Drucksache 17 / 16 519 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 23. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Juni 2015) und Antwort Weiterleitung von Strafanzeigen „gegen Rechts“ von Berliner Polizeiabschnitten an das Dezernat 53 des LKA 5 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine Weiterleitung von Strafanzeigen aufgrund von ausländerfeindlichen , rassistischen und antisemitischen Äußerungen , Volksverhetzung sowie aufgrund von Aufrufen zu Gewalt im Allgemeinen sowie über das Internet verbreitete Taten (z.B. durch soziale Netzwerke), durch die Polizeiabschnitte in Berlin an das Dezernat 53 des LKA 5 vorgenommen werden? Zu 1.: Im Landeskriminalamt (LKA) Berlin, Abteilung 5 (Polizeilicher Staatsschutz), ist das Dezernat LKA 53 für die kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung von Straftaten mit politisch „rechts“ motiviertem Tathintergrund zuständig. Diese Tathintergründe ergeben sich unter anderem auch bei den in der Anfrage bezeichneten strafbewehrten Ereignissen in Form von ausländerfeindlichen, rassistischen , antisemitischen, volksverhetzenden Äußerungen sowie Aufrufen zu Gewalttaten mit „rechtem“ Themenbezug . Bei anderen Dienststellen der Polizei Berlin eingehende Sachverhalte werden auf das Vorhandensein möglicher politisch „rechts“ motivierter Tathintergründe erstbewertet . Dabei ist es unerheblich, auf welche Art und Weise (beispielsweise über das Internet etc.) die Sachverhalte der Polizei Berlin zur Kenntnis gelangten. LKA 5 steht mit einem 24-stündigen Dauerdienst allen Dienststellen der Polizei Berlin für Fragen der Erstbewertung unterstützend zur Seite. Im Falle erster Hinweise auf eine politisch „rechts“ motivierte Straftat erfolgt die unverzügliche Übermittlung des Sachverhaltes bzw. einer Strafanzeige an die Fachdienststelle LKA 53. 2. In wie vielen Fällen ist dies in den Jahren 2014 und 2015 geschehen? (Aufstellung nach Polizeiabschnitten erbeten.) 3. Wie viele Fälle wurden in diesem Zeitraum durch das Dezernat 53 des LKA 5 weiterverfolgt? Zu 2. und 3.: Grundlage für die Beantwortung der Fragen bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik “ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen . Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren . Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen – ggf. bis zum endgültigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK auch erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 519 2 Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte. Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen , Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbruch, gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte und Sexualdelikte, einschließlich Versuche. Propagandadelikte sind das Verbreiten von Propagandamitteln und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die sonstigen Delikte beinhalten alle weiteren Strafrechtsnormen des Strafgesetzbuches sowie der Strafrechtsnebengesetze . Um das Motiv eines Falles auswertbar darzustellen, werden diesem bundeseinheitlich verbindliche Themenfelder bzw. Unterthemen zugeordnet. So ist z. B. „fremdenfeindlich“ ein Unterthema des Themenfeldes „Hasskriminalität“. Um das Motiv detailliert darzustellen, können einem Fall mehrere Themenfelder bzw. Unterthemen zugeordnet werden. So kann ein Fall bspw. sowohl fremdenfeindlich als auch antisemitisch sein. Aus diesem Grund wird ein Fall bei der Auswertung der Themenfelder bzw. Unterthemen so oft gezählt, wie ihm Themenfelder bzw. Unterthemen zugeordnet wurden. Insofern führt die Summierung der Fallzahlen in den einzelnen Unterthemen grundsätzlich nicht zum tatsächlichen Fallzahlenaufkommen. Der Intention der Frage 1. folgend wurden in den nachfolgend aufgeführten Fallzahlen Gewaltdelikte im Sinne der Definition nicht berücksichtigt. Von den im Jahr 2014 registrierten 42 Fällen, die nicht durch LKA 53 bearbeitet wurden, sind 34 Fälle in anderen Dezernaten des LKA 5 und acht Fälle in Dienststellen der Polizeidirektionen bearbeitet worden. Die sieben Fälle im Jahr 2015 wurden in anderen Dezernaten des LKA 5 bearbeitet. Die Bearbeitung in anderen Dezernaten des LKA 5 ergibt sich aus dem Umstand, dass Straftaten mit der Überschrift „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ anhand besonderer Tathintergründe (z.B. besondere kulturelle Hintergründe) in den dafür originär zuständigen Dezernaten bearbeitet werden, ohne dass dies der Bearbeitungsqualität Abbruch tun würde (z.B. Politisch motivierte Ausländerkriminalität). In Ausnahmefällen gelangen Ermittlungsverfahren - trotz Vorhandenseins rechtsmotivierter Tathintergründe - dem LKA 53 zunächst nicht zur Kenntnis, beispielsweise, weil die originäre Zuständigkeit des LKA 53 erst zum Ende der polizeilichen Ermittlungen erkannt wird. Eine Abgabe an die Fachdienststelle ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sinnvoll. Trotzdem wird gewährleistet , dass Vorgangsinhalte und Ermittlungsergebnisse in jedem Fall dem LKA 53 zur Kenntnis gelangen und auch bei der statistischen Erfassung im Rahmen des KPMDPMK Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang werden alle Dienststellen der Polizei Berlin regelmäßig bzw. anlassbezogen an die geltende Zuständigkeitsregelung erinnert. Dies erfolgte zuletzt am 1. Juli 2015. Polizeiabschnitt 2014 Gesamt 2014 an LKA 53 2015 Gesamt* 2015 an LKA 53* Polizeiabschnitt 11 12 12 2 2 Polizeiabschnitt 12 17 17 4 4 Polizeiabschnitt 13 8 8 8 8 Polizeiabschnitt 14 34 34 14 14 Polizeiabschnitt 15 5 5 9 9 Polizeiabschnitt 16 9 8 1 1 Polizeiabschnitt 21 8 8 2 2 Polizeiabschnitt 22 11 9 2 2 Polizeiabschnitt 23 4 4 2 1 Polizeiabschnitt 24 12 11 3 3 Polizeiabschnitt 25 23 18 3 3 Polizeiabschnitt 26 22 20 4 4 Polizeiabschnitt 31 40 39 6 6 Polizeiabschnitt 32 17 14 6 6 Polizeiabschnitt 33 16 16 9 9 Polizeiabschnitt 34 11 9 8 5 Polizeiabschnitt 35 14 12 6 6 Polizeiabschnitt 36 13 11 7 7 Polizeiabschnitt 41 5 3 3 3 Polizeiabschnitt 42 9 6 4 4 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 519 3 Polizeiabschnitt 43 2 1 2 2 Polizeiabschnitt 44 43 40 14 13 Polizeiabschnitt 45 5 5 1 1 Polizeiabschnitt 46 2 1 0 0 Polizeiabschnitt 47 5 5 6 6 Polizeiabschnitt 51 25 25 5 5 Polizeiabschnitt 52 7 6 2 2 Polizeiabschnitt 53 37 34 5 5 Polizeiabschnitt 54 8 5 3 2 Polizeiabschnitt 55 10 9 5 5 Polizeiabschnitt 56 25 23 5 5 Polizeiabschnitt 61 25 25 7 7 Polizeiabschnitt 62 35 35 36 36 Polizeiabschnitt 63 35 35 12 12 Polizeiabschnitt 64 22 22 7 7 Polizeiabschnitt 65 26 26 8 7 Polizeiabschnitt 66 48 47 9 9 Gesamt: 650 608 230* 223* *Aufgrund von Erfassungsrückständen im KPMD-PMK erheben die Fallzahlen für das Jahr 2015 nur eingeschränkt Anspruch auf Vollständigkeit. 4. In wie vielen Fällen wurde aufgrund o.g. Handlungen Anklage erhoben? Zu 4.: In dem staatsanwaltlichen Aktenverwaltungssystem Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation (MESTA) wird nicht erfasst, ob einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eine von einer örtlichen Polizeidienststelle – polizeiintern – an das Landeskriminalamt Berlin weitergeleitete Strafanzeige zu Grunde liegt. Aufgrund der Schnittstellenvorgaben wird in MESTA als Herkunftsbehörde lediglich „Der Polizeipräsident in Berlin “ mit der polizeilichen Vorgangsnummer eingepflegt, was keine Zuordnung zu der sachbearbeitenden Polizeidienststelle zulässt. 5. In wie vielen Fällen wurden o.g. Äußerungen über das Internet getätigt? Zu 5.: Die Fallzahlen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Jahr Fallaufkommen PMK - rechts mit Internet-Bezug 2013 88 2014 168 2015 20* *Aufgrund von Erfassungsrückständen im KPMD-PMK erheben die Fallzahlen für das Jahr 2015 nur eingeschränkt Anspruch auf Vollständigkeit. 6. In wie vielen Fällen kam es hierbei zu Verurteilungen ? Zu 6.: Aufgrund der in der Antwort zu Frage 4 geschilderten Verfahrensweise, liegen hierzu keine Daten vor. Berlin, den 13. Juli 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juli 2015)