Drucksache 17 / 16 696 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE) vom 22. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juli 2015) und Antwort Unterbringung von Flüchtlingen in Hostels (III): Verpflegung und Versorgung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Erhalten Asylsuchende, die in Hostels ohne Vollverpflegung , ohne Möglichkeit der Aufbewahrung von Lebensmitteln in einem Kühlschrank und/oder ohne Waschmaschine und Wäschetrockner untergebracht sind, für die Dauer des Hostelunterbringung den vollen Barleistungssatz nach § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)? wenn nein, warum nicht? 2. Wird ggf. ein Abzug für Haushaltsenergie aus dem Regelbedarf vorgenommen, obwohl die Energie für die genannten Bedarfe (Kochen, Kühlen, Wäschewaschen) seitens des Hostelbetreibers nicht zur Verfügung steht? Wenn ja, warum? 3. Erhalten Personen, die in Hostels untergebracht sind, in denen Kochmöglichkeiten /Möglichkeiten zur Selbstverpflegung fehlen, zusätzlich zum vollen Barleistungssatz Mehrbedarfszuschläge für die Verpflegung im Imbiss/Restaurant? Wenn nein, warum nicht? 4. Erhalten Personen, die in Hostels untergebracht sind, in denen Kühlmöglichkeiten für Lebensmittel fehlen , zusätzlich zum vollen Barleistungssatz Mehrbedarfszuschläge für den erhöhten Verderb von kühlbedürftigen Lebensmitteln? Wenn nein, warum nicht? 5. Erhalten Personen, die in Hostels untergebracht sind, in denen gebührenfreie Waschmaschinen und/oder Wäschetrockner fehlen, zusätzlich zum vollen Barleistungssatz Mehrbedarfszuschläge für die Fahrt zum und die Nutzung von Waschsalons? Wenn nein, warum nicht? 6. In welcher Höhe werden ggf. Mehrbedarfszuschläge nach den Regelbedarfsstufen 1 bis 6 für die oben genannten Bedarfe angesetzt und ausgezahlt? 7. In welcher Form und Höhe (bitte nach Alter und Geschlecht differenzieren) wird der nicht im laufenden Regelbedarf abgedeckte Erstausstattungsbedarf an Kleidung nach § 3 Abs. 1 AsylblG bei neu ankommenden Asylsuchenden gedeckt? 8. Welche weiteren Leistungen (Geldleistungen nach AsylbLG, Krankenscheine, BerlinPass usw.) erhalten Asylsuchende bei der ersten Vorsprache bei der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZLA) /Zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA), die in „Hostels nach Wahl“ bzw. realen Hostels untergebracht sind? 9. Trifft es zu, dass neu eintreffende Asylsuchende, die wegen Überlastung der ZAA noch keine förmliche Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) erhalten haben, derzeit bei der ZAA gegenüber den im Gesetz genannten Bedarfssätzen für die ersten vier bis fünf Wochen um etwa 50% gekürzte Grundleistungsbeträge nach § 3 Abs. 2 AsylbLG erhalten? Wenn ja, warum? 10. Wie wird die Höhe der bei einer ersten Vorsprache bei der ZAA/ZLA ausgezahlten Geldleistungen nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG bei einer Unterbringung neu ankommender Asylsuchender in einem „Hostel nach Wahl“ bzw. realen Hostels ohne bzw. mit Verpflegung jeweils genau berechnet. Auf welcher gesetzlichen Grundlage und zur Deckung welcher Bedarfe erfolgt ggf. eine Kürzung unter die im Gesetz genannten Beträge? Bitte jeweils Betrag pro Monat und pro Tag für die einzelnen Bedarfsabteilungen nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) angeben. Welche Bedarfe werden ggf. aus den im Gesetz genannten Grundleistungsbeträgen gekürzt und warum? 11. Wenn das LAGeSo aufgrund der überlastungsbedingten rechtswidrigen Nichtannahme des Asylgesuchs noch keinen Anspruchstatbestand nach § 1 AsylbLG sieht, weshalb werden stattdessen keine ungekürzten Regelleistungen auf Grundlage des Dritten Kapitels SGB XII gezahlt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 696 2 12. Wie sind die genannten Kürzungen des AsylbLG bzw. SGB XII – Regelbedarfssätze mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum AsylbLG vom 18. Juli 2012 vereinbar, nach dem das menschenwürdige Existenzminimum in jedem und zu jeder Zeit zur Verfügung gestellt werden muss und die Menschenwürde aus migrationspolitischen Gründen nicht relativiert werden darf (vgl. RN 120, 121 des BVerfG-Urteils)? 13. Welche medizinischen Leistungen aus welcher Rechtsgrundlage erhalten neu eintreffende Asylsuchende, die wegen Überlastung des ZAA noch keine förmliche BüMA erhalten haben? Zu 1. bis 13.: Asylsuchende haben vom Tag der Erstvorsprache an Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Hierzu gehört die Unterbringung, die nach § 47 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in einem Zeitraum von längstens bis zu drei Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen zu erfolgen hat. Innerhalb der Erstaufnahme besteht neben der Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung Anspruch auf Sachleistungen für Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege sowie Ge- und Verbrauchsgüter des Haushaltes. Darüber hinaus besteht Anspruch auf die medizinische Versorgung. Sonstige Leistungen können gewährt werden , soweit diese unabweisbar geboten sind. Berlin hat allein im ersten Halbjahr dieses Jahres 11.500 Asylbegehrende aufgenommen. Dies entspricht nahezu der Anzahl aller aufgenommen Personen des Vorjahres . Im Juli 2015 sind insgesamt 4.106 Personen aufgenommen worden, was eine erneute, unerwartet hohe Steigerung darstellt. Im entsprechenden Vorjahresmonat sind insgesamt 1.047 Personen aufgenommen worden. Dieser besonders hohe Zugang von Asylsuchenden lässt sich trotz der erheblichen Personalverstärkung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) nicht mehr im Rahmen des regulären Dienstbetriebes bewältigen . Vorrangig stellt sich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LAGeSo daher die Aufgabe, eine Mindestversorgung der neu eintreffenden Flüchtlinge sicherzustellen . Mit der Erstvorsprache der oder des Asylbegehrenden wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG besteht, auch wenn aus organisatorischen Gründen noch keine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) ausgestellt werden konnte. Soweit es aus den eingangs genannten Gründen objektiv nicht möglich ist, neu eintreffende Asylbegehrende sofort in den geregelten Leistungsbezug aufzunehmen, erhalten sie aktuell für die Zeit bis zum ersten regulären Vorsprachetermin in der Leistungsstelle einen Betrag in Höhe von 6,00 Euro pro Person und Tag unabhängig vom Alter der Person. Im Rahmen des ersten regulären Vorsprachetermins werden die vom Tag der Erstmeldung an zustehenden gesetzlichen Leistungen dann individuell ermittelt und - unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen - ausgezahlt. Dieses vereinfachte Verfahren wurde gewählt, um allen Asylbegehrenden eine Soforthilfe zu ermöglichen, auch dann, wenn aus Kapazitätsgründen eine Leistungsbearbeitung noch nicht zeitnah bei Meldung möglich ist. Der gesetzliche Leistungsanspruch, wie er von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt worden ist, wird durch diese Verfahrensweise nicht in Frage gestellt, da die Höhe der im AsylbLG vorgesehenen Leistungen nicht dauerhaft vermindert wird. Eine rechtswidrige Kürzung des Leistungsanspruchs erfolgt also nicht. Die Asylsuchenden erhalten dann den Bargeldbedarf nach § 3 Abs. 1 AsylbLG, der der Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens dient und auch Anteile für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel enthält sowie für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen. Darüber hinaus wird, soweit keine Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden können, der notwendige Bedarf nach § 3 Abs. 2 AsylbLG ausgezahlt, der auch den Anteil für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke umfasst. Hierbei werden lediglich Beträge für Bedarfe, die auf andere Weise gedeckt werden, abgezogen. So wird insbesondere der Anteil für Bekleidung und Schuhe nicht gezahlt , da die Asylbegehrenden die Erstausstattung an Bekleidung pauschaliert erhalten. Die Höhe der Pauschale richtet sich nach dem Rundschreiben I Nr. 06/2011 über Umsetzung des § 27b Abs. 2 und des § 31 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des SGB XII (Fundstelle: http://www.berlin.de/sen/soziales/berlinersozialrecht /land/rdschr/2011_06.html). Ein Abzug für Haushaltsenergie aus dem Regelbedarf findet nicht statt. Das Asylbewerberleistungsgesetz umfasst grundsätzlich keine Mehrbedarfszuschläge. Für besonders schutzbedürftige Leistungsberechtigte sieht das Rundschreiben Soz Nr. 02/2015 über Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG im Lichte der EU-Richtlinie 2013/33/EU des Rates - Mindestnormen für die Aufnahme - (Fundstelle: http://www.berlin.de/sen/soziales/berlinersozialrecht /land/rdschr/2015_02.html) unter anderem Mehrbedarfszuschläge vor. Diese orientieren sich in Art und Umfang an § 30 SGB XII. Zur medizinischen Versorgung nach §§ 4 und 6 AsylbLG erhalten Asylsuchende grundsätzlich sofort bei der Erstmeldung Behandlungsscheine. Berlinpässe werden beim folgenden der ersten regulären Vorsprachetermine ausgehändigt. Es wird nicht verkannt, dass die Unterbringung in Hostels für viele Asylbegehrende eine zusätzliche Belastung darstellt. Auf diese Unterbringungsform wird daher nur zurückgegriffen, wenn keine Plätze in Erstaufnahme-, Gemeinschafts- oder Notunterkünften verfügbar sind, was aktuell aufgrund der bereits dargestellten Zugangszahlen jedoch vermehrt der Fall ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 696 3 Es wird daher permanent mit Hochdruck an der Akquise neuer Unterkünfte gearbeitet. Darüber hinaus wird insbesondere die Höhe der erwähnten Abschlagzahlungen einer Prüfung unterzogen werden. Berlin, den 07. August 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Aug. 2015)