Drucksache 17 / 16 727 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 04. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. August 2015) und Antwort Verfassungsschutz mit brauner Vergangenheit II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Aus welchem Grund beginnt der Senat erst im Jahr 2015 eine „interne Untersuchung“ über Bezüge der Gründergeneration des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) zum nationalsozialistischen Machtapparat - insbesondere vor dem Hintergrund, dass er „die Bedeutung und Wichtigkeit der Aufarbeitung der Geschichte von Verfassungsschutzbehörden “ (Drs. 17/15776) betont? Zu 1.: Der Berliner Verfassungsschutz zählt zu den ersten Verfassungsschutzbehörden der Länder, die sich kritisch mit ihrer Geschichte auseinandersetzen und dazu eine interne Untersuchung durchführt. Die Überlegungen für die Nachforschungen hierzu reichen bereits in den August 2013 zurück und konnten beginnen, als die erforderliche Expertise zur Verfügung stand. 2. Warum umfasst die unter 1. genannte vom Senat eingeleitete Untersuchung lediglich den Zeitraum vom 16. Mai 1951 bis zum Ende des Jahres 1953 - angesichts der Tatsache, dass das kürzlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) prominent vorgestellte Forschungsprojekt „Organisationsgeschichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz unter besonderer Berücksichtigung der NS-Bezüge früherer Mitarbeiter*innen in der Gründungsphase “ zu dem Ergebnis kommt, dass nach 1956 NSvorbelastete Mitarbeiter „längst Unterschlupf und Beschäftigung an anderer Stelle gefunden [haben], bei der Polizei, den Landesämtern für Verfassungsschutz, den Kriminalämtern oder dem BND.“? Zu 2.: Die Frühgeschichte des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz unterlag offenkundig einem Wandel . Als abgrenzbare Etappen sind die Jahre von 1951 an bis 1953 sowie von 1953 bis 1956 anzusehen. Im Fokus steht daher gegenwärtig die erste Etappe des damaligen Landesamtes. Nach dem Abschluss der Untersuchung dieser Etappe sind weitere Betrachtungen beabsichtigt. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass in Berlin aufgrund der alliierten Vorbehaltsrechte eine grundlegend andere Situation als in den Verfassungsschutzbehörden anderer Länder vorlag, denn Schlussentscheidungen zum Personaleinsatz hingen von den alliierten Dienststellen ab. 3. Was waren die unmittelbar ausschlaggebenden Anlässe dafür, dass der Senat zu Beginn des Jahres 2015 die unter 1. genannte Untersuchung in die Wege geleitet hat? Zu 3.: Im Nachgang des Leitungswechsels beim Berliner Verfassungsschutz Ende 2012 verbunden mit der damaligen Umstrukturierung der Abteilung gab es ein Interesse an einem historischen Rückblick der Behörde, der diese interne Untersuchung einleitete. 4. Welchen genauen Titel trägt die unter 1. genannte Untersuchung? Zu 4.: Der Arbeitstitel lautet „Untersuchung zur Gründung des Landesamtes für Verfassungsschutz Berlin “. 5. Welche konkreten Abteilungen und/oder Referate der Senatsverwaltung für Inneres und Sport sind mit der Durchführung der unter 1. genannten „internen Untersuchung “ im Einzelnen betraut und welche Aufgaben nehmen sie diesbezüglich jeweils im Einzelnen wahr? Zu 5.: Es handelt sich um eine interne Untersuchung des Berliner Verfassungsschutzes. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 727 2 6. Werden neben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport andere Behörden des Landes Berlin, Behörden anderer Bundesländer oder Bundesbehörden an der Durchführung der Untersuchung beteiligt? Wenn ja, welche jeweils und welche Aufgaben nehmen diese dabei jeweils konkret wahr? Zu 6.: Im Rahmen der Untersuchung werden/wurden alle relevanten Archive um Unterstützung gebeten, darunter das Landesarchiv Berlin, die Friedrich-Ebert-Stiftung sowie das Bundesarchiv (Document Center). 7. Ist eine Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse geplant und wenn ja, für welchen Zeitpunkt und in welchem Format wird die Untersuchung publiziert werden ? Zu 7.: Nach Abschluss der Untersuchung wird eine Veröffentlichung in einem geeigneten Rahmen angestrebt. 8. Kooperiert der Senat bei der Durchführung der unter 1. genannten „internen Untersuchung“ mit bestimmten akademischen Stellen oder Instituten oder bemüht er sich diesbezüglich sonstiger behördenexterner wissenschaftlicher Expertise? Wenn ja, mit welchen Stellen oder Instituten oder mit welcher Expertise genau? Zu 8.: Es handelt sich um eine interne Untersuchung. Gegebenenfalls kann im Einzelfall die Expertise von externen Wissenschaftlern/innen einbezogen werden. 9. Wie viele Mitarbeiter*innen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und wie viele Personen mit externer wissenschaftlicher Expertise wirken jeweils bei der Durchführung der unter 1. genannten Untersuchung mit und welche genauen für die unter 1. genannten Untersuchung relevanten Qualifikationen besitzen diese? Zu 9.: Die Arbeitsgruppe umfasst drei Angehörige des Berliner Verfassungsschutzes, die neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit die Recherchen betreiben. Die Arbeitsgruppe steht unter der Leitung eines Referatsleiters mit entsprechender wissenschaftlicher Expertise. 10. Welche konkreten Methoden der geschichtswissenschaftlichen Quellenrecherche kommen bei der Untersuchung im Einzelnen zum Einsatz (Interviews, Zeitzeugenbefragungen , Aktenrecherche etc.)? Zu 10.: Mit Blick auf die Geburtsjahrgänge der Gründergeneration des damaligen Landesamtes für Verfassungsschutz leben nach bisherigen Feststellungen Zeitzeugen /innen nicht mehr. Im Zentrum stehen Recherchen in deutschen und erreichbaren alliierten Dokumenten. 11. Werden für die Durchführung der unter 1. genannten Untersuchung Inhalte von Akten mit einer Geheimhaltungsstufe verwendet und werden im Zuge dessen auch Möglichkeiten der Freigabe von Akten mit Geheimhaltungsstufen geprüft? Zu 11.: Eine entsprechende Prüfung erfolgt, soweit die Senatsverwaltung für Inneres und Sport über die Dokumente verfügungsberechtigt ist. 12. Wird auch in Aktenbeständen der Archive des „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ (BStU) für die unter 1. genannten Untersuchung über die Gründergeneration des Berliner LfV recherchiert ? Zu 12.: Ein entsprechender Antrag beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staats-sicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wurde gestellt. Die dortigen Recherchen dauern an. Im Wesentlichen hängt der Fortgang der Untersuchungen davon ab. Berlin, den 20. August 2015 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Aug. 2015)