integrationsschulen oder im Rahmen des Inklusionsgedankens arbeiten und die Voraussetzungen für eine Teilnahme erfüllen. Die zielgerichtete Schaffung solcher Startgemeinschaften und die Vernetzung von unterschiedlichen Schulen bei JTFP ist die aktuelle und zukünftige Aufgabe für den Wettbewerb und wird in allen Bundesländern mit Nachdruck verfolgt. Für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Hören gibt es bei JTFP noch kein Angebot, da bisher der Deutsche Gehörlosen Sportverband gegenüber der Deutschen Schulsportstiftung auf einen eigenständigen Wettbewerb besteht und die Aufnahme von Wettbewerben für Schülerinnen und Schülern mit Hörminderung in den Bundeswettbewerb JTFP kritisch gegenüber steht. In Berlin gibt es gegenwärtig kein Wettbewerbsangebot für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler in den paralympischen Sportarten Goalball und Skilanglauf . Gemeinsam mit dem Behindertensportverband Berlin (BSB) unternimmt der Bereich Schulsport der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaften große Anstrengungen, den Wettbewerb Goalball im Schuljahr 2015/16 in Berlin erstmalig zu initiieren. 3. Wie wird sichergestellt, dass möglichst alle Schüler *innen mit Förderbedarf, die eine der bei „Jugend trainiert ...“ vertretenen Sportarten praktizieren, an den Wettbewerben teilnehmen können? Welche Möglichkeiten bestehen insbesondere für Schüler*innen, die nicht eine Schule mit Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung besuchen? Zu 3.: Es kann nicht sichergestellt werden, dass alle Schülerinnen und Schüler mit Behinderung an den Wettbewerben bei JTFP teilnehmen können. Dies wird auch bei Schülerinnen und Schülern ohne Behinderung bei JTFO nicht sichergestellt. In den meisten Sportarten kann in der Regel pro Schule eine Mannschaft in einer (jahrgangsabhängigen) Wettbewerbsklasse gemeldet werden. Ein wesentliches Element des sportlichen Wettbewerbs ist der Leistungsaspekt . Dieser wird bei der Auswahl der Schülerinnen und Schüler für die jeweilige Mannschaft – neben anderen Aspekten – eine wichtige Rolle spielen. Daher können nicht alle eine Sportart praktizierenden Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung weder bei JTFP noch JTFO berücksichtigt werden. Wie bereits unter 2.) erläutert, ist es für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung an den Regelschulen schwierig, an den Wettbewerben von JTFP oder JTFO teilzunehmen. Es sind Einzelfälle bekannt, dass Schülerinnen bzw. Schüler mit Behinderungen in Schulmannschaft für einen JTFO-Wettbewerb eingesetzt worden sind. Es werden große Anstrengungen unternommen, um den Schülerinnen und Schülern über die Schaffung von Schulstartgemeinschaften den Start bei JTFP zu ermöglichen . Die aktuellen Teilnehmerstatistiken für JTFP zeigen bundesweit, aber auch in Berlin einen erfreulichen Trend. So haben 2014 deutschlandweit 1.248 Schulmannschaften mit 12.196 Schülerinnen und Schülern an den JTFPWettbewerben teilgenommen. In Berlin waren es 127 Schulmannschaften mit 1.114 Schülerinnen und Schülern mit Behinderung. Diese Zahlen zeigen, dass der bundesweite Schulwettbewerb JTFP seit 2010 sowohl bundesweit als auch in Berlin erfolgreich etabliert worden ist. Darüber hinaus können Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung individuell an den Wettbewerben Bundesjugendspiele und Sportabzeichen teilnehmen und haben damit die Möglichkeit ihr sportliches Können zu testen und weiter zu entwickeln. Mit diesen Wettbewerben kann allen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung sowie unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen die Teilnahme an einem sportlichen Wettbewerb ermöglicht werden, die sie zu weiteren und regelmäßigen Sporttreiben motivieren soll. 4. Welche Unterstützung gewährt der Senat bzw. das Land Berlin und die Bezirke Schulen und individuellen Schüler*innen mit Behinderungen für die Vorbereitung und Teilnahme an „Jugend trainiert ...“? Zu 4.: Um die Veranstaltungen und damit grundsätzlich die Teilnahme von Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen zu ermöglichen, leistet der Senat bzw. das Land Berlin für die Organisation und Durchführung von JTFP Beiträge in Form von finanzieller Unterstützung in Höhe von 80.000 €, Ermäßigungsstunden und Freistellungen für Lehrkräfte sowie Bereitstellen von Wettkampfstätten und Veranstaltungsorten. Die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen wird durch Fahrdienste, die durch die Schulträger finanziert werden, unterstützt. Damit wird der Transport der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und der behindertenspezifischen Sport- und Wettkampfgeräte abgesichert. Bei der Vorbereitung auf Wettkämpfe haben schulische Arbeitsgemeinschaften einen wesentlichen Anteil. Diese Arbeitsgemeinschaften können von Lehrkräften sowie von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleitet werden, wenn der der Schule zur Verfügung stehende Stundenpool entsprechend verwendet wird. Darüber hinaus können (schulexterne) Übungsleiter mit Hilfe des Kooperationsprogramms ‚Schule-Verein‘ eingesetzt werden, welches durch das Land Berlin finanziell gefördert wird. In einigen Bezirken (z. B. Spandau und Neukölln) gibt es bezirkliche Programmstrukturen, die das Angebot an schulischen Arbeitsgemeinschaften ebenfalls finanzieren. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 494 3 5. Welche (quantitative und qualitative) Ziele strebt der Senat für die Beteiligung von Berliner Schüler*innen mit Behinderungen an den Wettbewerben „Jugend trainiert ...“ an? Mit wem kooperiert der Senat für deren Erreichung? Zu 5.: Der Senat strebt folgende Ziele an:  Steigerung der Teilnehmerzahlen  Stärkere Einbeziehungen von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung an den Regelschulen durch Bildung von Schulstartgemeinschaften  Einführung eines Wettbewerbs in der Sportart Goalball  Ausbau des Fortbildungsangebots für Lehrkräfte in den relevanten JTFP-Sportarten  Erprobung von inklusiven Wettbewerbsformen und Veranstaltungsformaten. Der Senat kooperiert in diesem Zusammenhang mit dem Behinderten-Sportverband Berlin e.V. und seinen Vereinen sowie der Rollstuhlabteilung von ALBA Berlin. Berlin, den 09. Juli 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juli 2015)