Drucksache 17 / 16 751 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 6. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. August 2015) und Antwort Unterbringung von Geflüchteten in Neukölln (II) – Notunterkunft Mariendorfer Weg Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Anzahl der in Deutschland gestellten Asylanträge hat seit Jahresbeginn nochmals stark zugenommen: In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres wurden in Berlin bereits über 16.000 Asylsuchende gezählt, das entspricht nahezu dem vierfachen Zuzug des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Es zeichnet sich daher ab, dass die Bundesrepublik Deutschland bis Jahresende das höchste Aufkommen an Asylanträgen seit ihrem Bestehen zu bewältigen haben wird. Hieraus erwachsen für Bund, Länder und Kommunen erhebliche Herausforderungen. Vorrangige Zielsetzung allen staatlichen Handelns muss es sein, ungeachtet des hohen Antragsaufkommens allen in Deutschland um Schutz nachsuchenden Menschen eine menschenwürdige Unterbringung , eine bedarfsgerechte Versorgung auf der Grundlage des geltenden Leistungsrechts und ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu gewährleisten. Um diesen Herausforderungen effektiv und zielgerichtet gerecht werden zu können, hat der Senat am 11.08.2015 ein umfangreiches Sofortprogramm beschlossen , dessen wesentlicher Inhalt in der Einrichtung eines landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement besteht. Vorrangige Aufgabe dieses Gremiums ist die Unterstützung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bei der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben, insbesondere bei der Erstaufnahme von Anträgen im Asylverfahren und der Unterbringung von Flüchtlingen . Vor diesem Hintergrund wird die Schriftliche Anfrage wie folgt beantwortet: 1. Wie lange soll die Notunterkunft Mariendorfer Weg laut Vereinbarung mit dem Betreiber „Neue Treberhilfe“ betrieben werden? 2. Ist für die Unterkunft mittlerweile ein schriftlicher Vertrag zwischen dem Land Berlin und dem Betreiber „Neue Treberhilfe“ geschlossen worden, der sich laut Antwort des Senats auf meine Schriftliche Anfrage 17/15861 im März 2015 „in Vorbereitung“ befand? Wenn nein, warum nicht? 4. Ist ein Betrieb über den im Betreibervertrag oder in der sonstigen Vereinbarung mit dem Betreiber geregelten Zeitraum hinaus geplant? 5. Bis wann soll die Unterkunft Mariendorfer Weg betrieben werden? Soll sie weiterhin als Notunterkunft betrieben oder in eine Gemeinschaftsunterkunft überführt werden? 6. Welche baulichen Maßnahmen sind für den Fall geplant, dass a. die Unterkunft Mariendorfer Weg weiterhin als Notunterkunft betrieben werden soll, b. die Unterkunft in eine Gemeinschaftsunterkunft überführt werden soll? 7. Welche baulichen Maßnahmen sind seit der Inbetriebnahme im Januar 2015 vorgenommen worden? 9. Wie viele Flüchtlinge sind in der Unterkunft derzeit durchschnittlich in einem Raum untergebracht und wie groß sind die Räume? 14. Gibt es eine Kinderbetreuung in der Notunterkunft ? Wenn ja, welcher Stundenumfang ist mit dem Betreiber vereinbart und findet die Kinderbetreuung auch in diesem Umfang statt? Wenn nein, warum nicht? 17. Besteht für die Bewohner*innen die Möglichkeit, in der Notunterkunft zu kochen? Wenn nein, ist es geplant , eine entsprechende Kochmöglichkeit zu schaffen? 18. Wie werden die Bewohner*innen aktuell verpflegt ? Wird mindestens eine warme Mahlzeit pro Tag zur Verfügung gestellt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 751 2 19. Besteht die Möglichkeit, Essen aufzuwärmen und wenn ja, wie viele Aufwärmmöglichkeiten stehen den Bewohner*innen zur Verfügung? 20. Wie viele Gemeinschaftsräume wie etwa Aufenthaltsräume , Kinderspielräume etc. stehen derzeit in der Notunterkunft zur Verfügung? 21. Wie viele Waschmaschinen, Toiletten und Duschen stehen in der Notunterkunft für die Bewohner *innen derzeit zur Verfügung, und wo befinden sich diese? Zu 1., 2., 4., 5. bis 7., 9., 14. und 17. bis 21.: Die Notunterkunft Mariendorfer Weg soll nach derzeitigem Sachstand bis zum 30.09.2015 betrieben werden. Die Umwandlung in eine Gemeinschaftsunterkunft ist nicht beabsichtigt . Inwiefern die Aufgabe dieses Standorts tatsächlich möglich sein wird, ist - im Hinblick auf die Zuzugsentwicklung -derzeit noch nicht abschließend entschieden. Zu den übrigen erfragten Sachverhalten hat der Senat bereits in seiner Antwort vom 10.04.2015 auf die Schriftliche Anfrage 17/15861 vom 24.03.2015 Stellung genommen . Die entsprechenden Angaben sind - bis auf vorgenannte Verlängerung des Betriebs bis zum 30.09.2015 - weiterhin gültig. 3. Welchen vorläufigen sowie endgültig verhandelten Tagessatz zahlt(e) das LAGeSo für die Unterbringung in der Notunterkunft an den Betreiber? Zu 3.: Der vorläufige Belegungssatz beträgt 11,22 Euro (ohne Verpflegung). 8. Wie viele Flüchtlinge sind derzeit in der Unterkunft untergebracht? Zu 8.: Mit Stand 17.08.2015 sind 99 Personen in der Notunterkunft Mariendorfer Weg untergebracht. 10. Entspricht die Unterbringung im Mariendorfer Weg den Mindeststandards des LAGeSo für die Unterbringung von Flüchtlingen? Wenn nein, inwiefern weichen diese nach unten ab? 11. Wann wurde die Notunterkunft durch das LAGeSo hinsichtlich der Einhaltung der Mindeststandards kontrolliert /begangen, welche Mängel wurden dabei festgestellt und welche Konsequenzen wurden dabei jeweils gezogen ? (Bitte Datum der Kontrolle/Begehung, festgestellte Mängel und Konsequenz aufschlüsseln)? Zu 10. und 11.: Die Notunterkunft (NU) am Mariendorfer Weg 9, 12051 Berlin, wurde am 23.06.2015 erstmalig im Rahmen der Begehungsplanung durch das LAGeSo überprüft. Gegenstand der Begehung war die Überprüfung der Einhaltung der Qualitätsstandards des Landes Berlin. Angesichts der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in einer Notunterkunft – hier speziell die Unterbringung in einem Schulgebäude – wurden bei der Beurteilung der Unterkunft die Unterbringungsumstände und Rahmenbedingungen ebenfalls berücksichtigt. Am Begehungstag konnten folgend aufgeführte Handlungserfordernisse /Mängel in der benannten Einrichtung festgestellten werden:  Eine Hygienebegehung durch das Gesundheitsamt hatte nach Aussage eines Sozialbetreuers zwar stattgefunden, das daraus resultierende Protokoll mit ggf. festgestellten Mängeln konnte bei der Begehung durch das LAGeSo noch nicht vorgelegt werden. Im Ergebnis der dann am 05.08.2015 vom zuständigen Gesundheitsamt durchgeführten Begehung konnten keine die Gesundheit und Hygiene betreffenden Mängel festgestellt werden. Im Bericht werden die Bemühungen der Leitung und der Bewohnerinnen und Bewohner um Sauberkeit und Ordnung erwähnt.  Ähnlich verhielt es sich mit dem Protokoll der Brandschutzbegehung. Den vor Ort befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lagen hierzu keine Informationen vor. Auch eine namentliche Nennung des Brandschutzbeauftragten für dieses Objekt blieb ungeklärt. Die Protokolle sowie die Benennung des Brandschutzbeauftragten wurden angefordert . Eine aktuelle Nachfrage des LAGeSo bei der Betreiberin ergab, dass vor der Inbetriebnahme eine Begehung mit dem Brandschutzbeauftragten des Bezirksamtes Neukölln von Berlin und der Berliner Feuerwehr erfolgt ist, bei der Festlegungen u. a. zu Brandwachen getroffen wurden. Am 24.07.2015 fand eine Brandschutzunterweisung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung statt. Evakuierungsübungen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern werden regelmäßig angesetzt.  Zum Zeitpunkt der Begehung befanden sich insgesamt 97 Personen in der Notunterkunft, davon sieben Kinder im Alter von 0-5 Jahren und 13 Kinder im Alter von 6-18 Jahren (20 Kinder gesamt). Die NU besteht aus zwei Etagen. Im Erdgeschoss wurde ein Mehrzweckraum hergerichtet, welcher als Gemeinschaftsraum/ Aufenthaltsraum/Hausaufgabenraum / Essensbereich sowie als Spielzimmer zugleich genutzt wird. Das Herrichten eines Spielzimmers ist nach Aussage des Erziehers aufgrund der eingeschränkten Raumkapazitäten nicht möglich . Das Gelände um die Schule bietet nur eine kleine Freizeitfläche (kleiner Spielplatz) für die Kinder. Bei der Begehung wurde besprochen, inwieweit eine kindgerechte Betreuung innerhalb und außerhalb der Unterkunft (z. B. Zusammenarbeit /Mitwirkung mit Sportvereinen und Projekten) hinsichtlich des fehlenden Spielzimmers seit Inbetriebnahme erfolgen kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 751 3  Ein Arztzimmer für die Bewohnerinnen und Bewohner existiert ebenfalls nicht, dies wurde angemahnt .  Die mobilen Sanitärcontainer (WC-Bereich Damen ) auf dem Gelände wiesen keine verschließbaren Hygieneeimer mit Beutel auf. Im Abschlussgespräch zur Begehung wurde auf das Fehlen aufmerksam gemacht. Die Betreiberin versicherte, Hygieneeimer zeitnah zur Verfügung zu stellen.  Die Überprüfung der Sanitärcontainer (Duschbereiche ) ergab weiterhin, dass sich auffällig viele und große Wasserpfützen auf dem Boden, vor allem nach den Duschvorgängen der Bewohnerinnen und Bewohner bilden, was zum Ausrutschen der Bewohnerinnen und Bewohner führen kann. Die Pfützenbildung ist offensichtlich auf das nicht stimmige Gefälle in den Duschen zurückzuführen. Ein Niveauausgleich wurde empfohlen. Es wurde weiterhin darauf hingewiesen, den Reinigungsturnus (Trockenwischen mit einem Gummiabzieher) im Duschbereich zu erhöhen bzw. auch die Bewohnerinnen und Bewohner dahingehend aufzuklären , dass diese nach den Duschgängen den Boden trocken halten bzw. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Reinigung in Kenntnis setzen.  Der Unterrichtungsnachweis gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Gewerbeordnung (GewO) des eingesetzten Wachschutzunternehmens konnte ebenfalls nicht vorgelegt werden und wurde von der Betreiberin abgefordert.  Das Einrichtungskonzept (einschließlich Versorgungskonzept ) konnte nicht vorgelegt werden. Dieses wird ebenfalls angefordert.  Teilweise fehlten die Kindersicherungen an den Steckdosen. Um eine zügige Nachrüstung wurde bereits vor Ort gebeten. 12. Wie viele und welche Personalstellen sind für den Betrieb der Unterkunft vorgesehen und welche davon sind derzeit tatsächlich besetzt? Zu 12.: Für die Heimleitung, Sozialarbeit, Mitarbeit in der Verwaltung, und Kinderbetreuung sind jeweils eine Stelle, für die Sozialbetreuung insgesamt 1,75 Stellen vorgesehen. Alle Stellen sind dementsprechend besetzt. 13. Wie viele Kinder und Jugendliche leben derzeit in der Notunterkunft Mariendorfer Weg (Bitte nach Altersgruppen unter 3 Jahre, 3 bis 5 Jahre, 6 bis 12 Jahre, 13 bis 18 Jahre sowie Gesamtzahl aufschlüsseln)? Zu 13.: Mit Stand vom 13.08.2015 befanden sich zwei Kinder unter drei Jahren, vier Kinder zwischen drei und fünf, fünf Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren und sechs Kinder im Alter zwischen dreizehn und achtzehn Jahren in der Notunterkunft. 15. Wie lange sollen einzelne Flüchtlinge maximal in einer Notunterkunft untergebracht sein? Zu 15.: Der Senat strebt an, die Aufenthaltsdauer in Notunterkünften grundsätzlich auf den erforderlichen Zeitraum zu begrenzen, bis ein Platz in einer vertragsgebundenen Gemeinschaftsunterkunft bereitgestellt werden kann. Allerdings ist insoweit die Zuzugsentwicklung zu berücksichtigen : Auf Grund der in der Vorbemerkung dargestellten Situation und der vom Bundesministerium des Innern für die 34. Kalenderwoche angekündigten aktualisierten Zuzugsprognose, die voraussichtlich von 600.000 bis 750.000 Asylanträgen im Jahr 2015 ausgehen wird - was für Berlin die Aufnahme von mindestens 30.000 Asylbegehrenden bedeuten würde - erwächst für die Bundesländer und Kommunen die Notwendigkeit, in erheblichem Umfang kurzfristig mehr Kapazitäten für die Unterbringung von Flüchtlingen zu schaffen, als nach der zu Jahresbeginn vom Bund abgegebenen Zuzugsprognose zu erwarten war. Vor diesem Hintergrund kann es sich zur Vermeidung von Obdachlosigkeit als unabdingbar notwendig erweisen , die Aufenthaltsdauer in Gemeinschaftsunterkünften mit Notbelegung zu verlängern. Eine vordefinierte maximale Aufenthaltsdauer wäre schon wegen der unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen notbelegten Einrichtungen nicht sachgerecht, würde es dem LAGeSo aber auch erschweren, flexibel auf die dargestellten beträchtlichen Unwägbarkeiten bei der Zuzugsentwicklung reagieren zu können. 16. Sind aktuell Personen in der Notunterkunft untergebracht , die dort seit der Inbetriebnahme wohnen und wenn ja, wie viele? Zu 16.: Eine statistische Datenerfassung, aus der die erfragte Personenanzahl abgeleitet werden könnte, erfolgt nicht. Berlin, den 25. August 2015 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Aug. 2015)