Drucksache 17 / 16 546 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 28. Juni 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2015) und Antwort Polizeiliche Maßnahmen gegen den „Marsch der (Un-) Entschlossenen“ des Zentrums für Politische Schönheit (II) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche polizeiliche Gefahrenprognose und welche Lageeinschätzung hinsichtlich eines möglichen gewalttätigen Verlaufs der Versammlung lag dem Polizeieinsatz im Rahmen des „Marsch der (Un-) Entschlossenen“ des Zentrums für Politische Schönheit am 21. Juni 2015 jeweils am Antreteplatz Unter den Linden als auch zum Zeitpunkt der Zwischenkundgebung in der Paul-LöbeAllee jeweils zu Grunde und welche genauen Referate, Abteilungen und Dezernate waren in die Erstellung dieser Prognose und Einschätzung beteiligt? Zu 1.: Den Fachdienststellen (Landeskriminalamt 5, Versammlungsbehörde und einsatzführende Dienststelle) lagen weder im Vorfeld noch am Einsatztag selbst Erkenntnisse vor, die auf einen möglichen gewalttätigen Verlauf der Versammlung schließen ließen. Lediglich das bewusst unkooperative Verhalten der Vertreterinnen und Vertreter der anmeldenden Institution gegenüber der Polizei Berlin im Hinblick auf den tatsächlichen Verlauf und die Ausgestaltung der Versammlung ließ Fragen über die rechtskonforme Durchführung offen. 2. Aus welchen konkreten Gründen hielt es die Versammlungsbehörde für erforderlich, das Mitführen eines Baggers im Auflagenbescheid zu untersagen und bestand nach Einschätzung der Versammlungsbehörde eine ernstzunehmende Gefahr, dass im Regierungsviertel Erdreich mit Baumaschinen ausgehoben werden könnte? Zu 2.: Nach den Ausführungen auf der Internetseite des „Zentrums für politische Schönheit“ war seitens des Anmelders geplant, den Platz vor dem Bundeskanzleramt als „Mahnmal“ umzugestalten. Dafür sprach auch, dass der den Anmelder vertretende Rechtsbeistand anlässlich des Kooperationsgesprächs mitteilte, dass beim Straßenund Grünflächenamt des Bezirksamts Mitte ein Antrag auf Umgestaltung des Forums vor dem Bundeskanzleramt gestellt worden sei. Nach den der Versammlungsbehörde vorliegenden Anmeldeunterlagen war u. a. beabsichtigt, im Aufzug einen Bagger mitzuführen. Dieser sollte in der mitgeführten Form zunächst nicht mit einem Löffel ausgestattet sein. Im Veranstaltergespräch wurde dann seitens eines Vertreters des Anmelders mitgeteilt, dass der angemietete Bagger zur Verdeutlichung des künstlerischen Ausdrucks nunmehr doch mit einen Löffel bzw. einem anderen Arbeitsgerät am Baggerarm ausgestattet sein soll und in dieser Form, die wesensimmanent sei, im Aufzug mitgeführt werde solle. Bei dem Bagger sollte es sich um einen schwereren Tieflöffelbagger mit Schwenkarm handeln. Vorliegend war aufgrund der unbedingt erforderlichen Bestückung des Baggerarms mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu besorgen, dass der Bagger dazu dienen sollte, unter Inkaufnahme der Erfüllung von Straftatbeständen die geschützte Grün- und Erholungsanlage „Forum vor dem Bundeskanzleramt“ im Sinne der vom Anmelder veröffentlichten „Neugestaltung“ nachhaltig zu beschädigen. 3. Wie bewertet der Senat das gewaltsame Vorgehen der Polizeibeamten mit den Rückenkennzeichnungen 25216, 25217 und 25218 (Video der Situation, ab Minute 9:10 https://www.youtube.com/watch?v=36X9aakSbwQ#t=9m 11s) gegenüber Personen, die gewaltfrei symbolische Kreuze auf der Reichstagswiese aufstellten? 4. Ist der Senat der Ansicht, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die in der vorstehend angegebenen Videosequenz zu sehenden Beamten gewahrt wurde ? Zu 3. und 4.: Der Sachverhalt ist Gegenstand laufender Ermittlungen. Daher kann dazu zurzeit keine Aussage getroffen werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 546 2 5. Aus welchen konkreten Gründen war es erforderlich , den Rasen des Platzes der Republik als Ganzes nach dem Betreten durch die Versammlungsteilnehmer*innen erneut abzusperren und die 4000 polizeilich gezählten Teilnehmer*innen über einen beengten Ausgang vor dem Hintergrund der Gefahr einer Massenpanik unter Anwesenheit von (Klein-) Kindern hinauszuleiten? Zu 5.: Dass der dort neu verlegte Rasen durch etwa 4000 ehemalige Versammlungsteilnehmende in Anwesenheit von Kindern nicht nur unrechtmäßig durch Niederreißen des dort aufgestellten Zaunes betreten, sondern auch absichtlich beschädigt wurde, legitimierte in keiner Weise nachträglich eine Anwesenheit der Personen. Die auf dem Rasen des Reichtages befindlichen Personen wurden durch begleitende Lautsprecherdurchsagen der Polizei Berlin sowie durch die unmittelbar vor Ort befindlichen Polizeidienstkräfte ruhig und sachlich angesprochen und zum Verlassen des Platzes aufgefordert. Durch die Polizeidienstkräfte wurden zusätzlich Zaunelemente entfernt, um ein sicheres Verlassen des Platzes gewährleisten zu können. Eine Gefährdung der Personen bestand zu keinem Zeitpunkt. 6. Sind dem Senat Umstände und Fakten bekannt, die den Eindruck von Versammlungsteilnehmer*innen bestätigen , dass durch eine mangelnde Verfügbarkeit von Polizeidienstkräften am Tag des unter 1. genannten Einsatzes unerfahrene Kräfte zur Absicherung des Aufzuges eingesetzt wurden, deren Auftreten und Handeln die friedliche Ausgangslage negativ beeinflusste? Zu 6.: Nein. 7. Planen Ordnungs- und Justizbehörden gegenüber Versammlungsanmelder und -leiter und anderen organisatorisch Beteiligten (wie z.B. Ordner*innen) im Hinblick auf das Betreten der Grünfläche des Platzes der Republik durch Versammlungsteilnehmer*innen ein rechtliches Vorgehen oder gehen sie bereits rechtlich vor? Wenn ja, wie konkret? Zu 7.: Das Bezirksamt Mitte teilt hierzu mit: Eventuelle Schadensersatzpflichten im Zusammenhang mit der Aktion am 21.06.2105 werden vom Bezirksamt anhand der polizeilichen Ermittlungsergebnisse derzeit noch geprüft. Bisher sind noch keine rechtlichen Schritte gegen die Verantwortlichen eingeleitet worden. 8. Wurde im Rahmen des unter 1. genannten Einsatzes Pfefferspray eingesetzt? Wenn ja, aus welchen konkreten Anlässen jeweils, durch welche Polizeibeamt*innen welcher genauen Untergliederungseinheit, zu welchen Uhrzeiten , auf welcher Rechtsgrundlage und warum war dies in jedem Einzelfall erforderlich? Zu 8.: Ja. Eine gewalttätige Personengruppe versuchte eine festgenommene Person zu befreien und ging dabei massiv mit Tritten und Schlägen gegen die Polizeidienstkräfte vor. Zum Schutz der festgenommenen Person aber auch zur Abwehr der Angriffe auf die Einsatzkräfte, wurde Pfefferspray eingesetzt. Eine Erfassung im Sinne der Fragestellung nach Einsatzanlass etc. erfolgt hierzu nicht. 9.Wie bewertet der Senat den Umstand, dass die Rückenkennzeichnungen auf Einsatzanzügen der Einsatzkräfte bei sogenannten Durchdringungstaktikten nicht erkennbar sind, da die Beamt*innen mit dem Rücken zueinanderstehen, um sich gegenseitig abzusichern? Zu 9.: Die Polizeidienstkräfte tragen eine auch durch umstehende Personen von weitem gut sichtbare individuelle Kennzeichnung. Dass die Kennzeichnung nicht jederzeit und unter allen Umständen erkennbar ist, ist von der Einsatzsituation abhängig. In diesem Zusammenhang war der Schutz der Polizeidienstkräfte jedoch vorrangig gegenüber einer durchgehenden Identifizierbarkeit. 10. Hält der Senat vor dem Hintergrund des unter 10. genannten Umstandes zusätzlich zur Rückenkennzeichnung eine gut sichtbare individuelle Kennzeichnung auch auf der Vorderseite der Schutzhelme der Polizeidienstkräfte für sinnvoll? a) Wenn nein, aus welchen konkreten Gründen nicht? b) Kann der Senat ausschließen, dass Polizeibeamt *innen ohne Kennzeichnung bei dem unter 1. genannten Geschehen eingesetzt waren und wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen wurde eine durchgängige Kennzeichnung bei allen Dienstkräften überprüft? Zu 10.: Nein. Zu 10a.: Eine zusätzliche Kennzeichnung von Einsatzhelmen ist nicht notwendig. Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Identifizierung einzelner Polizeidienstkräfte haben, könnten diese zum Beispiel - so die Kennzeichnung dem taktischen Vorgehen geschuldet nicht durchgängig identifizierbar ist - ansprechen und sie bitten, ihre individuelle Kennzeichnung mitzuteilen, wenn die Einsatzsituation dies zulässt. Zu 10b: Das jeweilige Führungspersonal überprüft im Einsatzverlauf fortlaufend die vorschriftsmäßige Anbringung der Kennungen. In zwei Fällen wurde Dienstkräften im Einsatzverlauf die Rückenkennung durch unbekannt gebliebene Täter entwendet. Entsprechende Strafermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 546 3 11. Hat der Senat Kenntnis von Fällen, bei denen Polizeibeamt *innen bei dem unter 1. genannten Einsatz ihre Rückenkennzeichnung absichtlich vorübergehend oder dauerhaft abgenommen oder ausgetauscht haben und wenn ja, warum jeweils? Zu 11.: Nein. 12. Aus welchem Grund hat sich mindestens bei einem Polizeibeamten der 13. Einsatzhundertschaft in der Scheidemannstraße die Rückenkennzeichnung vom Einsatzanzug gelöst oder war nicht vorschriftsgerecht befestigt ? (Video der Situation ab Minute 13:52 https://www.youtube.com/watch?v=Fprxi 2DTkA#t=13m52s) Zu 12.: In der Dynamik der Einsatzlage hat sich die Rückenkennung einer Polizeidienstkraft der 13. Einsatzhundertschaft offensichtlich gelöst und sich an der für Funktions- bzw. Dienstgradabzeichen vorgesehenen Flauschfläche am rechten Ärmel des Einsatzanzuges eines anderen Mitarbeiters der 13. Einsatzhundertschaft angeheftet . Die Rückenkennung wurde nach Feststellung durch die Polizeidienstkräfte unverzüglich wieder angebracht . 13. Haben Berliner Sicherheitsbehörden anlässlich der von den ZPS-Aktivist*innen angekündigten Überführungen verstorbener Geflüchteter Anweisungen, Empfehlungen oder Informationen über das "Zentrum für politische Schönheit" oder über dessen Aktionen an die Bundespolizei oder an bayerische Sicherheitsbehörden übermittelt? Wenn ja, welche konkreten Anweisungen, Empfehlungen oder Informationen wurden zu welchem genauen Datum durch welche konkreten Behörden an wen übermittelt? 14. Lässt sich die Kontrolle eines italienischen Transporters auf der Autobahn A9 bei Schweitenkirchen am 12. Juni 2015 auf eine solche Informationsübermittlung zurückführen (siehe Artikel auf sueddeutsche.de http://www.sueddeutsche.de/politik/zentrum-fuerpolitische -schoenheit-die-toten-kommen-die-ministerbleiben -fern-1.2523194)? Zu 13. und 14.: Dem Senat sind keine Fälle bekannt, in denen Informationen hierzu an die Bundespolizei oder an Bayerische Sicherheitsbehörden übermittelt wurden. 15. Ordnet der Senat das „Zentrum für politische Schönheit“ einem Phänomenbereich der „Politisch Motivierten Kriminalität“ (PMK) zu? Wenn ja, welchem, seit wann genau und mit welcher genauen Begründung? Zu 15.: Nein. 16. Sind von Angehörigen der Gruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ oder dem für das ZPS organisatorisch auftretenden Personenumfeld im Zusammenhang mit ihren Kampagnen oder Aktionen bestimmte personengebundene Hinweise (PHW) in den polizeilichen Datenbanken angelegt worden? Wenn ja, welche PHW genau von wie vielen Personen anlässlich welcher Kampagnen und Aktionen jeweils? Zu 16.: Nein. Berlin, den 17. Juli 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Juli 2015)