Drucksache 17 / 16 775 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Wolf (LINKE) vom 11. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. August 2015) und Antwort Umsetzung von konzeptionellen Maßnahmen des SteP Verkehr Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wann, wie, durch wen und auf Grundlage welcher Finanzierung und mit welchen Beteiligten wird das Pilot-projekt zur erweiterten Integration von ÖV und Taxi zur Verbesserung der Erschließung in peripheren Räumen umgesetzt? Antwort zu 1: Der Berliner Senat hatte bereits nach der Erarbeitung des Stadtentwicklungsplans (StEP) Verkehr 1.0 ab 2003 im EU-Projekt CIVITAS TELLUS (Forschungsrahmenprogramm ) ein Pilotprojekt zur erweiterten Integration von öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und Taxiverkehr initiiert mit dem Projektnamen „Charter Cab“. Im Gegensatz zur Konzeption der linienbezogenen Anrufsammeltaxis (AST) der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) im peripheren Raum wurde von den Bahnhöfen Zehlendorf, Lichterfelde Ost, Wannsee und Krumme Lanke ein flächenhafter „Haustür-Service“ im gesamten peripheren Einzugsgebiet bis Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf als Mischform zwischen Taxi und Bus getestet. Entwickelt wurde auch eine neue Software. Die Ergebnisse wurden anschließend mit den deutschen und europäischen Projektpartnern und Experten diskutiert und einer Evaluation durch die Technische Universität Berlin unterzogen. Der Prozess endete im Anschlussprojekt CIVITAS CATALIST im Jahr 2010 und war zur Zeit der Fortschreibung des StEP Verkehr noch nicht abgeschlossen. Es hat sich gezeigt, dass die Weiterentwicklung des vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) bzw. der BVG praktizierten linienbezogenen AnrufsammeltaxiSystems zu einem Haustür-Service unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht sinnvoll ist. In Deutschland gibt es rechtliche Einschränkungen durch das Personenbeförderungsgesetz, die eine Trennung von eigenwirtschaftlichem Taxi-Verkehr und bezuschusstem ÖPNV begünstigen. Eine Deregulierung wird auf Bundesebene nicht diskutiert. Das Pilotprojekt hatte auch gezeigt, dass die Zahlungsbereitschaft der ÖPNV-Kundinnen und ÖPNVKunden , die Mehrkosten eines „Haustür-Services“ durch „Komfort-Zuschläge“ oder „Klub-Gebühren“ zu finanzieren , begrenzt ist. Linienbezogene AST-Bedienung wird aber in peripheren Räumen insbesondere im Brandenburger Umland angesichts der zu erwartenden Einbrüche der Grundfinanzierung des ÖPNV durch den Schülerverkehr eine wichtige Rolle spielen. Frage 2: Wann wird die Maßnahme „Mobilitätsdienstleistungen für die ältere Bevölkerung, Untersuchung der Möglichkeiten zur Sicherung von Mobilität und gesellschaftlicher Teilhabe im Alter, Identifikation von Zielgruppen und -gebieten; Umsetzung von Pilotprojekten“ umgesetzt? Antwort zu 2: Bei der Planung und Gestaltung des ÖPNV im Sinne der Formulierungen des StEP Verkehr ist die Gewährleistung der Mobilität der älteren Bürgerinnen und Bürger eine kontinuierliche Aufgabe. Spezielle Pilotprojekte werden in Berlin aktuell nicht verfolgt. Eine Prüfung hat ergeben, dass nur in den peripheren Räumen spezielle Mobilitätsdienstleistungen für die ältere Bevölkerung erforderlich sind, wo es kein flächendeckendes Mobilitätsangebot im öffentlichen Verkehr mit Bussen oder Bahnen mehr gibt (z.B. für Arztbesuche und Einkäufe). Während in der Peripherie von Berlin ein Mindeststandard der ÖPNV-Versorgung (20-MinutenTakt ) geboten wird, kann dieser Standard im Brandenburger Umland nicht finanziert werden. Hier laufen mit Unterstützung des VBB zahlreiche Pilotprojekte, bei denen versucht wird, ein Mindestangebot für Seniorinnen und Senioren mit Bürgerbussen unter Nutzung des ehrenamtlichen Engagements von Bürgerinnen und Bürgern zu realisieren, u.a. in Brieselang, Lieberose, im Hohen Fläming und in Gransee. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 775 2 Berlin verfolgt das Ziel, das vorhandene umfangreiche ÖPNV-Angebot altersgerechter zu gestalten (z.B. durch Ausstattung der Bahnhöfe mit Aufzügen, Neubeschaffungen von barrierefreien Straßenbahnen und Bussen und durch attraktive Tarifangebote (z.B. das attraktive Seniorenticket „VBB-Abo 65+“)). Auch in der ÖPNVAngebotsplanung finden die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren ständig Berücksichtigung, z.B. bei der Anbindung von Seniorenzentren und Krankenhäusern. Jüngste Beispiele sind die Buslinien vom S-Bahnhof Grünau zum Krankenhaus Hedwigshöhe sowie die verbesserte Busanbindung des Vivantes Humboldt Klinikum in Wittenau. Eine umfangreiche Auflistung von wichtigen geplanten Maßnahmen findet sich auch im Kapitel 5 „ Verkehr und Mobilität im Alter“, der von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales herausgegebenen „Leitlinien der Berliner Seniorenpolitik“. Frage 3: Wie weit ist der Senat bei der Erarbeitung des Masterplan Verkehrstelematik? Antwort zu 3: Es wurden bereits Experten-Workshops zwischen der Abteilung Verkehr der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und der Verkehrslenkung Berlin (VLB) zur Weiterentwicklung der Verkehrstelematik für ein Mobilitäts- und Verkehrsmanagement 2030 in der Region Berlin durchgeführt. In diesen ExpertenWorkshops wurden in einem ersten Schritt Inhalte und Vorgehensweise des Masterplans mit Fachleuten aus Deutschland und dem europäischen Ausland diskutiert und konkretisiert. Die Ergebnisse des Workshops sind darüber hinaus auch bereits in die Ausschreibung zur „Verkehrsinformationszentrale Berlin“ eingeflossen. Zurzeit wird die Ausschreibung zur Ausarbeitung des Masterplan Verkehrstelematik vorbereitet. Mit einer Umsetzung wird für die Jahre 2016/2017 gerechnet. Frage 4: Welche Aktivitäten hat der Senat zum Aufbau eines stadtregionalen Wirtschaftsverkehrsinformationssystems unternommen? Antwort zu 4: Über die Verkehrsinformationszentrale Berlin (VIZ) werden verkehrsrelevante Informationen aufbereitet, Meldungen zu Baustellen und weiteren Ereignissen auf den Straßen recherchiert und bereitgestellt. Die Verkehrslagekarte der VIZ bildet mit einer zeitlichen Verzögerung von nur fünf Minuten den aktuellen Verkehr auf den gesamten Berliner Hauptverkehrsstraßen ab. Die Verkehrslagekarte wird, wie alle Angebote der Verkehrsinformationszentrale , kostenlos zur Verfügung gestellt. Damit werden umfänglich wirtschaftsverkehrsrelevante Daten über die VIZ bereitgestellt (u.a. für konkrete Touren - oder Routenplanung). Die Abstimmung über mögliche weitere Module für den Wirtschaftsverkehr läuft. Frage 5: Wann legt der Senat ein neues oder überarbeitetes Wirtschaftsverkehrskonzept vor? Antwort zu 5: Die Überarbeitung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzepts für Berlin (IWVK) bedarf einer ganzer Reihe von inhaltlichen Vorarbeiten, welche zum Teil bereits abgeschlossen oder angelaufen sind. Eine Zeitplanung für die Strukturierung mit zeitnaher Fertigstellung wird angestrebt, ein konkreter Zeitpunkt zur Vorlage kann derzeit allerdings nicht benannt werden. Frage 6: Wann legt der Senat das im StEP Verkehr angekündigte Reisebuskonzept für die Berliner Innenstadt vor, das über den Bereich der Museumsinsel hinausgehend , Lösungen für den gesamten Innenstadtraum darstellt ? Antwort zu 6: Die Zunahme des Reisebusverkehrs an touristisch stark frequentierten Orten führt zu temporären Überlastungserscheinungen. Ziel ist es daher, eine Lösung für eine intelligente Leitung der Reisebusverkehre zu finden, die Qualität im öffentlichen Raum zu verbessern und unnötige Durchgangs - oder Parksuchverkehre zu verhindern. Modellhaft soll zunächst im Bereich der Museumsinsel ein Reisebusmanagementsystem installiert werden, welches den Verkehr entlastet und für die Besucherinnen und Besucher/Touristinnen und Touristen eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität in diesem Bereich darstellt. Darüber hinaus werden bereits auch schon für andere hochfrequentierte Standorte erste Analysen erstellt und Konzepte ausgearbeitet. Frage 7: Inwieweit und durch welche konkreten Maßnahmen ist das Vorhaben „Verstärkte Berücksichtigung der Belange des Umweltverbundes gegenüber dem MIV bei der Konzeption bzw. Überarbeitung der Schaltpläne für LSA“ umgesetzt worden? Antwort zu 7: Die Belange des Umweltverbundes, also des Fuß- und Radverkehrs sowie des ÖPNV, werden bereits umfangreich bei den Steuerungen der Lichtsignalanlagen (LSA) berücksichtigt. So werden LSA-Neu- oder Ersatzbauten mit einer Priorisierung für die ÖV 1 - Fahrzeuge ausgestattet, soweit dort entsprechender ÖVVerkehr stattfindet. Darüber hinaus werden LSA im Rahmen eines ÖPNV-Beschleunigungsprogrammes zusätzlich umgebaut, um eine Priorisierung zu installieren. So konnten bereits nahezu alle LSA mit Straßenbahnverkehr und über die Hälfte der LSA mit Busverkehr mit einer ÖV-Priorisierung versehen werden. Im Zuge der Diskussionen zur Fußverkehrsstrategie wurde unter anderem auch die Fußgängersignalisierung in Berlin untersucht. Es wurde dabei festgestellt, dass Berlin die Vorgaben der einschlägigen in Berlin gültigen Richtlinien umsetzt, bzw. in einigen Punkten bereits höhere Anforderungen stellt. 1 Öffentlicher Verkehr Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 775 3 Für den Radverkehr erfolgen die Anpassungen an LSA in der Regel im Rahmen veränderter Radverkehrsführungen , u.a. auch im Kreuzungsbereich. Hierbei müssen die LSA-Schaltungen insbesondere auch in der Folge der Aufhebung von Radwegbenutzungspflichten angepasst werden, wenn für den Radverkehr sowohl das Queren von einem Radweg aus als auch das Fahren direkt auf der Fahrbahn verkehrssicher gestaltet werden muss. Ferner wurde auf einem kurzen Teilstück einer Fahrradroute erfolgreich eine "Grüne Welle" für den Radverkehr eingerichtet . Eine in Abstimmung mit dem Senat durchgeführte Studie zur potentiellen Eignung weiterer ausgewählter Abschnitte im Straßennetz für eine „grüne Welle“ für den Radverkehr steht kurz vor dem Abschluss. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung der Belange des Umweltverbundes auch untereinander einer Abwägung bei der Signalisierung bedarf. So kann beispielsweise der Wunsch eines ÖVFahrzeugs nach Freigabe dem Wunsch des Fußverkehrs nach kompletter Querung während einer Grünphase über eine Mittelinsel hinweg entgegenstehen. Jede LSASchaltung ist somit eine Einzelfallentscheidung mit Abwägung der Belange aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Berlin, den 25. August 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Aug. 2015)