Drucksache 17 / 16 502 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta und Katrin Lompscher (LINKE) vom 25. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2015) und Antwort Kleingärten: Schützenswertes Stadtgrün oder Bauerwartungsland für den Wohnungsbau ? (II) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie begründet der Senat, dass 83 Prozent der bestehenden Kleingartenflächen dauerhaft gesichert sein sollen, wenn sich doch ca. 25 Prozent der Berliner Kleingartenlagen nicht im Landeseigentum befinden und damit im Kleingartenentwicklungsplan als nicht gesichert ausgewiesen werden? Antwort zu 1: Von den derzeit bestehenden rd. 3.000 ha Kleingartenfläche sollen 2.490 ha (83 %) dauerhaft erhalten bleiben. Davon sind rund 2.055 ha im Landesund 435 ha im Privateigentum. Von den 435 ha privater Kleingartenfläche sind rund 70 ha bereits in Bebauungsplänen als Dauerkleingärten festgesetzt, rund 365 ha sind im Flächennutzungsplan (FNP) Berlin als Grünfläche - Kleingärten dargestellt und liegen im Außenbereich bzw. im Nichtbaugebiet gemäß Baunutzungsplan. Für diese Kleingärten sind Verfahren zur verbindlichen planungsrechtlichen Sicherung erforderlich bzw. zum Teil bereits in Bearbeitung. Der Senat geht daher davon aus, dass diese 435 ha dauerhaft erhalten bleiben. Das entspricht rund 63 % der in Privatbesitz befindlichen Kleingärten mit einer Fläche von insgesamt 685 ha. Frage 2: Welche Begründung hat der Senat für die Inanspruchnahme von Kleingartenanlagen im Ost-Teil Berlins u. a. für Wohnungsbau, obwohl Anlagen mit vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschlossenen Nutzungsverträgen gemäß Einigungsvertrag als Dauerkleingartenanlagen zu betrachten sind, wenn die Gemeinde bei Wirksamwerden des Beitritts Eigentümerin der Grundstücke war? Antwort zu 2: Bei Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) in den alten Bundesländern sowie Berlin (West) am 1.4.1983 wurde im § 16 Abs. 2 geregelt, dass vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossene Pachtverträge über Kleingärten, wie Dauerkleingärten (sog. fiktive Dauerkleingärten) zu behandeln sind, wenn die Gemeinde Eigentümerin des Grundstückes ist. Gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 ist mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 in den neuen Bundesländern sowie in Berlin (Ost) das Bundesrecht der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten, soweit der Einigungsvertrag und seine Anlagen nichts anderes bestimmen . Mit dem 3. Oktober 1990 findet also auch das Bundeskleingartengesetz in den neuen Ländern Anwendung , mit Maßgaben, die der durch den Einigungsvertrag in das BKleingG eingefügte § 20 a enthält. Der § 20 a Nr. 2 hat die Regelung des § 16 Abs. 2 übernommen. Die gesetzliche Fiktion, vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene Pachtverträge über Kleingärten, die im Eigentum der Gemeinde stehen, wie Dauerkleingärten zu behandeln, hat folgende Wirkungen: a) Die Pachtverträge gelten als auf unbestimmte Zeit geschlossen. b) Die Kündigung von Kleingartenpachtverträgen zwecks Verwirklichung einer anderen Nutzung ist nach den Vorschriften des BKleingG nur möglich, wenn die andere Nutzung im Bebauungsplan festgesetzt ist oder nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, dass sie festgesetzt werden wird und die Fläche alsbald dieser Nutzung zugeführt werden soll oder die Fläche nach abgeschlossener Planfeststellung alsbald benötigt wird. c) Im Falle der Kündigung zum Zweck der Verwirklichung des Bebauungsplanes oder der Planfeststellung ist die Gemeinde gemäß § 14 BKleingG zur Bereitstellung und Beschaffung von Ersatzland verpflichtet, es sei denn, sie ist zur Erfüllung dieser Verpflichtung außerstande. Hierbei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflichtaufgabe der Gemeinde zur Erhaltung des Kleingartenbestandes , nicht jedoch um einen Rechtsanspruch der Pächterin/des Pächters. Unabhängig von der Ersatzlandverpflichtung der Gemeinde steht der Pächterin/dem Pächter eine Entschädigung für die von ihr/ihm einge- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 502 2 brachten oder gegen Entgelt übernommenen Anpflanzungen und Anlagen nach § 11 BKleingG zu. Zur Entschädigung ist derjenige verpflichtet, der die als Kleingärten genutzte Fläche in Anspruch nimmt. Derartige Pachtverhältnisse könnten also bei Vorliegen der unter b) genannten Voraussetzungen gekündigt werden. Frage 3: Für welche der in der Antwort der Schriftlichen Anfrage 17/15259 im Anhang benannten Anlagen gibt es in welchen Bezirken beschlossene Bebauungspläne , die eine Nutzungsänderung zu Lasten von Kleingarten zum Inhalt haben? Antwort zu 3: Die Angaben bitte ich dem Anhang zur Antwort der Schriftlichen Anfrage 17/15259 zu entnehmen . Frage 4: Wie erklärt der Senat die widersprüchlichen Angaben zur Inanspruchnahme von Kleingartenanlagen im StEP Wohnen 2025 zu den Angaben im Kleingartenentwicklungsplan ? Antwort zu 4: Der Senat kann (mit Ausnahme des besonderen Falles der Kleingartenanlage Oeynhausen) keine widersprüchlichen Aussagen des Stadtentwicklungsplan (StEP) Wohnen zu den Angaben im Kleingartenentwicklungsplan erkennen. Frage 5: Mit welcher Begründung wird der BUND als Interessenvertreter des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde im „Forum Wohnen“ anerkannt, obwohl es dazu keine Vereinbarungen zwischen beiden Gremien gibt? Antwort zu 5: Im Forum Wohnen ist der BUND als Interessenvertreter der Grün- und Freiflächenpolitik im weitesten Sinn beteiligt. Für die Vielzahl einzelner Teilaspekte der Grün- und Freiflächen wie z.B. Kleingärten, Forsten, Landwirtschaft, Gewässer, Natur- und Artenschutz , Biodiversität usw. jeweils eigene Interessenvertretungen als Mitglieder ins Forum Wohnen zu berufen, würde den Rahmen und die Arbeitsfähigkeit des Gremiums sprengen. Frage 6: In welchem Verhältnis steht in Berlin die Zahl der Kleingärten zur Anzahl der gartenlosen Geschosswohnungen (Definition GALK)? Welcher zusätzliche Bedarf an Kleingärten nach Bundeskleingartengesetz ergibt sich durch den geplanten Wohnungsneubau und dem damit verbundenen Bevölkerungszuwachs? Antwort zu 6: Im Fachbericht der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) „Kleingärten im Städtebau“ von 2005 wird kein einheitlicher Richtwert mehr vorgegeben, da der Vergleich der einzelnen Städte starke Bedarfsschwankungen ergeben hat. Es wird empfohlen, sich bei der Bedarfsermittlung an den jeweiligen örtlichen Verhältnissen zu orientieren. Berlin richtet sich nach dem 1973 ebenfalls von der GALK empfohlenen theoretischen Versorgungsgrad von 10 – 12 m² pro Einwohnerin und Einwohner . Frage 7: Wie bewertet der Senat die kulturelle Tradition der 39 von 48 im StEP Wohnen 2025 für die Umnutzung benannten Kleingartenanlagen, die älter als 70 Jahre sind, zwei Weltkriege überdauert haben und die nicht im Bereich der Innenstadtverdichtung liegen? Antwort zu 7: Der Senat ist sich der kulturellen Tradition des Kleingartenwesens in Berlin durchaus bewusst. Die Kleingärten sind ein fester grüner Bestandteil der Stadt. Auch die Kleingartenvereine sind mit ihren vielfältigen sozialen, bildungspolitischen und kulturellen Projekten wie Kinder-, Schul-, Lehr- und Seniorengärten nicht mehr aus dem Stadtleben wegzudenken. Ausgehend von dem derzeitigen Bevölkerungszuwachs von 175.000 Einwohnerinnen und Einwohnern seit 2010 und dem in den nächsten Jahren zu erwartenden weiteren Wachstum in ähnlicher Größenordnung kann aber eine Inanspruchnahme von Kleingartenanlagen, die gut durch den öffentlichen Nahverkehr erschlossen und für Wohnungsbau geeignet sind, nicht ausgeschlossen werden. Berlin, den 09. Juli 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2015)