Drucksache 17 / 16 584 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (GRÜNE) vom 07. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juli 2015) und Antwort Postkolonialismus in Berliner Museen II: Rückgaben Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und bat daher die Stiftung Preußischer Kulturbesitz um eine Stellungnahme , die in die Beantwortung eingeflossen ist. 1. Die internationalen Richtlinien und Erklärungen fordern die Museen der Welt dazu auf, mit den Herkunftsgesellschaften dieser „sensitive materials“ in einen Dialog zu treten und dabei die Rückgabe heiliger Objekte /Ritualgegenstände und menschlicher Gebeine anzubieten , die „diesen Völkern ohne ihre freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilte vorherige Zustimmung oder unter Verstoß gegen ihre Gesetze, Traditionen und Bräuche entzogen“ wurden. (Art. 11/2 der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, 2004). Gab und gibt es heilige Objekte/Ritualgegenstände und menschliche Gebeine außereuropäischer Gesellschaften im Besitz der SPK-SMB, auf die diese Beschreibung zutrifft und welchen Herkunftsgesellschaften wurden bislang Rückgaben von sensiblen Objekten angeboten? (bitte vollständig auflisten) Zu 1.: In den Sammlungen des Ethnologischen Museums werden die bewahrten Objekte nicht als „heilige Objekte/Ritualgegenstände“ oder „sensitive materials“ kategorisiert. Bei Anfragen zum Verbleib derartiger Kulturgüter wird deshalb nicht nach diesen Kategorien unterschieden . Sowohl die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker aus dem Jahr 2007 (Artikel 11.2) als auch Artikel 4.4 der „Ethischen Richtlinien für Museen“ (Code of Ethics) des International Council of Museums (ICOM) empfehlen, Mechanismen vorzusehen, die den Dialog mit den Herkunftsgesellschaften über die Rückgabe fördern und die Rückgabe von Objekten einhalten können. Diese Dialogbereitschaft hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mehrfach betont. Sie kommt auch in den im März 2015 beschlossenen „Grundpositionen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum Umgang mit menschlichen Überresten in den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin“ (siehe Anlage) zum Ausdruck . Die vom Museum für Vor- und Frühgeschichte (MVF) übernommene anthropologische „Luschan- Sammlung“ der Charité wird wissenschaftlich aufgearbeitet . Solange keine Ergebnisse der Provenienzforschung, insbesondere zu den Herkunftsgesellschaften vorliegen, können auch keine Rückgaben durchgeführt werden. Es liegen bisher auch keine Rückgabeforderungen zu dieser Sammlung vor. 2. Welche Kulturobjekte, die während der kolonialen Fremdherrschaft des Deutschen Reiches oder anderer europäischer Mächte nach Berlin verbrachten wurden, sind aufgrund der bislang erfolgten Recherchen den Herkunftsgesellschaften bzw. -staaten zur Rückgabe angeboten und welche sind tatsächlich zurückgegeben worden? Für welche Kulturobjekte dieser Kategorie sind Rückgabeforderungen der Herkunftsgesellschaften bzw. - staaten erhoben und von der SPK-SMB abgelehnt worden (bitte einzeln auflisten)? 3. Gemäß dem ICOM Code of Ethics soll proaktiv auf außereuropäische Herkunftsländer und -gesellschaften zugegangen werden, wenn sich Hinweise auf einen kolonialen Unrechtskontext beim Erwerb von Objekten ergeben haben. Inwiefern sieht sich das Land Berlin hier in der Mitverantwortung, die Inkenntnissetzung der jeweiligen Herkunftsländer und -gesellschaften und ggf. eine Rückgabe von Objekten zu unterstützen und wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt in diesem Gebiet ab? Gibt es Pläne bezüglich einer Rückführung von sensiblen bzw. unrechtmäßig erworbenen Objekten, auch auf eigene Initiative der SPK/SMB? Wenn ja, um welche Objekte handelt es sich und wie ist der Prozess ausgestaltet? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 584 2 4. Wie viele und welche Rückgaben wurden durchgeführt seit 2010 durchgeführt (bitte nach Jahren und Objekte aufschlüsseln, unter Angabe ob Rückgabeforderung der Herkunftslandes/Herkunftsgesellschaft oder Rückgabe auf Eigeninitiative beruhte)? Wurde darüber hinaus auch Initiative ergriffen und die Rückgabe von Objekten angeboten , wenn ja welche? Zu 2.- 4.: Teil der laufenden Provenienzforschungsprojekte in allen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin ist auch die Erfassung von Sammlungsbeständen aus kolonialen Kontexten. Entscheidend sind dabei der Kontakt mit den Herkunftsgesellschaften und die gemeinsame Arbeit an diesen Zeugnissen der Geschichte. Der Senat hat bereits in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 17/12 360 darauf hingewiesen, dass nicht alle Sammlungsbestände , die in der Kolonialzeit erworben wurden, zweifelhaft oder unrechtmäßig in die Bestände der Staatlichen Museen zu Berlin gelangt sind. Da die Aufarbeitung der betreffenden Sammlungsbereiche für die Präsentation im Humboldtforum noch nicht abgeschlossen sind, können konkrete Objekte, die einen kolonialen Unrechtskontext aufweisen, derzeit noch nicht angeführt werden. Sobald hierzu gesicherte Erkenntnisse vorliegen, wird die Stiftung Preußischer Kulturbesitz diese – wie bisher - transparent und öffentlich zugänglich machen. Soweit sich Provenienzen nicht vollständig aufklären lassen oder die Provenienzforschung ergibt, dass die Erwerbung im Unrechtskontext erfolgt ist, wird – auch im Dialog mit den Herkunftsgesellschaften, der künftige Umgang mit diesen Objekten erarbeitet werden. Im Übrigen wird auf die „Grundpositionen der Stiftung Preußische Kulturbesitz zum Umgang mit ihren außereuropäischen Sammlungen und zur Erforschung der Provenienzen“ Beständen vom Juni 2015 verwiesen. Ich erinnere in diesem Kontext auch an die Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 17/13 215. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist eine Einrichtung des Bundes. Die Bundesregierung hat deshalb u.a. am 05.01.2015 zur Rückgabe von Objekten aus ehemaligen deutschen Kolonien Stellung genommen (Drs. 18/3711 des Deutschen Bundestages). Berlin, den 22. Juli 2015 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Björn Böhning Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juli 2015) S17-16584 Anlage zur S1716584