Drucksache 17 / 16 673 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 14. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2015) und Antwort Beschwerdemanagement für Geflüchtete in Berlin und Kontrolle des Wachschutz Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gibt es im Hinblick auf die Umstrukturierung des LAGeSo einen neuen Sachstand bezüglich des Beschwerdemanagements für die Flüchtlingsunterbringung (vgl. Rote Nr. 1383 D)? 2. An welche zentrale Beschwerdestelle beim LAGeSo können sich Bewohner*innen von Flüchtlingsunterkünften oder Flüchtlingsinitiativen nach der Umstrukturierung des LAGeSo wenden? (Bitte konkrete Kontaktmöglichkeiten und Zeiten der Erreichbarkeit angeben.) 3. Gibt es mittlerweile eine Ombudsstelle für Beschwerden von Heimbewohner*innen? a) Wenn ja, wo ist diese Stelle angesiedelt? b) Wenn nein, warum nicht? c) Wenn nein, bis wann plant der Senat die Einrichtung einer Ombudsstelle? 5. Gibt es mittlerweile innerhalb der Unterkünfte ein flächendeckendes Beschwerdemanagement? a) Wenn ja, wie ist das Beschwerdemanagement organisiert und was geschieht mit diesen Beschwerden? b) Wenn nein, bis wann plant der Senat die Einführung einrichtungsinterner Beschwerdestellen? Zu 1. bis 3 und 5: Bewohnerinnen und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften können sich mit Beschwerden , welche sich auf den Betrieb der Einrichtung beziehen, an die vor Ort tätigen Sozialbetreuerinnen und – betreuer sowie die Heimleitung wenden. Nach den Qualitätsanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte (zu deren Einhaltung die Betreiberinnen und Betreiber vertraglich verpflichtet sind) ist vor der Inbetriebnahme ein Einrichtungskonzept vorzulegen, welches u. a. auch den Umgang mit Beschwerden regeln muss. Sollten die Betroffenen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen wollen, stehen auch in der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Verfügung, um sich der Beschwerden anzunehmen. Diese nehmen auch den Heimbetrieb betreffende Anregungen entgegen. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) hat hierfür eine gesonderte Rufnummer als auch ein dafür vorgesehenes E-Mail-Postfach eingerichtet und diese auf der Internetpräsenz der BUL unter der Internetadresse http://www.berlin.de/lageso/soziales/asylaussiedler /berliner-unterbringungsleitstelle/ veröffentlicht. Somit können sich Bewohnerinnen und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften jederzeit unter Schutz ihrer persönlichen Daten an eine von den Bediensteten der Einrichtung und deren Träger unabhängige Kontrollinstanz wenden, um Missstände zu melden und eine Überprüfung sowie – im Falle von berechtigten Beschwerden – zügige Abhilfe geltend zu machen. Vielfach wird auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich mit einem einrichtungsbezogenen Anliegen an den Sozialdienst bzw. die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAA) oder der Zentralen Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) im LAGeSo zu wenden. Im Zuge der stetigen Fortentwicklung des Qualitätsmanagements und im Lichte ggf. neuer Erkenntnisse wird der Senat prüfen, ob zukünftig zusätzliche Instrumente zum Umgang mit Beschwerden in die Verwaltungspraxis übernommen werden. 4. Wann, durch wen und in welchen Sprachen und wie werden die Betroffenen darüber informiert, an welche zentralen Beschwerdestellen sie sich wenden können? (Bitte, wenn vorhanden entsprechende (mehrsprachige) Informationen anhängen.) Zu 4.: Diesbezügliche Informationen werden von den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern sowie vom Sozialdienst des LAGeSo vermittelt, in dem auch Sprachmittlerinnen und Sprachmittler für die häufigsten Landessprachen tätig sind. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 673 2 6. Welche konkreten Vorgaben seitens des LAGeSo gibt es für Heimbetreiber*innen zum Umgang mit Hinweisen und Beschwerden von Bewohner*innen und Beratungsstellen hinsichtlich sexueller Belästigung und tätlichen Übergriffen gegenüber Heimbewohner*innen (durch andere Heimbewohner*innen, durch Mitarbeiter*innen des Wachschutzes, durch Wohnheimpersonal)? (Bitte im Original Wortlaut beifügen.) a) Wie viele Beschwerden/Vorfälle/Strafanzeigen über sexuelle Belästigungen in Unterkünften durch Wohnheimpersonal /Wachschutz sind dem LAGeSo bekannt? (Bitte für 2013, 2014, 2015 und Unterkunft aufschlüsseln .) Zu 6.: Im Musterbetreibervertrag ist folgende Regelung unter § 8 Abs. 1 vorgesehen: „Der/die Betreiber/in informiert Berlin unaufgefordert über besondere Vorfälle in der Gemeinschaftsunterkunft, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass über derartige Vorfälle in den Medien berichtet werden kann und wenn andere Behörden (z. B. Feuerwehr, Polizei, bezirkliche Ämter) bereits aktiv wurden . Dazu zählt auch die Unter-richtung über Krankheiten , die nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig sind.“ Eine statistische Erfassung für den erfragten Zeitraum liegt nicht vor. Anlassbezogene Begehungen bzw. Prüfungen werden vorgenommen. 7. Wie viele Beschwerden von Heimbewohner*innen, Initiativen und Beratungsstellen sowie anderen Personen und Institutionen wurden dem LAGeSo hinsichtlich Organisation des Heimbetriebes, der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in den Heimen und über die bauliche Ausstattung der Heime insgesamt aufgenommen? (Bitte für 2013, 2014, 2015, Unterkunft und Art der Beschwerde aufschlüsseln.) Zu 7.: Diese Vorgänge werden statistisch nicht erfasst. 8. Welche konkreten Maßnahmen hat das LAGeSo im Fall von Beschwerden von Heimbewohner*innen, Initiativen und Beratungsstellen sowie anderen Personen und Institutionen ergriffen? (Bitte für 2013, 2014, 2015, Unterkunft und Maßnahme aufschlüsseln.) Zu 8.: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BUL bemühen sich, jeder vorgebrachten Beschwerde schnellstmöglich nachzugehen, den zu Grunde liegenden Sachverhalt aufzuklären und bei einer berechtigten Beschwerde bei der betroffenen Heimleitung auf Abhilfe hinzuwirken. Eine statistische Erfassung derartiger Vorgänge erfolgt nicht. 9. Wie funktioniert das Beschwerdemanagement im LAGeSo? (Beschwerden über Mitarbeiter*innen der ZLA/ZAA und über den Wachschutz vor dem LAGeSo) Zu 9.: Die Erfassung und Bearbeitung sämtlicher schriftlicher Beschwerden (auch Eingänge mit elektronischer Post (E-Mail) oder Telefax), die sich gegen die Arbeitsweise oder gegen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter richten, der Dienstaufsichtsbeschwerden und der Petitionen erfolgt zentral im Referat Z des LAGeSo in der Arbeitsgruppe Qualitäts- und Beschwerdemanagement (Z QM). Beschwerden über den Wachschutz wird ebenfalls bei Z QM gemeinsam mit dem Zentralen Dienst (ZS D) und in Zusammenarbeit mit dem von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) beauftragten Unternehmen , welches den Wachschutz organisiert, nachgegangen. Bei dem Sicherheitspersonal vor dem LAGeSo handelt es sich nicht um Beschäftigte des Landes Berlin. 10. Welche Konsequenzen hat der Senat aus den im Herbst 2014 bekannt gewordenen Misshandlungsvorfällen durch Wachschutzkräfte in Flüchtlingsunterkünften in NRW gezogen? Durch welche konkreten Maßnahmen kann vermieden werden, dass auch in Berlin Wachpersonal in Wohnheimen seine Machtposition missbraucht? Welche Vorsorgemaßnahmen wurden und werden getroffen ? 12. Welche konkreten Maßnahmen ergreift der Senat, um zukünftig sicherzustellen, dass es nicht erneut zu Anstellungen von vorbestraften Sexualstraftäter*innen kommt? (vgl. Neues Deutschland, „Pädophiler bewachte Flüchtlingskinder in Berlin“, vom 3. Juli 2015) Zu 10. und 12: In Berlin sind vergleichbare Vorfälle wie die laut Medienberichten in Nordrhein-Westfalen aufgetretenen Fälle nicht bekannt geworden. Gleichwohl hat die für Soziales zuständige Senatsverwaltung zeitnah nach dem Bekanntwerden dieser Vorfälle in Abstimmung mit dem LAGeSo veranlasst, dass die Qualitätsanforderungen für vertragsgebundene Gemeinschaftsunterkünfte um eine Regelung ergänzt werden , wonach mit Wachschutzaufgaben nur Unternehmen beauftragt werden dürfen, die bzw. deren Beschäftigte über eine Sachkundeprüfung gem. § 34a Gewerbeordnung (GewO) verfügen. Diese Voraussetzung gilt auch für Nach- oder Subunternehmen, die im Auftrag des Wachschutzunternehmens in der Einrichtung tätig werden. Im Wortlaut heißt es dazu in den Qualitätsanforderungen (Stand 01.06.2015): „Mit Wachschutzaufgaben dürfen nur Unternehmen beauftragt werden, die über eine Erlaubnis nach § 34a Gewerbeordnung (GewO) verfügen. Als Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis nach §34a GewO ist für die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 Bewachungsverordnung (BewachV) genannten Personen ein Unterrichtungsnachweis der Industrie- und Handelskammer (§ 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GewO in Verbindung mit §§ 2 bis 4 BewachV) oder ein anderer der in § 5 BewachV abschließend aufgeführten Nachweise erforderlich .“ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 673 3 11. In Antwort 11 der Schriftlichen Anfrage Drucksache 17/16261 heißt es, dass die Mitteilung zu einer verurteilten Straftäterin bzw. einem verurteilten Straftäter durch die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz das LAGeSo veranlasst hat, umgehend die Betreiberin bzw. den Betreiber aufzufordern, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter des Wachschutzes von seinen Aufgaben freizustellen. Eine weitere Freistellung von den Aufgaben des Wachschutzes erfolgte durch eine Mitteilung des Landeskriminalamtes (LKA). In einem dritten Fall - Mitteilung Senatsverwaltung für Inneres und Sport - Abteilung II Verfassungsschutz - ergaben sich keine Nicht-Beschäftigungen von Sicherheitskräften. a) Welche Einrichtungen waren von diesen Mitteilungen betroffen? b)Was meint der Senat damit, dass es in einem Fall zu keiner Nicht-Beschäftigungen von Sicherheitskräften gekommen ist? c) Aufgrund welcher Erkenntnisse ist es zu keiner Nicht-Beschäftigung gekommen? Zu 11. a): Es handelte sich um die Einrichtungen an den Standorten Rognitzstraße, Otto-Rosenberg-Straße und Maxie-Wander-Straße. Zu 11. b) und c): Das LAGeSo war vom Verfassungsschutz über einen – nach dortiger Einschätzung glaubhaften - Eintrag im sozialen Netzwerk „Facebook“ informiert worden, der sich auf eine Neuköllner Flüchtlingsunterkunft beziehe. Demnach sei rechtsextremen Gruppierungen Zugang zum Wohnheim (mit anschließender Führung ) verschafft worden. Diesen Zugang soll laut des Facebook-Eintrags ein Mitarbeiter des Wachschutzes gewährt haben. Das LAGeSo hat diese Mitteilung zum Anlass genommen , die betroffene Betreiberin unverzüglich aufzufordern , zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner umgehend Kontakt zur tätigen Wachschutzfirma aufzunehmen und weiterhin umgehend eine Zuverlässigkeitsüberprüfung zu verlangen. Der Betreiberin wurde auferlegt , diese Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Wachschutzfirma beim Gewerbeaufsichtsamt beim Sitz der Wachschutzfirma beantragen zu lassen. Ferner wurde aufgegeben, den Hinweis auf den Verfassungsschutz gegenüber der Wachschutzfirma zu unterlassen. Im Zuge der folgenden Ermittlungen konnte jedoch der vorgenannte Verdacht gegen die Wachschutzbediensteten nicht erhärtet werden. Auf diesen Sachverhalt bezog sich die in der Fragestellung zitierte Antwort auf Frage 11 der Schriftlichen Anfrage Drucksache 17/16261. 13. Welche Vorsorgemaßnahmen werden in Wohnheimen getroffen um die Gefahr von sexuellen Übergriffen zu reduzieren? (in welchen Wohnheimen gibt es separate Frauenetagen, abschließbare Einzelduschkabinen, abschließbare Sanitärbereiche, Sozialarbeiter*innen rund um die Uhr und andere Schutzmaßnahmen damit Wachschutz nicht alleine im Wohnheim ist?) Zu 13.: Grundsätzlich obliegt es der eigenverantwortlichen Betriebsführung durch die Betreiberinnen und Betreiber, den Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor derartigen Übergriffen zu gewährleisten. Um der Schutzbedürftigkeit und den Bedürfnissen von bestimmten vulnerablen Gruppen - wie allein reisenden und/oder traumatisierten Frauen - bei der Unterbringung gerecht zu werden und sie vor möglichen Übergriffen und Anfeindungen durch andere Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen, sind im Rahmen des Gestaltungskonzepts /Raumprogramms für den Bau von Gemeinschaftsunterkünften in modularer Bauweise besondere Maßnahmen vorgesehen. Berlin, den 30. Juli 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Aug. 2015)