Drucksache 17 / 16 729 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 04. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. August 2015) und Antwort Altershöchstgrenze für Einstellung ins Beamtenverhältnis - Konsequenzen aus der Urteil des Bundesverfassungsgerichts Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Auswirkungen sieht der Senat auf die Altershöchstgrenzen zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst oder des Beamtenverhältnis auf Probe der diversen Laufbahnen durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. April 2014 (2 BvR 1322/12)? 2. Ist der Senat der Auffassung, dass die Ermächtigung des § 29 Abs. 1 Satz 2 Laufbahngesetz (LfbG) Altershöchstgrenzen in Rechtsverordnungen festzulegen den im genannten Urteil formulierten Ansprüchen an eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage genügt ( 2 BvR 1322/12 RN 52ff)? Wenn ja, wie begründet der Senat seine Auffassung? Wenn nein, plant der Senat eine Initiative zur Gesetzesänderung und wann ist mit einer Vorlage zu rechnen? 5. Wie bewertet der Senat die im Urteil des Bundesverfassungsgericht vorgenommene Berechnung, wonach nach ungefähr 19,5 Dienstjahren ein Ruhegehalt in Höhe der Mindestversorgung abgeleistet ist (ebd. RN 85) und welche Berücksichtigung hat dieser Befund auf die Festlegung und die Zulässigkeit von Altershöchstgrenzen? Zu 1, 2 und 5: Derzeit wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Altershöchstgrenzen für die Einstellung ins Beamtenverhältnis vom 21.04.2015 (2 BvR 1322/12), veröffentlicht am 27.05.2015, und die daraus ggf. entstehenden Auswirkungen auch durch die Laufbahnordnungsbehörden – i. S. des § 3 LfbG – geprüft. Die Prüfung wird sich auch darauf erstrecken, inwieweit Altersgrenzen , die mit einem angemessenen Verhältnis zwischen Dienstzeit und Ruhestand begründet werden, in laufbahnrechtlichen oder – als überwiegend fiskalische Regelungen – im Haushaltsrecht verankert werden müssen . Geprüft wird auch, ob im Laufbahnrecht nur noch solche Altersgrenzen vorzusehen sein werden, die ihre Rechtfertigung in den besonderen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn haben. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind das Lebenszeitprinzip und das Alimentationsprinzip geeignet , Eingriffe in Artikel 33 Abs. 2 GG durch Einstellungshöchstaltersgrenzen zu rechtfertigen. Der Dienstherr hat dabei ein grundsätzlich von Artikel 33 Abs. 5 GG geschütztes Interesse an einer insgesamt möglichst langen aktiven Dienstzeit der Beamtin bzw. des Beamten. § 48 der Landeshaushaltsordnung (LHO) regelt, dass die Einstellung und Versetzung von Beamtinnen und Beamten in den Dienst Berlins der Einwilligung der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung bedürfen, sofern die Bewerberin oder der Bewerber ein vom Senat allgemein festzusetzendes Lebensalter überschritten hat. In seiner allgemeinen Anweisung vom 3. April 1979 hat der Senat hierfür die Überschreitung des 50. Lebensjahres festgesetzt. Nähere Voraussetzungen, unter denen die Einwilligung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport als erteilt gilt oder erteilt werden kann, sind in den Ausführungsvorschriften zu § 48 LHO geregelt. Ob die in § 48 LHO und in den Ausführungsvorschriften zu § 48 LHO enthaltenen Regelungen im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer Änderung bedürfen, wird derzeit ebenso geprüft. 3. Für welche Laufbahnen gelten welche Altershöchstgrenzen für den Zugang zum Vorbereitungsdienst, zur Einstellung zum Beamtenverhältnis auf Probe oder zum Aufstieg in höhere Laufbahnzweige? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 729 2 Zu 3: Es gibt folgende laufbahnrechtliche Regelungen (Laufbahnen i. S. v. § 2 LfbG): Justiz und Justizvollzugsdienst: - Für die Einstellung in die Vorbereitungsdienste der Laufbahnfachrichtung Justiz und Justizvollzugsdienst ist ein Höchstalter von 40 Jahren bzw. von 45 Jahren für schwerbehinderte Menschen vorgesehen (§ 5 LVO – Just). Technische Dienste: - Die Laufbahnverordnung technische Dienste enthält in § 7 Absatz 1 eine Höchstaltersgrenze für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst (35 Jahre oder 40 Jahre bei Vorliegen einer Schwerbehinderung ). Die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für den (ehemaligen) mittleren, gehobenen, und höheren Dienst Arbeitsschutz (SenAIF) enthalten die gleiche Regelung. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den eichtechnischen Dienst (SenWTF), die sich derzeit , ebenso wie die des technischen Dienstes Arbeitsschutz , in der Überarbeitung befindet, enthält in § 19 (Aufstieg in besonderen Fällen) die Regelung , dass eine Beamtin bzw. ein Beamter nicht zu dem Aufstieg zuzulassen ist, wenn sie bzw. er im Zeitpunkt der voraussichtlichen Beförderung (nach erfolgreichem Abschluss des Aufstiegs) älter als 63 Jahre ist. Gesundheit und Soziales: - Die Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten der Laufbahnfachrichtung Gesundheit und Soziales – Gesundheitswesen – (Laufbahnverordnung Gesundheitswesen – LVOGes ) vom 26.09.2014 (GVBl. S. 355) sieht bis auf den Laufbahnzweig des Lebensmittelkontrolldienstes keine Altersgrenzen bei Einstellungen vor. In § 10 Absatz 2 Satz 1 LVG-Ges wird eine Höchstaltersgrenze von 35 Jahren bzw. von 40 Jahren für schwerbehinderte Menschen für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnzweig des Lebensmittelkontrolldienstes vorgesehen. Wissenschaft: - Für die Laufbahnfachrichtung wissenschaftliche Dienste ist für das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 des Laufbahnzweigs Bibliotheksdienst für den Zugang zum Vorbereitungsdienst eine Altershöchstgrenze von 40 Jahren, bei schwerbehinderten Menschen von 42 Jahren vorgesehen . Polizeivollzugsdienst: Für die Zulassung zu dem jeweiligen Vorbereitungsdienst in den Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes wurden folgende Höchstaltersgrenzen festgesetzt: a) Mittlerer Dienst: 30. Lebensjahr nicht vollendet (Ausnahme „Lebensältere“ mit abgeschlossener Berufsausbildung: 40. Lebensjahr nicht vollendet) b) Gehobener Dienst: 32. Lebensjahr nicht vollendet c) Höherer Dienst: 32. Lebensjahr nicht vollendet Für die Zulassung zu dem jeweiligen Aufstiegsverfahren in den Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes wurden folgende Höchstaltersgrenzen festgesetzt: a) In den gehobenen Dienst der Schutzpolizei: 33. Lebensjahr nicht vollendet b) In den höheren Dienst der Schutz- und Kriminalpolizei : Nicht älter als 40 Jahre, Ausnahme bis zum vollendeten 45. Lebensjahr (bundesweite Regelung gemäß § 29 Absätze 2 und 3 Gesetz über die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPolG) vom 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 87), übergeleitet in Berliner Landesrecht durch Gesetz zu dem Abkommen zur Änderung des Abkommens über die einheitliche Ausbildung der Anwärter für den höheren Polizeivollzugsdienst und über die Polizei -Führungsakademie vom 24. Februar 2006 (GVBl. S. 202) Derzeit wird die Polizei-Laufbahnverordnung mit dem Ziel überarbeitet, unter anderem die Höchstaltersgrenze für das Aufstiegsverfahren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst aufzuheben. Feuerwehrtechnischer Dienst: Für die Zulassung zu dem jeweiligen Vorbereitungsdienst in den Laufbahnen des feuerwehrtechnischen Dienstes wurden folgende Höchstaltersgrenzen festgesetzt : a) Mittlerer Dienst: 31. Lebensjahr nicht vollendet, zukünftig 36. Lebensjahr b) Gehobener Dienst: 36. Lebensjahr nicht vollendet c) Höherer Dienst: 36. Lebensjahr nicht vollendet, zukünftig 40. Lebensjahr Für die Zulassung zu dem jeweiligen Aufstiegsverfahren in den Laufbahnen des feuerwehrtechnischen Dienstes wurden folgende Höchstaltersgrenzen festgesetzt: a) In den gehobenen Dienst: Keine Höchstaltersgrenze b) In den höheren Dienst: 46. Lebensjahr nicht vollendet Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 729 3 Gemäß der als Referentenentwurf vorliegenden Neufassung der Feuerwehr-Laufbahnverordnung sollen die Höchstaltersgrenze für den Aufstieg in den höheren feuerwehrtechnischen Dienst und auch die Mindestaltersgrenzen für den besonderen Aufstieg (§ 15 FwLVO) entfallen. Steuerverwaltungsdienst: Für die Laufbahnfachrichtung Steuerverwaltung ist in § 5 Abs. 2 der Steuerverwaltungslaufbahnverordnung (StLV) bestimmt worden, dass die Einstellung in den Vorbereitungsdienst zulässig ist, soweit das 32. Lebensjahr (bei schwerbehinderten Menschen das 40. Lebensjahr ) noch nicht vollendet ist. 4. Welche der unter 3. abgefragten Altershöchstgrenzen werden mit der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand begründet? Auf welche Berechnungen oder Studien stützt sich diese Begründung jeweils? Falls es unterschiedliche Altershöchstgrenzen mit dieser Begründung gibt – wie erklärt der Senat den Unterschied? Zu 4: Grundsätzlich wurde die Festlegung der Höchstaltersgrenzen in den Laufbahnfachrichtungen Justiz und Justizvollzugsdienst, technische Dienste, Gesundheit und Soziales und Steuerverwaltung damit begründet, ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sicherzustellen. In Berlin unterfällt dabei derzeit hinsichtlich der Einstellung nur das Beamtenverhältnis auf Widerruf, also der Beginn der Ausbildung, einer Altersgrenze. Jede Laufbahn stellt dabei völlig unterschiedliche Anforderungen an die Bewerberinnen und Bewerber, daher kann die Abwägung der verschiedenen Parameter gegeneinander grundsätzlich nicht völlig gleich ausfallen. Eine verantwortungsvolle Berücksichtigung des Verhältnisses der dem Staat entstehenden Kosten – insbesondere Ausbildung und Versorgung – zu der vor der Altersgrenze leistbaren Dienstzeit, ist dabei jedoch nur ein Teilaspekt. In einigen Vorbereitungsdiensten ist die Ausbildung im Vorbereitungsdienst besonders teuer, in denselben oder anderen Laufbahnen tritt als zusätzlicher Faktor, der ein niedriges Einstiegsalter erforderlich macht, der besondere Anspruch an die körperliche Fitness hinzu. So kann bspw. bei Dienstkräften des Polizeivollzugsdienstes und des feuerwehrtechnischen Dienstes eine angemessene Verbleibenszeit im aktiven Dienstverhältnis neben dem Eignungsmerkmal der erforderlichen körperlichen Anforderungen ein zusätzlicher Grund für eine Höchstaltersgrenze zur Zulassung zum Vorbereitungsdienst sein. Da sich die Höchstaltersgrenzen grds. an den Anforderungen der Ämter in der jeweiligen Laufbahn orientieren (bspw. körperliche Belastung, erforderliche Vorbildung), wurden unterschiedliche Höchstaltersgrenzen als gerechtfertigt angesehen. 6. Für welche Laufbahnen sieht der Senat die Überschreitung eines bestimmten Lebensalters als typischerweise den Anforderungen eines Amtes nicht mehr genügend , weil die physischen Fähigkeiten des Beamten zur Ausübung des Dienstes nicht genügen (vgl. ebd. RN 76)? Auf welche Grundlage oder Studien stützt der Senat jeweils seine Einschätzung? Physische Fähigkeiten sind typischerweise in den Laufbahnen des mittleren und gehobenen feuerwehrtechnischen Dienstes und auch des mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienstes relevant, aber nicht ausschließlich . Bei der Abwägung, bis zu welcher Altersgrenze die zukünftige Erfüllung der Anforderungen mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann, spielen die Erfahrungen der Dienstbehörden mit der tatsächlichen Einsatzbewältigung im Land Berlin, aber auch der bundesweite Vergleich eine Rolle. 7. Inwiefern hat der Senat insbesondere bei der aktuell geplanten Anhebung der Altershöchstgrenze zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren bzw. des gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst auf 36 bzw. 40 Lebensjahre geprüft, ob diese Altersgrenzen tatsächlich eine körperliche Belastungsgrenze darstellen? Die beabsichtigte Anhebung der Höchstaltersgrenze für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes vom vollendeten 31. Lebensjahr auf das vollendete 36. Lebensjahr wird nach Expertenanhörungen für gerechtfertigt gehalten. Die Altersgrenze für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst des gehobenen feuerwehrtechnischen Dienstes bleibt unverändert. 8. Wieso genügt es bei den unter 6. abgefragten Laufbahnen nach Auffassung des Senates nicht, entsprechende Auswahlverfahren – beispielsweise einen Test der sportlichen oder körperlichen Fähigkeiten – durchzuführen und auf starre Altershöchstgrenzen zu verzichten? Grds. bilden Sporttests nur Erkenntnisse über die körperliche Leistungsfähigkeit zum jeweiligen Testzeitpunkt ab. Die daraus abgeleitete Prognose, dass die erforderliche körperliche Leistungsfähigkeit voraussichtlich über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben wird, ist bei höherem Lebensalter weniger zuverlässig als bei jüngeren Nachwuchskräften. Berlin, den 13. August 2015 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Aug. 2015)