Drucksache 17 / 16 521 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Gregor Költzsch (SPD) vom 23. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Juni 2015) und Antwort Nahversorgung in Berlin - Umgang des Senats mit der vermehrten Schließung von Lebensmittelmärkten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Daten liegen dem Senat darüber vor, wann und wo in Berlin in den vergangenen fünf Jahren Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte (ab 400qm) geschlossen wurden, ohne dass vergleichbare Angebote neu geschaffen wurden (Aufschlüsselung nach Jahr, Bezirk, Ortsteil und Wohngebiet mit betroffener Einwohnerzahl)? Frage 3: Wie hat sich die Unterversorgung in den betroffenen Gebieten in den letzten fünf Jahren entwickelt? Antwort zu 1 und 3: Hierzu liegen dem Senat keine Angaben vor. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat eine gesamtstädtische Erhebung des Einzelhandels (Stand Jan. 2015) durchführen lassen. Jedoch sind Zeitreihenvergleiche auf dieser Datenbasis nicht möglich, da die Vorgängeruntersuchung des Jahres 2010 eine andere Methodik aufweist. In Zukunft werden Zeitreihenvergleiche möglich, da seit 2013 eine einheitliche und gleich bleibende Untersuchungsmethode verwendet werden soll. Frage 2: Welche Berliner Ortsteile und Wohngebiete weisen die größte Unterversorgung im Lebensmitteleinzelhandel auf (Aufschlüsselung nach Bezirk, Ortsteil und Wohngebiet mit betroffener Einwohnerzahl)? Antwort zu 2: Eine quantitative Analyse des Lebensmitteleinzelhandels bietet nur erste Indikatoren zur Bewertung der Versorgungssituation. Um ein vollständiges Bild der Situation in einem Ortsteil zu erhalten, sollten ergänzend auch die Lebensmittelangebote in unmittelbar angrenzenden Ortsteilen betrachtet werden, denn gut erreichbare Lebensmittelmärkte können auch unmittelbar hinter einer Ortsteilgrenze liegen. Die reinen Versorgungszahlen sind aus sich heraus für eine Gesamtbewertung nicht ausreichend. Die nachfolgende Tabelle zeigt die zehn Berliner Bezirksregionen (LOR 1 ) mit der geringsten quantitativen Ausstattung an Lebensmittelverkaufsflächen je Einwohner. 1 Lebensweltlich orientierte Räume Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 521 2 Tabelle: Lebensmittel-Verkaufsfläche je Einwohner in Bezirksregionen (Stand: Januar 2015) Bezirksregion LebensmittelVerkaufsfläche je Einwohner Einwohner 31.12.2014 Bezirk Heerstrasse 0,04 12.547 Charlottenburg-Wilmersdorf Altstadt-Kietz 0,08 7.173 Treptow-Köpenick Friedrichsfelde Nord 0,12 13.728 Lichtenberg Teltower Damm 0,14 33.262 Steglitz-Zehlendorf Hellersdorf-Ost 0,15 19.630 Marzahn-Hellersdorf Grunewald 0,16 18.504 Charlottenburg-Wilmersdorf Prenzlauer Berg Süd 0,16 31.859 Pankow Barstraße 0,16 13.868 Charlottenburg-Wilmersdorf Baumschulenweg 0,17 17.647 Treptow-Köpenick Neu-Hohenschönhausen Süd 0,18 25.784 Lichtenberg Quelle: eigene Auswertung auf Basis: Einzelhandels-Bestandserhebung i.A. von SenStadtUm 2015, Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Frage 4: Welche Daten liegen dem Senat darüber vor, wie viele Genehmigungen zur Erweiterung von Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften (ab 400qm) von den Bezirken oder anderen Genehmigungsbehörden verwehrt worden sind (Aufschlüsselung nach Bezirk, Ortsteil und Wohngebiet)? Antwort zu 4: Hierzu liegt dem Senat keine Statistik vor. Frage 5: Wie bewertet der Senat die Einschätzung, dass die gültige Definition von "großflächigem Einzelhandel " (ab 800 m² nach BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 – 4 C 10/04) aufgrund der Anpassungen an sich ändernde Kundenbedürfnisse (z.B. Optimierung der Wegeführung, größeres Sortiment, bauliche Anpassungen angesichts der demografischen Entwicklung) und der Umsetzung der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Barrierefreiheit , Pfand-Abwicklung und sanitäre Einrichtungen) einer Überarbeitung bedarf und Märkte, die nicht auf 1.000 qm Verkaufsfläche oder mehr vergrößert werden können, in zunehmendem Maße von einer Schließung bedroht sind? Antwort zu 5: Der Senat teilt diese Einschätzungen nicht, denn die gültige Definition der Großflächigkeit im Sinne von § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO ) bietet eine hinreichende Flexibilität zur Genehmigung von Lebensmittelmärkten über 800 qm Verkaufsfläche . Zudem können in Sonder- und Kerngebieten (insbesondere in den städtischen Zentren Berlins) Märkte mit größeren Verkaufsflächen geplant, genehmigt und realisiert werden. Sofern kleinere Märkte geschlossen werden, dürfte dies selten allein auf rechtliche Rahmenbedingungen zurückzuführen sein. Es können z. B. ebenso die vorhandenen Konzentrationsprozesse oder die zunehmende Konkurrenz durch große benachbarte Verbrauchermärkte zu Schließungen einzelner Standorte führen. Neben den Schließungen sind in Berlin übrigens auch eine Vielzahl von Neueröffnungen zu beobachten, beispielsweise im Bereich der Bio-Supermärkte. Frage 6: Wird seitens des Senats die Notwendigkeit für Maßnahmen gesehen, um den Rückzug größerer Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte aus den betroffenen Ortsteilen aufzuhalten? Falls ja, welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung? Antwort zu 6: Der Lebensmitteleinzelhandel reagiert in der Regel sehr dynamisch auf ggf. entstehende Angebotslücken und plant in solchen Fällen in den betroffenen Ortsteilen kurz- bis mittelfristig neue Lebensmittelmärkte. Eine Notwendigkeit wird daher nicht gesehen. Frage 7: Gibt es Überlegungen, den Stadtentwicklungsplan Zentren an die aktuellen Entwicklungen anzupassen ? Antwort zu 7: Angesichts des demografischen Wandels und einer Stadt der kurzen Wege stellt die Sicherung und Weiterentwicklung einer möglichst wohnortnahen Grundversorgung eine wesentliche Säule in den Zielen, Leitlinien und Grundsätzen des StEP Zentren 3 dar. Die Aktualität des Stadtentwicklungsplans(StEP) Zentren Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 521 3 wird regelmäßig geprüft und bewertet. Ein aktuelles Anpassungserfordernis des StEP Zentren 3 hinsichtlich der Nahversorgung bzw. des Lebensmitteleinzelhandels liegt derzeit nicht vor. Frage 8: Existieren darüber hinaus sonstige Pläne seitens des Senats, die Nahversorgungssituation in unterversorgten Ortsteilen zu verbessern? Antwort zu 8: Für die Steuerung der Nahversorgung sind primär die Bezirksämter zuständig. Insbesondere zu diesem Zweck stellen sie bezirkliche Zentren- und Einzelhandelskonzepte auf, die in der Regel vielfältige Analysen und Empfehlungen zur kleinräumigen Nahversorgung enthalten. Zudem steht den Bezirken das Instrument der verbindlichen Bauleitplanung zur Verfügung, um die räumliche und quantitative Nahversorgungsstruktur in den Ortsteilen zu beeinflussen. Seitens des Senats sind neben den gesamtstädtisch wirksamen Instrumenten wie Flächennutzungsplan , StEP Zentren derzeit keine weiteren Pläne zur Gestaltung der Nahversorgungssituation erforderlich . Frage 9: Gibt es Absprachen oder konkrete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Bezirken, um eine flächendeckende Nahversorgung sicherzustellen und den Rückzug von größeren Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften aufzuhalten? Antwort zu 9: Grundsätzliches Ziel der bezirklichen Zentren- und Einzelhandelskonzepte ist es, die Nahversorgung als verbrauchernahe Versorgung für alle Teile der Stadt sicherzustellen. Berlin, den 06. Juli 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juli 2015)