Drucksache 17 / 16 711 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 27. Juli 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juli 2015) und Antwort Vorgehen gegen Leerstand und Abriss von Wohnungen nach dem Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Wohnungen sind seit 2012 in Berlin abgerissen worden und auf welcher rechtlichen Grundlage (bitte nach Jahren und Bezirken auflisten)? Antwort zu 1: Gemäß § 62 Abs. 3 der Bauordnung für Berlin (BauO Bln) ist der Abriss von Gebäuden (auch Wohngebäuden), bauordnungsrechtlich nicht genehmigungsbedürftig . Nicht für jeden Fall von Wohnungsabriss gibt es eine Anzeigepflicht, sodass nicht jeder Wohnraumabriss der Bauaufsicht bekannt wird. Die vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg stammenden Angaben zur Zahl der abgerissenen Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden für die Jahre 2012 bis 2014 erfassen daher nicht alle Wohnungsabrisse. Bezirk Zahl der abgerissenen Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden 2012 2013 2014 CharlottenburgWilmersdorf 73 25 104 Steglitz-Zehlendorf 20 46 20 Tempelhof-Schöneberg 16 109 2 Pankow 6 5 9 Mitte 5 2 5 Treptow-Köpenick 3 2 15 Marzahn-Hellersdorf 3 2 9 Reinickendorf 3 2 5 Lichtenberg 2 2 150 Spandau 1 0 0 FriedrichshainKreuzberg 0 11 0 Neukölln 0 8 0 Gesamt 132 214 319 Seit Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbot-Verordnung am 1.05.2014 steht der Abriss bzw. die Beseitigung von Wohnraum unter einem Genehmigungsvorbehalt . Bis zum 30.06.2015 wurden in allen Bezirken insgesamt neun Anträge für 78 Wohneinheiten mit einer entsprechenden Abrissgenehmigung beschieden. Mit einer Genehmigung beschieden wurden davon drei Anträge mit insgesamt 71 Wohneinheiten im Bezirk Steglitz-Zehlendorf , drei Anträge für drei Wohneinheiten im Bezirk Marzahn -Hellersdorf, ein Antrag für zwei Wohneinheiten im Bezirk Mitte und jeweils ein Antrag für jeweils eine Wohneinheit in den Bezirken Treptow-Köpenick und Charlottenburg-Wilmersdorf. Frage 2: Wie viele Anträge auf längerfristigen Leerstand und Abriss von Wohnungen sind seit Inkrafttreten des Gesetzes zum Verbot von Zweckentfremdung von Wohnraum bei den bezirklichen Behörden bis zum 30.06.2015 gestellt worden (bitte nach Bezirken auflisten )? Antwort zu 2: Längerfristiger Leerstand im Sinne des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes ist gegeben, wenn Wohnraum länger als sechs Monate leer steht. Zum 30.06.2015 lagen bezogen auf alle Berliner Bezirke insgesamt 2.056 Anträge zur zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung längerfristigen Leerstandes von Wohnraum vor. Die Zahl der Leerstandsanträge ist identisch mit der Anzahl der von Leerstand betroffenen Wohneinheiten. Zudem lagen insgesamt 42 zweckentfremdungsrechtliche Genehmigungsanträge für den Abriss von Wohnraum vor. Die Verteilung der vorliegenden Anträge auf die einzelnen Berliner Bezirke stellt sich wie folgt dar. Zu beachten ist dabei, dass die Angaben zur Zahl der Abrissanträge im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf identisch mit der Anzahl der von Abriss betroffenen Wohneinheiten ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 711 2 Bezirk Anträge nach dem Zweckentfremdungsverbot Leerstand Abriss Lichtenberg 699 0 CharlottenburgWilmersdorf 297 23 Steglitz-Zehlendorf 266 3 Treptow-Köpenick 202 3 Mitte 165 4 Spandau 101 0 FriedrichshainKreuzberg 86 0 Marzahn-Hellersdorf 72 8 Tempelhof-Schöneberg 66 0 Neukölln 61 0 Reinickendorf 36 0 Pankow 5 1 Gesamt 2.056 42 Frage 3: Wie beobachten der Senat und die Bezirke den Leerstand von Wohnraum, um eine Beurteilungsgrundlage für Entscheidungen nach dem Gesetz zum Verbot von Zweckentfremdung von Wohnraum zu haben bzw. auf welche Erkenntnisse stützen sich die Bezirke bei ihren Entscheidungen? Antwort zu 3: Die Umsetzung des Zweckentfremdungsverbotes obliegt den einzelnen Berliner Bezirksämtern , die als zuständige Behörden eigenverantwortlich und einzelfallbezogen unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens über Genehmigungsanträge zum Leerstand von Wohnraum entscheiden und entsprechende Erkenntnisse zur Beurteilung der Anträge sammeln. Das Bezirksamt hat für jeden Einzelfall unter verhältnismäßiger Abwägung sämtlicher Aspekte zu prüfen, ob der beantragte längerfristige Leerstand von Wohnraum vertretbar ist. Da ein längerfristiger Leerstand von Wohnraum in der Regel nur bei Modernisierungs-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten oder aus objektiven Gründen wie z.B. einer Unbewohnbarkeit oder einer Unvermietbarkeit genehmigungsfähig ist, lassen sich die Bezirksämter in der Regel entsprechende aussagekräftige Unterlagen oder Nachweise von den Verfügungsberechtigten bzw. Eigentümern vorlegen und berücksichtigen diese bei der Entscheidung. Frage 4: Welche Handreichungen und Entscheidungshilfen hat der Senat den Bezirken für den Umgang mit Anträgen gemäß Frage 2 gegeben bzw. welche plant er? Antwort zu 4: Neben den am 23. Juni 2014 erlassenen Ausführungsvorschriften über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (AV-ZwVb) bietet der Senat den zuständigen Stellen im Bezirk einzelfallbezogene Beratung bzw. Hilfestellung auch zu komplizierten Anträgen oder Anfragen im Bereich der Zweckentfremdung an. In diesem Zusammenhang werden auch Lösungsansätze für generelle oder häufig vorkommende Problemstellungen bei der Umsetzung des Zweckentfremdungsverbotes zur Verfügung gestellt. Frage 5: Wie viele Anträge auf Abriss von Wohnraum sind bisher abgelehnt oder genehmigt worden, mit welchen Begründungen, Auflagen und Ausgleichzahlungen (bitte nach Bezirken auflisten)? Frage 6: Wie hoch waren die Einnahmen für die Erteilung von Abrissgenehmigungen im Jahr 2014 und bis zum 30.6.2015 (gegliedert nach Gebühren und Ausgleichszahlungen , bitte nach Bezirken auflisten)? Antwort zu 5 und 6: Mit Stand vom 31.06.2015 wurden in allen Bezirken von den insgesamt 42 gestellten Anträgen für den zweckentfremdungsrechtlichen Abriss von Wohnraum insgesamt neun genehmigt, davon jeweils drei Anträge in den Bezirken Steglitz-Zehlendorf und Marzahn-Hellersdorf, jeweils ein Anträge in den Bezirken Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick . Die Genehmigungen wurden erteilt, da von den Antragstellern angemessener Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt wurde. Von den 42 gestellten Abrissanträgen wurden zum 30.06.2015 bislang keine Anträge von den Bezirksämtern abgelehnt. Neun Antragsverfahren wurden bislang durch die Einstellung des Verfahrens beendet. Mögliche Gründe die zu einer Einstellung von Verfahren führen können sind bspw. die Rücknahme eines Antrages durch den Antragsteller, das mögliche Nichtvorliegen bestimmter rechtlicher Voraussetzungen zur Führung eines Amts- bzw. Antragsverfahrens oder die Einstellung des Verfahrens bei entsprechender Zweckerreichung des jeweiligen Verfahrens. Seit Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotes wurden für die oben genehmigten Anträge Gebühren in Höhe von insgesamt 2.425 EURO festgesetzt. Davon fallen auf den Bezirk Steglitz-Zehlendorf 717 Euro, auf den Bezirk Marzahn-Hellersdorf 684 Euro und auf den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf 614 Euro. In den Bezirken Mitte und Treptow-Köpenick wurden Gebühren in Höhe von je 205 Euro festgesetzt. Laut den vorliegenden Meldungen der Bezirke an den Senat, wurden Ausgleichszahlungen im Bezirk Treptow-Köpenick in Höhe von 164.000 Euro und im Bezirk Mitte in Höhe von 151.080 Euro festgelegt. In Treptow-Köpenick wird diese sechs Monate nach Abriss fällig, wenn nicht bis dahin mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Bei fristgemäßem Baubeginn wird die Fälligkeit für weitere zwei Jahre ausgesetzt. Im Bezirk Mitte tritt die Fälligkeit der festgelegten Ausgleichszahlung ein, sofern bis zum 1.06.2016 der Ersatzwohnraum nicht geschaffen wird. In beiden Fällen entfällt die Ausgleichszahlung bei fristgemäßer Fertigstellung. Frage 7: In wie vielen Fällen sind Entscheidungen der Bezirke angefochten worden, in wie vielen Fällen und mit welchem Ergebnis ist der Senat als Widerspruchsbehörde tätig geworden? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 711 3 Antwort zu 7: Die Entscheidungen der Bezirke zur Genehmigung von Leerstand und Abriss nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz und die entsprechende Widerspruchsbearbeitung erfolgt zuständigkeitsgemäß in den Berliner Bezirken. Bislang wurden die bezirklichen Genehmigungsentscheidungen zum Leerstand und Abriss nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz nicht angefochten . Frage 8: In wie vielen Fällen hat der Senat von seinem Eingriffsrecht Gebrauch gemacht, um bezirkliche Entscheidungen zu ändern? Antwort zu 8: Bislang hat der Senat im Bereich des Zweckentfremdungsverbotes nicht von seinem im § 13a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der Allgemeinen Berliner Verwaltung (AZG) beschriebenen Eingriffsrecht Gebrauch gemacht. Frage 9: Wie beurteilt der Senat das Begehren der Eigentümer von Wohnhäusern in Charlottenburg-Wilmersdorf , konkret in der Sächsischen Str., in der Fasanenstr. und in der Siedlung Westend, diese abzureißen? Antwort zu 9: Grundsätzlich sind Anträge zur zweckfremden Nutzung von Wohnraum oder Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot nach dem Gesetz zur Zweckentfremdung von Wohnraum durch die zuständigen Bezirke zu beurteilen bzw. entsprechend zu verfolgen. Die Fälle in der Sächsischen Straße und Fasanenstraße gelangten dem Wohnungsamt im Bezirk CharlottenburgWilmersdorf erst Anfang Juli 2015 zur Kenntnis. Konkrete Feststellungen zur Beurteilung der Sachverhalte liegen derzeit noch nicht vor, werden aber gegenwärtig im Rahmen eines Amtsverfahrens ermittelt. Im Falle der Siedlung Westend handelt es sich um den Leerstand von Wohnraum, der nach dem Zweckentfremdungsrecht zu beurteilen ist. Von dem Verfügungsberechtigten wurde ein entsprechender Antrag zur Genehmigung längerfristigen Leerstandes gestellt. Das Genehmigungsverfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Die zuständigen Bezirksämter können bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Wiederzuführung zu Wohnzwecken verlangen und dies ggf. mit Zwangsmitteln, z.B. Zwangsgeldern oder Ersatzvornahmen erzwingen. Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot können als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Berlin, den 07. August 2015 In Vertretung Prof. Dr.- Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Aug. 2015)