Drucksache 17 / 16 683 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 16. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2015) und Antwort Schafft der Senat die Voraussetzungen für schnellere Gerichtsentscheidungen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was unternimmt der Senat, um für möglichst kurze Verfahrenslaufzeiten an den Berliner Gerichten zu sorgen ? Zu 1.: Die Verkürzung der Verfahrenslaufzeiten in den Berliner Gerichten ist ein zentrales politisches Anliegen des Senats. Die Gewährleistung zügiger Entscheidungen ist ein wesentlicher Standortfaktor für die Wirtschaft, den sozialen Zusammenhalt Berlins und die innere Sicherheit . Bei allen Maßnahmen des Senats ist stets zu berücksichtigen, dass die Bearbeitung des Einzelfalls in richterlicher bzw. sachlicher Unabhängigkeit erfolgt und Abstriche an der Qualität gerichtlicher Entscheidungen nicht in Betracht kommen. Der Senat hat die Schwachstellen analysiert und insbesondere mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 2016/2017 die erforderlichen Gegenmaßnahmen beschlossen . Die wichtigsten Maßnahmen des Senats zur Verkürzung der Verfahrenslaufzeiten bei den Gerichten sind: - Der Senat hat im Entwurf des Haushaltsgesetzes für 2016 bei den Gerichten insgesamt 81 zusätzliche Stellen eingestellt, für 2017 weitere 65 Stellen. Hinzu kommen 16 Stellen für übergreifende Querschnittsaufgaben (Zentrale IT, Ausbildungsoffensive, Gesundheitsmanagement , Wissenstransfer), die bei der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz angesiedelt sind und mittelbar zu einer Verkürzung der Verfahrenslaufzeiten beitragen werden. Im Rahmen des justizinternen Belastungsausgleichs werden zudem regelmäßig Stellen entsprechend der Belastung der einzelnen Gerichte verlagert. - Darüber hinaus investiert der Senat durch das Sondervermögen Infrastruktur Wachsende Stadt 16 Mio. € in die weitere Digitalisierung der Justiz und umfassende Realisierung des elektronischen Rechtsverkehrs. Da sich die Effizienzpotentiale der digitalen Kommunikation nur bei einer medienbruchfreien Verarbeitung erschließen lassen, plant der Senat auch die flächendeckende Einführung der elektronischen Akte bei den Gerichten. - Der Senat hat zur Ermöglichung der Einrichtung von Kammern für Bau- und Architektensachen sowie zur weiteren Spezialisierung der Spruchkörper beim Landgericht Berlin eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht . - Zur Verbesserung der Zusammenarbeit stehen die Gerichte mit einer Vielzahl anderer Einrichtungen in ständigem Austausch. Hervorzuheben sind die regelmäßigen berufsübergreifenden Gesprächskreise des Landgerichts Berlin mit Sachverständigen in den Gebieten Arzthaftungsrecht und Baurecht, der Familiengerichte mit den Jugendämtern und der Amtsgerichte mit den Betreuungsbehörden . - Die Einführung des Neuköllner Modells beim Amtsgericht Tiergarten hat neben anderen Maßnahmen dazu geführt, dass Berlin im Bundesvergleich bei den amtsgerichtlichen Strafsachen bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer sehr gut abschneidet. - Selbstverständlich stellt der Senat für alle Beschäftigten der Berliner Justiz ein umfangreiches Fortbildungsprogramm zur Verfügung. 2. Ist die Belastung der Amtsgerichte durch die demographische Entwicklung bei der Ausstattung der Gerichte insbesondere für Betreuungsverfahren berücksichtigt und wenn ja, durch welche Maßnahmen? Zu 2.: Die Zahl der gerichtlichen Betreuungsverfahren wird neben der demographischen Entwicklung vor allem von der Akzeptanz der Vorsorgevollmachten beeinflusst. Der Senat unterstützt das Institut der Vorsorgevollmacht als sinnvolles Instrument einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 683 2 Der demographische Wandel hat bislang noch nicht zu einer signifikanten Zunahme der Zahl der am Jahresende eröffneten Betreuungsverfahren geführt, vielmehr schwankt diese Zahl in den letzten Jahren deutlich. Zahl der eingerichteten Betreuungen Stand jeweils 31.12.: 2005: 61.028 2010: 58.245 2011: 56.316 2012: 56.371 2013: 56.391 2014: 56.861 Soweit die Zahl der eröffneten Betreuungsverfahren signifikant ansteigt, ist zunächst die Möglichkeit eines justizinternen Belastungsausgleichs zu prüfen. 3. Welche Maßnahmen hat der Senat hinsichtlich der in der Vergangenheit stark angestiegenen Eingangszahlen so genannter Hartz IV-Klagen am Sozialgericht ergriffen und wie sieht die Bilanz insgesamt aus? Zu 3.: Die Zahl der Planstellen am Sozialgericht Berlin ist in den letzten Jahren kontinuierlich von 62 auf 140,14 Richterplanstellen im Haushaltsplan 2014/2015 erhöht worden. Der Entwurf des Haushaltsgesetzes 2016/2017 sieht sogar 9 weitere Richterstellen vor. Seit 2005 wurden zudem 82 neue Stellen für Servicekräfte, Wachtmeisterinnen und Wachtmeister sowie Kostenbeamtinnen und Kostenbeamte beim Sozialgericht Berlin geschaffen. Zudem unternimmt der Senat bereits seit geraumer Zeit intensive Anstrengungen, um die Belastung der Sozialgerichtsbarkeit deutlich zu verringern. Auf Initiative Berlins setzte die Justizministerkonferenz im Herbst 2008 eine Länderarbeitsgruppe ein, die Maßnahmen zur Verminderung der Belastung und zur Effizienzsteigerung der Sozialgerichte erarbeiten sollte. Die Arbeitsgruppe legte im Oktober 2009 ein Empfehlungspapier mit Änderungsvorschlägen zum Sozialrecht - insbesondere Sozialgesetzbuch (SGB) II - und zum Sozialprozessrecht vor. Diese wurde mit der Bitte um Umsetzung an die Bundesregierung weitergeleitet. Die Arbeitsgruppe legte ein weiteres Empfehlungspapier im Frühjahr 2012 vor. Auch dieses wurde mit der Bitte um Umsetzung an die Bundesregierung weitergeleitet. Die vorstehend skizzierten Bemühungen waren aber nur teilweise erfolgreich, da die Bundesregierung eine Reihe ihr unterbreiteter Änderungsvorschläge – etwa zum Sozialgerichtsgesetz – nicht aufgegriffen hat. Parallel dazu hat der Senat versucht auf der Umsetzungsebene die Zahl der Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin zu reduzieren. Unter Federführung der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hat im zweiten Halbjahr 2012 das „Gemeinsame Projekt zur Reduzierung der Rechtsstreitigkeiten im Bereich des SGB II“, an der die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, das Sozialgericht Berlin, die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit und mehrere Berliner Jobcenter beteiligt waren, begonnen. In diesem Projekt wurde eine Vielzahl von Vorschlägen und Maßnahmen zur Verbesserung des Verwaltungsverfahrens und zur Effektivierung des Widerspruchsverfahrens bei den Jobcentern erarbeitet. Auch wurden die Schnittstellen zwischen Jobcentern und Sozialgerichtsbarkeit geprüft, um zu einer möglichst effizienten Fall- und Klagebearbeitung beizutragen und den fachlichen Wissenstransfer auch zukünftig sicherzustellen. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt schrittweise im Jahr 2013. Das Projekt wurde am 31. Dezember 2014 beendet. Insgesamt sind die Eingangszahlen bei den Hartz-IVVerfahren seit 2010 rückläufig. Gingen im Jahr 2010 insgesamt 30.369 Hartz-IV-Verfahren ein, waren es 2014 noch 23.587. Die Lenkungsgruppe des Gemeinsamen Projekts zur Reduzierung der Rechtsstreitigkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende stellte am 4. Dezember 2014 fest, dass vor allem eine Reduzierung der Untätigkeitsklagen erreicht worden ist. Die Zahl der Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz hingegen verbleibt auf hohem Niveau. Eine große Herausforderung stellt weiterhin die Zahl der unerledigten Verfahren dar – der sogenannte Aktenberg -. Ende 2014 waren am Sozialgericht Berlin 41.834 Verfahren aus allen Rechtsgebieten noch nicht abgeschlossen. Der Abbau der Bestände soll mit den im Entwurf des Haushaltsgesetzes 2016/2017 vorgesehenen weiteren 9 Richterstellen vorangetrieben werden. 4. Welche Vorkehrungen werden für die Verwaltungsgerichtsbarkeit getroffen, um für die mutmaßlich weiter steigenden Zahlen an Verfahren mit asylrechtlichem Schwerpunkt gewappnet zu sein? Zu 4.: Das Präsidium des Verwaltungsgerichts Berlin hat bereits zum Geschäftsjahr 2015 3 weitere Kammern mit Asylsachen betraut, damit ist nahezu ein Drittel der Kammern des Verwaltungsgerichts Berlin mit Asylsachen befasst. Zudem hat der Senat in dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 2016/2017 in Hinblick auf die Asylverfahren insgesamt 6 weitere Stellen für das Verwaltungsgericht Berlin vorgesehen. 5. Ist sich der Senat bewusst, dass angemessene Verfahrenslaufzeiten beziehungsweise angemessene Bearbeitungszeiten in Grundbuchangelegenheiten und Handelsregistervorgängen eine hohe Bedeutung für die Belange der Bürgerinnen und Bürger der Stadt sowie für den Wirtschaftsstandort Berlin haben und wie trägt der Senat dem ggf. Rechnung? Zu 5.: Der Senat ist sich der Bedeutung der Verfahrenslaufzeiten des Handelsregisters und der Grundbuchämter für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins bewusst . Im Entwurf des Haushaltsgesetzes 2016/2017 hat der Senat daher für das Amtsgericht Charlottenburg 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 683 3 weitere Richterstellen im Hinblick auf das Handelsregister vorgesehen. Zudem werden beim internen Personalausgleich die für Grundbuchsachen zuständigen Amtsgerichte gegenüber anderen Amtsgerichten besser ausgestattet . Zur Entlastung der Grundbuchämter wurden Hinweise für häufige Praxiskonstellationen in die Dienstleistungsdatenbank eingestellt. Berlin, den 30. Juli 2015 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Aug. 2015)