Drucksache 17 / 16 533 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 30. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juli 2015) und Antwort Zum geringen Angebot im Bereich Unterstützte Beschäftigung in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat das geringe Angebot im Bereich Unterstützte Beschäftigung vor dem Hintergrund der Zahlen aus der Drucksache 17/15648? Zu 1.: Die Phase 1 der Unterstützten Beschäftigung – die sogenannte Qualifizierungsphase – wird nach entsprechender Ausschreibung durch die Agenturen für Arbeit an die ausgewählten Bieter vergeben. Das Integrationsamt ist zu diesem Zeitpunkt nicht am Verfahren beteiligt, wird über Ausschreibungen und die anschließenden Vergaben nicht informiert. Daher ist eine weiterführende Bewertung im Rahmen dieser Anfrage nicht möglich. 2. Wie bewertet der Senat die nicht nachvollziehbare und mangelnde Bedarfserhebung im Bereich Unterstützte Beschäftigung vor dem Hintergrund der erklärten Zielstellung des Gesetzes Unterstützte Beschäftigung: „1. Mehr Menschen mit Behinderung sollen die Möglichkeit haben, außerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) zu arbeiten.“ (BAR: Gemeinsame Empfehlung nach § 38a Abs. 6 SGB IX „Unterstützte Beschäftigung“ vom 1. Dezember 2010)? Zu 2.: Eine Bedarfserhebung ist außerhalb der Arbeitsagenturen nicht möglich, denn diese entscheiden über den Personenkreis, den sie dieser Leistung zuordnen. Die Entscheidungen treffen nach hiesiger Kenntnis die Bereiche „Rehabilitation“ der drei Agenturen für Arbeit in Berlin. Für weitere Auskünfte wäre daher das Bundesministerium für Arbeit und Soziales der Ansprechpartner. 3. Wie erfolgreich ist Unterstützte Beschäftigung in Berlin? Wie viele Übergänge haben durch Unterstützte Beschäftigung in den Jahren 2012, 2013 und 2014 in die verschiedenen Arbeitsfelder stattgefunden: a) Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt (sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis) b) Übergang in Ausbildung oder Berufsvorbereitung c) Übergang in die WfbM d) andere zu benennende Arbeits- oder Lebensbereiche (z. B. Rente). Zu 3.: Auskunftsfähig ist das Integrationsamt nur zu den Personen in Fallkonstellationen, die im Rahmen der Phase 2 – der sogenannten Berufsbegleitung – Leistungen bezogen haben. Nicht bekannt sind deshalb Zahlen zu Übergängen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), Maßnahmen der Berufsvorbereitung und andere Arbeits- oder Lebensbereiche (z.B. Rente) oder auch Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt, wenn keine Leistungen zur Berufsbegleitung beantragt wurden. Die Phase 2 der Unterstützten Beschäftigung greift nur bei bestehenden Arbeits- oder Ausbildungsverträgen auf Antrag des Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung . Die Fallzahlen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Allgemeiner Arbeitsmarkt Ausbildung 2012 15 0 2013 12 1 2014 (derzeitiger Bearbeitungsstand) 11 3 Im Hinblick auf die Phase 1 fällt die Frage in den Verantwortungsbereich der Bundesagentur für Arbeit, die hierzu um Stellungnahme gebeten wurde. Informationen zum Verbleib von Personen, die von dem Rehabilitationsträger Bundesagentur für Arbeit in der Maßnahme Unterstützte Beschäftigung gefördert wurden, können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 533 2 Verbleib nach Maßnahmeende (aus COSACH) 1) 2012 2013 2014 Austritte insgesamt 73 71 90 dav. Arbeitslosigkeit 33 20 29 Arbeitsaufnahme 14 14 20 Berufsausbildung - 1 3 erneute Teilnahme / Wechsel 7 17 19 Werkstatt für behinderte Menschen 3 6 4 Arbeits-/Erwerbsunfähigkeit 12 4 10 Verbleib unbekannt - - 2 Keine Angabe 4 9 3 *) Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert. 1) Gibt die Information wieder, welche der Bearbeiter über den Verbleib des Teilnehmers nach Austritt aus der Maßnahme hat und in COSACH erfasst. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Datenstand: Juni 2015 4. Nach Drucksache 17/15648 werden weniger als 20 Leistungsberechtigte durch das Integrationsamt in der Phase II von Unterstützter Beschäftigung gefördert (Stichtag : 31.12.2014). Wie erklärt sich der Senat die geringe Anzahl der bewilligten Berufsbegleitungen? Zu 4.: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales – Integrationsamt – hat in Auslegung der Gemeinsamen Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Unterstützte Beschäftigung und der Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestelle (BIH) im bekannten Umfang den Anträgen auf Leistung nach § 38a Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) entsprochen. In einer Reihe von Fällen entsprachen die individuellen Bedürfnisse nicht den Voraussetzungen der Unterstützten Beschäftigung, z.B. bei einem nur geringen Unterstützungsbedarf ohne Elemente des Jobcoaching. In diesen Fällen wurde auf die inhaltsgleiche Leistung der Integrationsämter im Rahmen der dortigen originären Aufgabe der Berufsbegleitung verwiesen. Die schwerbehinderten Menschen erhielten also eine vergleichbare Leistung, aber nach einer anderen Rechtsgrundlage . Das Verwaltungsgericht Berlin hat 2015 in zwei Urteilen festgestellt, dass der benötigte Stundenumfang der Berufsbegleitung kein wesentlicher Bestandteil der Rechtsnormzuordnung sein kann. Aus diesem Grund ist – in Abhängigkeit eingehender Anträge nach dieser Rechtsnorm – zukünftig mit einer steigenden Zahl der Bewilligungen nach § 38a SGB IX zu rechnen. 5. Wie viele Abbrüche sind in der Maßnahme UB in den Jahren 2012, 2013 und 2014 festzustellen? Welche Gründe führten zu diesen Abbrüchen? Zu 5.: Die Gründe der Nichtfortführung der Berufsbegleitung im Rahmen des § 38a SGB IX werden statistisch nicht erfasst. Mitteilungen im Einzelfall führen ebenso wie ausbleibende Verlängerungsanträge oder ausbleibende monatliche Abrechnungsunterlagen zu einer Beendigung des Leistungsvorgangs. Im Hinblick auf die Qualifizierungsphase fällt die Frage in den Verantwortungsbereich der Bundesagentur für Arbeit, die hierzu um Stellungnahme gebeten wurde. Informationen zu den Abbrüchen und den Gründen hierfür können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 533 3 Abbruchsgrund 2012 2013 2014 Austritte insgesamt 73 71 90 dav. kein vorzeitiger Austritt 20 19 22 vorzeitiger Austritt 53 52 68 dav. wegen Arbeit 13 10 13 Ausbildung * - 3 gesundheitl. Beeinträchtigungen 12 8 17 vertragswidriges Verhalten * - * fehlende Motivation 11 8 5 Über- oder Unterforderung 6 8 8 persönliche Gründe * * 5 andere Gründe 5 5 10 Berufsvorbereitung - 9 - Werkstatt für behinderte Menschen * * * Maßnahmeziel vorzeitig erreicht - * 3 *) Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Datenstand: Juni 2015 6. Was tut der Senat, um Unterstützte Beschäftigung in Berlin zu stärken, gerade auch vor dem Hintergrund der „Abschließenden Bemerkungen“ des CRPD-Ausschusses der Vereinten Nationen, der in Bezug auf Arbeit und Beschäftigung (Artikel 27) besorgt ist über (a) die Segregation auf dem Arbeitsmarkt des Vertragsstaates und über (b) die finanziellen Fehlanreize, die Menschen mit Behinderungen am Eintritt oder Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt hindern sowie über (c) den Umstand, dass segregierte Behindertenwerkstätten weder auf den Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten noch diesen Übergang fördern? Zu 6.: Seitens der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales wurde initiiert, dass im Land Berlin ein Integrationsfachdienst nur für Übergängerinnen und Übergänger von WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe durch das Integrationsamt vorgehalten wird. Hier wird im Rahmen der Begleitung durch Fachkräfte ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis mit dem Ziel der dauerhaften Erhaltung stabilisiert . Den besonderen Erfordernissen wird durch ein deutlich reduziertes Verhältnis von Fallzahl zu Beraterstelle Rechnung getragen. Berlin, den 16. Juli 2015 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juli 2015)