Drucksache 17 / 16 738 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Schillhaneck (GRÜNE) vom 04. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. August 2015) und Antwort Beschäftigungszeiten des Wissenschaftlichen Nachwuchses Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In § 21 der jeweiligen Hochschulverträge für die Jahre 2014 bis 2017 zwischen dem Land Berlin und den Berliner Vertragshochschulen sind Regelungen zu den Beschäftigungszeiten des Wissenschaftlichen Nachwuchses festgehalten. Wie bewertet der Senat den Erfolg dieser Klausel? Zu 1.: Auch wenn es für einen eindeutigen empirischen Beleg für die Auswirkungen des § 21 der aktuellen Hochschulverträge noch zu früh sein mag, ist der Senat der Überzeugung, dass die genannte Regelung die Sensibilität der Berliner Hochschulen für die Befristungsproblematik von Beschäftigungsverhältnissen für den wissenschaftlichen Nachwuchs geschärft hat. Hierfür sprechen auch einschlägige neue Bestimmungen z. B. an der Humboldt -Universität (HU), mit denen die Fachbereiche auf zeitlich angemessene Beschäftigungsverhältnisse verpflichtet wurden. So berichtet die HU: „Die HumboldtUniversität zu Berlin hat – in Reaktion auf § 21 des Hochschulvertrags – zum 01.04.2015 die ‚Richtlinie des Präsidenten zur Beschäftigung des befristeten akademischen Mittelbaus‘ in Kraft gesetzt. Die Mindestlaufzeit bei Erstbeschäftigung an der HU beträgt für Haushaltsbeschäftigte drei Jahre, es wurden Ausnahmen definiert. In Drittmittelprojekten soll das Beschäftigungsende mit der Projektdauer einhergehen, soweit nicht sachliche oder finanzielle Gründe dagegen sprechen.“ 2. Wie hat sich § 21 der Hochschulverträge auf die durchschnittliche Länge von Erstverträgen von Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgewirkt ? Zu 2.: Angesichts der noch kurzen Zeitspanne, in der die aktuellen Hochschulverträge gelten, und der überschaubaren Anzahl von Erstverträgen pro Jahr kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Auswirkungen des § 21 der Hochschulverträge bereits eindeutig empirisch nachweisen lassen (siehe auch die konkrete Datenlage zu den Fragen 3 bis 5). 3. Wie war die durchschnittliche Länge der Erstverträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jahren 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 und (bisher) 2015? Zu 3.: An den Fachhochschulen und den kleineren Kunsthochschulen gibt es nur sehr wenige aus Landesmitteln finanzierte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dementsprechend bewegt sich die Zahl der Erstverträge im Bereich von Einzelfällen. Auf eine statistische Auswertung wird daher verzichtet. Die von den Universitäten übermittelten Daten zur durchschnittlichen Länge der Erstverträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Da im Charité-Vertrag eine analoge Regelung enthalten ist, wurde auch die Charité - Universitätsmedizin Berlin um entsprechende Angaben gebeten. Zu beachten ist allerdings, dass der § 23 Charité-Vertrag eine Mindestvertragszeit von zwei Jahren vorsieht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 738 2 Tabelle 1: Durchschnittliche Dauer der Erstverträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne Vertretungseinstellungen, in Monaten. FU HU TU UdK Charité 2010 k.A. 27,1 36,9 57,8 24,7 2011 k.A. 27,1 38,1 48,0 24,3 2012 37,1 27,9 36,7 48,2 24,2 2013 36,1 25,0 38,1 48,2 24,9 2014 36,2 28,2 38,1 59,7 23,7 2015 (bisher) k.A. 25,0 33,4 53,1 25,0 Abkürzungen: FU: Freie Universität Berlin HU: Humboldt-Universität zu Berlin TU: Technische Universität Berlin UdK: Universität der Künste Berlin Bei der Bewertung der Daten ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Erstverträge pro Jahr recht gering ist: An den drei großen Universitäten werden jährlich zwischen 120 und 190 Erstverträge, die aus Landesmitteln finanziert sind, abgeschlossen; an der Charité übersteigt die Zahl der Erstverträge nur vereinzelt die Marke von 200; an der UdK liegt die jährliche Anzahl bei etwa 10. Da das Jahr 2015 noch nicht vollendet ist, sind die bisher erreichten Fallzahlen nochmals geringer (HU: bislang 63 Erstverträge, TU: 91, UdK: 6, Charité: 173). Die Humboldt -Universität gibt für das Jahr 2015 folgenden Hinweis : „Da die ‚Richtlinie des Präsidenten zur Beschäftigung des befristeten akademischen Mittelbaus‘ erst zum 1. April d. J. in Kraft getreten ist und zum Semesterbeginn im Oktober mit zahlreichen Neueinstellungen (Erstverträgen ) zu rechnen ist, ist davon auszugehen, dass sich die durchschnittliche Länge der Erstverträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis Ende des Jahres erhöhen wird.“ 4. Wie viel Prozent der entsprechenden Erstverträge liegen in den Jahren 2014 und 2015 unterhalb der in § 21 der Hochschulverträge vorgesehenen (Regelfall-) Mindestlaufzeit von 3 Jahren? Zu 4.: Aus den von den Hochschulen übermittelten Absolutzahlen wurden die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Anteile über Erstverträge mit einer Laufzeit unter drei Jahren ermittelt. Für die Charité ist entsprechend der Regelung im Charité-Vertrag der Anteil der Erstverträge mit einer Laufzeit unterhalb von zwei Jahren angegeben. Insbesondere für das Jahr 2015 sei auf die unter 3. gegebenen Einschränkungen hinsichtlich der Fallzahlen verwiesen. Tabelle 2: Anteil der Erstverträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einer Mindestlaufzeit unterhalb von drei Jahren bzw. für die Charité unterhalb von zwei Jahren FU HU TU UdK Charité 2014 31% 60% 41% 9% 23% 2015 (bisher) k.A. 57% 51% 33% 19% 5. Wie viel Prozent der entsprechenden Erstverträge liegen in den Jahren 2014 und 2015 oberhalb der in § 21 der Hochschulverträge vorgesehenen (Regelfall-) Höchstlaufzeit von 5 Jahren? Zu 5.: Aus den von den Hochschulen übermittelten Absolutzahlen wurden die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Anteile über Erstverträge mit einer Laufzeit unter drei Jahren ermittelt. Zu den Fallzahlen siehe Hinweis zu 3. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 738 3 Tabelle 3: Anteil der Erstverträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einer Mindestlaufzeit oberhalb von fünf Jahren FU HU TU UdK Charité 2014 k.A. 11% 41% 64% 0% 2015 (bisher) k.A. 5% 40% 67% 1% 6. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus § 21 der Hochschulverträge sowie den hier erfragten Zahlen ? Sieht der Senat Handlungsbedarf? Zu 6.: Wie bereits oben ausgeführt, erachtet der Senat die gegenwärtige empirische Basis als unzureichend für eine Bewertung der Wirksamkeit des § 21 der Hochschulverträge . Nötig ist eine längere Zeitreihe. Die für Wissenschaft zuständige Senatsverwaltung wird die Entwicklung der Laufzeiten von Erstverträgen weiterhin beobachten. Der Senat sieht bezüglich der Verbesserungen der Beschäftigungsbedingungen insgesamt Handlungsbedarf und wird dies mit den Hochschulen diskutieren. Berlin, den 18. August 2015 In Vertretung Steffen Krach Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Aug. 2015)