Drucksache 17 / 16 701 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Stettner (CDU) vom 22. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juli 2015) und Antwort Wie gefährlich ist der Chemieunterricht an Berliner Schulen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Unfälle im Chemieunterricht sind dem Senat in den letzten 10 Jahren bekannt (bitte Auflistung nach Bezirken)? Zu 1.: Unfälle im naturwissenschaftlichen Unterricht werden weder von der Unfallkasse Berlin noch von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft statistisch erfasst. Im Jahr 2013 wurden von der Unfallkasse 63.812 Versicherungsfälle der Schüler-Unfallversicherung (DGVU) registriert, darunter war kein Versicherungsfall mit Bezug zum Chemieunterricht aus dem Bereich der Berliner Schulen. Chemieunfälle an Berliner Schulen sind außerordentlich selten, deshalb werden diese laut Unfallkasse Berlin in der für Versicherungsfälle geführten 3%-Statistik nicht erfasst und auch nicht gesondert ausgewertet. 2. Wie regelmäßig werden Chemielehrer zum fachgerechten Umgang und zur Lagerung von Chemikalien geschult und gibt es Weiterbildungsrichtlinien? Zu 2.: Neben der regionalen Fortbildung bietet die Unfallkasse Berlin regelmäßig Seminare zur Sicherheit im naturwissenschaftlichen Unterricht an. Weiterbildungen zur Befähigung der Unterrichtserteilung werden im Jahr 2015 im Fach Naturwissenschaften der Grundstufe in Berliner Schulen angeboten, nicht aber allein bezogen auf das Fach Chemie. Die an der o. g. Weiterbildung teilnehmenden Lehrkräfte erhalten eine Sicherheitsbelehrung. 3. Welche Vorschriften gibt es für die Lagerung von Chemikalien in Schulen? Zu 3.: Zum Zwecke des sicheren Umgangs mit Chemikalien (und insbesondere Gefahrstoffen) existiert in der Bundesrepublik Deutschland ein umfangreiches Gefahrstoffregelwerk . Neben dem Chemikaliengesetz und der Gefahrstoffverordnung sind hierbei die einschlägigen Regelungen in den Unfallverhütungsvorschriften zu nennen . Die sich hieraus ergebenden Anforderungen werden insbesondere auch für Schulen durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik, z.B. Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), DIN-Normen und Richtlinien (z.B. in den Richtlinien der Kultusministerkonferenz zur Sicherheit im Unterricht – GUV-SI 8070) konkretisiert. Die Vorgaben zur Lagerung der Chemikalien in den Berliner Schulen entsprechen diesen Richtlinien. Durch Fachbriefe werden die Chemie-Fachbereiche der Schulen regelmäßig über Neuerungen der gesetzlichen Regelungen im Umgang mit Chemikalien informiert. 4. Wurden die Chemikalienbestände den Rahmenlehrplänen angepasst? Zu 4.: Die im Rahmenlehrplan aufgeführten Themenfelder und Inhalte können an den Schulen in unterschiedlichen Kontexten bearbeitet werden, für die ganz unterschiedliche Materialien und Stoffe vorgehalten werden müssen. Im Rahmenlehrplan Chemie finden sich deshalb keine Auflistungen von Chemikalien. 5. Wie werden nicht verbrauchte und nicht mehr gebrauchte Chemikalien entsorgt? 6. Wer prüft den sachgemäßen Umgang mit Chemikalien im Unterricht und bei der Lagerung? Zu 5. und 6.: Chemielehrerinnen und -lehrer erhalten im Rahmen ihrer Ausbildung umfangreiche Schulungen zur Sicherheit im Chemieunterricht. Dazu gehören u.a.:  Umgang mit den Sicherheitsdatenblättern der Lieferanten ,  Sicherheitsratschläge der Schüler-Unfallversicherung und der aktuellen Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht (RISU),  Richtlinien zur Aufbewahrung und Katalogisierung von Chemikalien (Zugang, Schränke, Lüf- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 701 2 tung, maximale Menge, Inventarliste der Gefahrstoffe für die Feuerwehr, Entsorgung alter Stoffe),  Etikettierung der Stoffe nach aktuellem Kennzeichnungsrecht ,  Umgangsverbote: Bestimmte Chemikalien dürfen oder sollten an allgemeinbildenden Schulen gar nicht verwendet werden.  Sicherheitsregeln: Für die persönliche Sicherheit aller Beteiligten ist zu sorgen (z. B. Schutzbrille, Handschuhe, Schutzkleidung, Staubschutz, Gehörschutz , Schutzscheibe).  Kenntnis der Hilfsmittel für die Erste Hilfe, z. B. Feuerlöschdecken, Feuerlöscher, Erste-HilfeApotheke , Wasseranschluss, Chemikalienbindemittel , Augenspülung, Abfallbehälter,  Sicherheitstechnische Einrichtung: Diese muss gewährleisten , dass die Gefahren auf ein Minimum reduziert werden, z. B. Vorhandensein eines Abzuges , Raumlüftung, Rauchverbot, Ess- und Trinkverbot.  Entsorgung: Chemikalien müssen sachgerecht entsorgt werden. Die Menge an Stoffabfällen ist möglichst gering zu halten. Die Schulen verfügen über Entsorgungskonzepte mit getrennten Sammelbehältern . Für die Referendarinnen und Referendare der naturwissenschaftlichen Fächer ist die Teilnahme an einer Sicherheitsbelehrung verpflichtend. Die Lagerung der Chemikalien in den Berliner Schulen wird auf jährlichen Begehungen vom Schulträger überprüft. Die fachgerechte Entsorgung der Chemikalien erfolgt ebenfalls über die Schulträger. 7. Welche Ursachen lagen dem Unfall im Chemieunterricht in der Heinrich-Schliemann-Oberschule vom Februar 2015 zu Grunde? Zu 7.: Im Chemieunterricht wurde eine sog. Pharaoschlange aus Emser Pastillen, Asche und Spiritus (max. 5 ml) hergestellt. Emser Pastillen bestehen aus Zucker und Natron (Hydrogencarbonat). Die Verbrennung des Zuckers wird durch die Asche katalysiert. Das Carbonat zersetzt sich in der Hitze unter Bildung von Kohlenstoffdioxid , einem Gas, das die Reste des verbrennenden Zuckers aufbläht. So entsteht eine lockere, schlangenartige Masse aus Zuckerkohle. Dieses bekannte Experiment ist harmlos und normalerweise ungefährlich. Vermutlich ist der Unfall durch den unsachgemäßen Umgang mit Spiritus ausgelöst worden . Ähnliche Verpuffungen geschehen beim Grillen, wenn Spiritus aus der Flasche auf die Grillkohle gegossen wird und die Flamme dann in die Flasche zurückschlägt. Berlin, den 28. Juli 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Juli 2015)