Drucksache 17 / 16 578 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 07. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juli 2015) und Antwort Entlassungen aus dem Strafvollzug: Endstrafe als Regel? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen wurden im ersten Halbjahr 2015 aus dem Berliner Strafvollzug entlassen? 2. Wie viele Personen wurden nach Halbstrafenverbüßung entlassen? 3. Wie viele Personen wurden nach Verbüßung von 2/3 der Haftzeit entlassen? Zu 1 bis 3: Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2015 wurden insgesamt 2.159 Personen aus dem Strafvollzug entlassen. Davon wurden 162 Personen nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe entlassen (§ 57 Absatz 1 Strafgesetzbuch - StGB -). Entlassungen nach § 57 Absatz 2 StGB (Halbstrafenverbüßung) gab es in diesem Zeitraum nicht. 4. Belegt Berlin beim Anteil der vorzeitigen Entlassungen weiterhin einen der letzten Plätze im Bundesvergleich (bitte die letzten verfügbaren Zahlen für alle Bundesländer mitteilen)? Zu 4.: Die letzten verfügbaren Zahlen für alle Bundesländer liegen für 2014 vor. Diese Daten werden ermittelt, indem auf der Grundlage der Anzahl aller vorzeitigen Entlassungen (§§ 57, 57 a StGB; §§ 88, 89 Jugendgerichtsgesetz - JGG -) in den Monaten März, August und November 2014 ein Durchschnittswert gebildet wird. Dieser wird dann ins Verhältnis zu den Durchschnittswerten der übrigen Länder gesetzt . Danach ergibt sich folgendes Bild: (Quelle: Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätze des geschlossenen und offenen Vollzuges, jeweils zu den Stichtagen 31. März, 31. August und 30. November eines Jahres ) Berlin liegt im Ländervergleich nach dieser Erhebung auf dem letzten Platz. 5. Welche Bemühungen wurden unternommen, um den Anteil der vorzeitigen Entlassungen zu erhöhen und damit dem gesetzlichen Regelfall des § 57 Abs. 1 StGB näher zu kommen? Zu 5.: Eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB setzt neben der Verbüßung von zwei Drittel der Strafe und der Einwilligung der/des Betroffenen auch voraus, dass dies unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Diese Entscheidung wird in jedem Einzelfall durch das Gericht getroffen, mithin gibt es keinen Regelfall der vorzeitigen Entlassung. Deutschland insgesamt 16,58% Baden-Württemberg 19,74% Bayern 23,39% Berlin 7,72% Brandenburg 18,05% Bremen 15,84% Hamburg 18,38% Hessen 13,65% Mecklenburg-Vorpommern 17,88% Niedersachsen 18,49% Nordrhein-Westfalen 13,98% Rheinland-Pfalz 14,53% Saarland 23,46% Sachsen 12,47% Sachsen-Anhalt 12,29% Schleswig-Holstein 22,94% Thüringen 19,46% Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 578 2 Die Frage, warum die Zahl der vorzeitigen Entlassungen in Berlin derart auffällig gering ist, wurde in den zurückliegenden Jahren immer wieder von Expertinnen und Experten diskutiert und analysiert. In diesen Fachdiskussionen – unter anderem mit Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern, Richterinnen und Richtern, Beiräten, Mitarbeitenden der Anstalten und der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz – sind eine Vielzahl von Thesen für diese richterliche Spruchpraxis entwickelt worden. Eine Fragestellung betraf die Thematik der Antragstellung bzw. Zustimmung der Gefangenen. In diesem Zusammenhang ist von 2009 bis 2013 eine statistische Erhebung zu dieser Frage durchgeführt worden. Dabei hat sich – was in den Diskussionen stets vermutet worden war – gezeigt, dass nur ca. die Hälfte der Gefangenen überhaupt einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen bzw. zustimmen. Auch wenn zu dieser Thematik keine Erkenntnisse aus anderen Ländern vorliegen, ist dieser Wert durchaus von Interesse. Eine weitere Erhebung, die in dem Zeitraum durchgeführt worden ist, hat die Erfolgsquote der gestellten Anträge erfasst. Danach endeten in der Zeit von 2009 bis 2013 zwischen 21 % und 15 % der gerichtlichen Verfahren mit einer vorzeitigen Entlassung. Da letztlich die Frage der vorzeitigen Entlassung eine richterliche Entscheidung ist, entzieht sie sich der Steuerung und Einflussnahme. Allerdings ist es die Aufgabe des Berliner Justizvollzuges, die Gefangenen zu befähigen ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten zu führen. Dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen , Konzepte zu entwickeln, umzusetzen und weiterzuentwickeln , gezielte Behandlungsmaßnahmen einzusetzen , gute Beschäftigungs-, Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen vorzuhalten, Sport- und Freizeitmaßnahmen anzubieten, durch Lockerungen und den offenen Vollzug auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten und sich mit den vielen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren außerhalb des Justizvollzuges systematisch zu vernetzen, ist eine ständige Aufgabe des Berliner Justizvollzuges, die dieser engagiert wahrnimmt. Berlin, den 21. Juli 2015 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juli 2015)