Drucksache 17 / 16 733 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 03. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. August 2015) und Antwort Eine „Heuschreckensteuer“ für Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat das Vorhaben der Hansestadt Bremen, auf Verkäufe von Immobilienportfolios von mehr als 50 Wohnungen eine drastisch erhöhte Grunderwerbsteuer von 19 Prozent zu erheben? Zu 1.: Nach derzeitiger Rechtslage sind die Länder nicht befugt, unterschiedliche Grunderwerbsteuersätze für jeweils bestimmte, der Grunderwerbsteuer unterliegende Vorgänge zu bestimmen. 2. Welche Erfahrungen sind dem Senat bekannt, nach denen eine höhere Grunderwerbsteuer jemals zu mehr Wohnungsbau bzw. zu einer für die Mieter günstigeren Mietentwicklung geführt hätte? Zu 2.: Dem Senat ist nicht bekannt, dass eine höhere Grunderwerbsteuer jemals zu mehr Wohnungsbau bzw. zu einer für die Mieterinnen und Mieter günstigeren Mietentwicklung geführt hätte. 3. Welche Rolle spielt der Ankauf von Wohnungen in größerer Zahl durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften für die Mieten- und Wohnungspolitik des Senats und würde der Senat landeseigene Wohnungsbaugesellschaften im Fall des Erwerbs größerer Wohnungsportfolios als "Heuschrecken" im Sinne des bremischen Vorhabens begreifen? Zu 3.: Wohnungspolitisches Ziel des Senats ist es, die Bestände der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in den kommenden Jahren weiter zu erhöhen. Hierbei steht die Erhöhung des Wohnungsbestandes durch Neubau mittels eigener Baumaßnahmen im Vordergrund. Jedoch werden die städtischen Wohnungsbaugesellschaften auch am Markt angebotene Wohnungsbestände - unter Beachtung von Wirtschaftlichkeitskriterien - ankaufen. Grundsätzlich verfolgen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften das Ziel, preiswerten Wohnraum zu bezahlbaren Mieten anzubieten, um so einkommensschwächere und breite Bevölkerungsschichten zu versorgen. 4. Falls nein, wäre eine Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Wohnungskäufern bei der Erhebung der Grunderwerbsteuer verfassungsrechtlich überhaupt möglich? Zu 4.: Nach derzeit geltender Rechtslage sind die Länder nicht ermächtigt, bei der Erhebung der Grunderwerbsteuer zwischen öffentlichen und privaten Wohnungskäufern zu differenzieren. 5. Welche Rolle spielen aus der Sicht des Senats Projektentwicklungsunternehmen für das Wohnungsbaugeschehen in Berlin und wie würde sich eine Grunderwerbsteuer nach dem Vorbild des bremischen Vorhabens auf dieses Geschäftsmodell auswirken? Zu 5.: Angesichts der Breite der Geschäftsfelder und Unternehmensformen ist eine pauschale Einschätzung der Rolle der Projektentwickler nicht möglich. Projektentwickler haben häufig ambivalente Einflüsse auf das Wohnungsbaugeschehen : Auf der einen Seite können sie auf bisher brach liegenden oder untergenutzten Flächen oder Bestandsgebäuden Neubauten entstehen lassen, die das Wohnungsangebot vergrößern und die städtebaulichen Qualitäten eines Standortes bereichern. Auf der anderen Seite können Überbietungswettbewerbe zum Preisauftrieb am Grundstücksmarkt beitragen. Die Auswirkungen steigender Grunderwerbsteuersätze auf das Verhalten der Projektentwickler lassen sich mangels empirischer Daten nicht beantworten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 733 2 6. Wie viele und welche Veräußerungen von Immobilienportfolios von mehr als 50 Wohneinheiten sind dem Senat oder den Bezirken innerhalb der letzten fünf Jahre bekannt (gegliedert nach Bezirken)? Zu 6.: Auf Basis der Daten der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin können lediglich Aussagen zur Anzahl betroffener Wohneinheiten (WE) in Form des Wohnungs- und Teileigentums getroffen werden (siehe Tabelle). Eine Untergliederung nach Bezirken ist datentechnisch nicht möglich . Jahr Anzahl der Portfolioverkäufe über 50 WE Anzahl der in Portfolios veräußerten WE 2010 4 559 2011 3 723 2012 3 386 2013 4 703 2014 5 747 Aus dem Kreis der dazu befragten Bezirke (für Stadtplanung zuständige Bezirksstadträte) wurde mitgeteilt, dass dort keine systematisch erfassten Daten vorliegen, da die Bezirke nur aus konkreten Anlässen - insbesondere in den Fällen eines gemeindlichen Vorkaufsrechtes - von derartigen Verkäufen Kenntnis erhalten. 7. In welchen dieser Fälle kam es nach Kenntnis des Senats oder der Bezirke anschließend zu einer missbräuchlichen oder wohnungspolitisch nicht vertretbaren Entwicklung der Bestandsmieten und wie wird diese Einschätzung jeweils begründet? Zu 7.: Von den hierzu befragten Bezirken haben drei Bezirke mitgeteilt, dass ihnen keine derartigen Fälle bekannt sind. Ein Bezirk hat ihm bekannte Einzelfälle benannt . Konkrete Erscheinungsformen sind dabei insbesondere sehr hoher Leerstand vor einer angekündigten sehr umfassenden Modernisierung, welche die Mietzahlungsfähigkeit des überwiegenden Anteils der Bestandsmieterschaft überfordert, sowie, bei den vom Wegfall der Anschlussförderung betroffenen Objekten, die deutliche Anhebung von Mieten nach Auslaufen der Grundförderung . Dem Senat sind Fälle der genannten Art ebenfalls bekannt . Er schätzt zum einen ein, dass es sich jeweils um Einzelfälle handelt, deren Ausprägungen nicht für die Mehrzahl der Verkäufe größerer Wohnungsportfolios gelten. Zum andern haben der Landesgesetzgeber und der Senat vor dem Hintergrund der zunehmenden Enge auf dem Wohnungsmarkt zwischenzeitlich eine Vielzahl von Regelungen (wie z.B. die flächendeckende Einführung und Verlängerung der Eigenbedarfskündigungsfrist bei Umwandlungen auf zehn Jahre, das Zweckentfremdungsrecht , die Umwandlungsverordnung oder das Wohnraumgesetz Berlin) erlassen, die die Spielräume für missbräuchliche oder wohnungspolitisch unerwünschte Entwicklungen stärker einschränken. 8. Hält der Senat das bremische Vorhaben für wohnungspolitisch sinnvoll, juristisch haltbar und gibt es politische Erwägungen, diesen Weg auf Berlin zu übertragen ? Zu 8.: Dem Senat steht eine Bewertung der in einem anderen Bundesland laufenden wohnungs- und fiskalpolitischen Entscheidungsprozesse nicht zu. Er wird die dortige weitere Entwicklung fachlich interessiert und abwartend weiter beobachten. Berlin, den 18. August 2015 In Vertretung Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Aug. 2015)