Drucksache 17 / 16 621 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 08. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juli 2015) und Antwort Gender Trouble im Berliner Strafvollzug? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Transsexuelle/Transgender sind derzeit in Berliner Strafvollzug inhaftiert? Zu 1.: In den Berliner Justizvollzugsanstalten sind aktuell drei transgeschlechtliche Personen (ohne oder vor einer Geschlechtsangleichung oder anderer Änderungen des geschlechtsbezogenen Personenstandes entsprechend des Transsexuellengesetzes) zuzuordnen. 2. Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob eine inhaftierte Person im Männer- oder Frauenvollzug untergebracht wird? Wie wird mit Wünschen Transsexueller /Transgender umgegangen, die in den gegengeschlechtlichen Vollzug verlegt werden wollen? Zu 2.: Die Zuordnung in den Männer- bzw. Frauenvollzug richtet sich nach dem Personenstand. Transgeschlechtliche Personen werden nach Vorliegen einer gerichtlichen Feststellung zur Geschlechtszugehörigkeit nach § 8 Transsexuellengesetz (TSG) im entsprechenden Vollzug untergebracht. Liegt eine solche Entscheidung noch nicht vor, verbleibt die transgeschlechtliche Person in der Vollzugsart des ursprünglichen Geschlechts. 3. Gibt es ein Konzept, wie der Schutz von Transsexuellen /Transgender unter den Bedingungen von Haft gewährleistet wird? Wie werden insbesondere transsexuelle Frauen (mit und ohne entsprechende Namensänderung) vor sexueller Nötigung und Gewalt geschützt? Zu 3.: In den Berliner Justizvollzugsanstalten wurden aufgrund der geringen Zahl und der individuellen Problemlagen keine gesonderten Konzepte für den Schutz von transgeschlechtlichen Personen entwickelt. Alle im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen werden getroffen. Der besonderen Lage der transgeschlechtlichen Personen, die gerade im Männervollzug von Diffamierungen und Übergriffen geprägt sein kann, wird bei Notwendigkeit durch allgemeine Sicherungsmaßnahmen und besonderen Betreuungsmaßnahmen begegnet. 4. Welche medizinischen und therapeutischen Behandlungen können Transsexuelle/Transgender während der Haft unter welchen Bedingungen in Anspruch nehmen? Welche Bedeutung hat dabei die Verlegung in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs? Zu 4.: Nachdem eine/ein Antragstellerin/Antragsteller das Verfahren zu § 1 TSG in Verbindung mit § 4 TSG abgeschlossen hat, können weitere medizinische Leistungen erbracht werden. Die Kosten trägt der Justizvollzug. Da grundsätzlich keine operativen Leistungen im Justizvollzugskrankenhaus durchgeführt werden, kommt eine Verlegung in ein öffentliches Krankenhaus zur Erbringung notwendiger Leistungen in Betracht. Sofern im Einzelfall eine therapeutische Maßnahme indiziert ist, die nicht in einer medizinischen Maßnahme oder einer Psychotherapie besteht, kann aus den Mitteln der Anstalt ein freier Träger eingebunden werden. 5. Inwiefern wird Transsexuellen/Transgender der Erwerb gegengeschlechtlicher Körperpflegemittel und das Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung ermöglicht? Zu 5.: Das über die Justizvollzugsanstalt vermittelte Angebot an Körperpflegemitteln umfasst zahlreiche Produkte , die überwiegend geschlechtsneutral sind und eine ausreichende Versorgung - auch von transgeschlechtlichen Gefangenen - sicherstellen. Frauenspezifische Produkte werden im Männervollzug nicht angeboten, jedoch kann über die Vermittlung solcher Produkte im Einzelfall entschieden werden. Beispielsweise können Kosmetikartikel im Einzelfall zugelassen werden. Bezüglich der Kleidung gilt der Grundsatz, dass Gefangene Anstaltskleidung zu tragen haben. Durch die Hausordnung ist ihnen das Tragen privater Kleidung erlaubt, soweit die Kleidung aufgrund ihrer Gestaltung keine unerwünschte Polarisierung unter Gefangenen fördert oder sonst eine empfindliche Störung des Gemeinschaftslebens hervorru- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 621 2 fen könnte. Dies ist jeweils am Einzelfall orientiert zu entscheiden und hat in der Vergangenheit auch bei transgeschlechtlichen Personen zu angemessenen und einvernehmlichen Lösungen geführt. 6. Welche Maßnahmen wurden in den vergangenen 5 Jahren ergriffen, um die Mitarbeitenden des Justizvollzugs für das Thema Transsexualität zu sensibilisieren? Zu 6.: Durch die Bildungsstätte des Berliner Justizvollzuges wird eine Fortbildungsreihe zum Thema „Diversity“ in Zusammenarbeit mit der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung angeboten, an der insbesondere Führungskräfte des Berliner Justizvollzuges obligatorisch teilnehmen. Der Berliner Verein „Mann-o-Meter“, die Berliner Aids-Hilfe und andere freie Träger bieten neben der Insassenbetreuung in den Berliner Justizvollzugsanstalten auch die Beratung und Information von Vollzugsbediensteten zu zielgruppenspezifischen Fragestellungen an. Somit werden unmittelbar mit transgeschlechtlichen Personen befasste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesondert geschult und sensibilisiert . Berlin, den 31. Juli 2015 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Aug. 2015)