Drucksache 17 / 16 785 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 14. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. August 2015) und Antwort Humanitäre Krisensituation in Berlin - menschenunwürdige Zustände für Geflüchtete vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (I) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Die BürgerInneninitiative "Moabit hilft!" organisiert und koordiniert die Hilfsaktionen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat seit dem 6. August 2015 wann ergriffen, um der humanitären Krisensituation am LAGeSO zu begegnen? (Bitte eine detaillierte Einzelauflistung der einzelnen Maßnahmen und Datum.) 2. Welche Bitten auf Unterstützung bzw. welche Anregungen hat die BürgerInneninitiative "Moabit hilft!" an das LAGeSo gestellt? 3. Hat der Amtsleiter Franz Allert der BürgerInneninitiative "Moabit hilft!" Gesprächsangebote unterbreitet und haben Gespräche stattgefunden? a) Wenn ja, wann? b) Wenn ja, welchen Inhalts waren die Gespräche und was ist vereinbart wurden? 4. Wie begründet der Senat die Tatsache, dass allein die Freiwilligen von "Moabit hilft!" die Verpflegung und Versorgung der Geflüchteten übernehmen? 5. Wurde auf den gestiegenen Bedarf an Müllbehältern und Straßenreinigung reagiert? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? 6. Wie beurteilt der Senat, dass die Reinigung des Vorplatzes ausschließlich durch Freiwillige und Geflüchtete stattfindet? 7. Weshalb hat der Senat nicht das Technische Hilfswerk für die Koordination der Hilfsaktionen und die Versorgung der Geflüchteten eingesetzt? 8. Wie viele Asylbegehrende sprechen seit August täglich in der ZAA vor? Wie viele davon sind besonders schutzbedürftige Personen? 9. Ab welcher Uhrzeit bilden sich erste Warteschlangen von Antragstellenden vor der ZAA? 10. Wie viele Stunden müssen Antragstellende auf ihre Registrierung an der Zentralen Aufnahmestelle für Asylsuchende (ZAA) warten? 11. Wie viele MitarbeiterInnen sind auf dem Vorplatz der ZAA unterwegs, um besonders schutzbedürftige Personen oder Personen mit medizinischen Problemen zu identifizieren? 12. Wie viele SprachmittlerInnen sind täglich auf dem Gelände des LAGeSo für die Kommunikation mit den Asylbegehrenden eingesetzt und wo werden diese jeweils eingesetzt? Welche Sprachen decken die SprachmittlerInnen ab? (Bitte in Vollzeitäquivalenten angeben.) 13. Wie viele DolmetscherInnen sind täglich zur Kommunikation zwischen SachbearbeiterInnen und Antragstellenden eingesetzt? Welche Sprachen decken die DolmetscherInnen ab? (Bitte in Vollzeitäquivalenten angeben.) 14. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, wenn Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der ZAA vorsprechen ? Wie stellt der Senat sicher, dass die jungen Flüchtlinge noch am gleichen Tag der Vorsprache untergebracht werden? 15. Wie viel medizinisches Personal, welcher Fachrichtungen ist für die Wartenden vor Ort? 16. Wie viele der zuvor genannten Personen sind direkt vom LAGeSo angefordert worden und wie viele sind über "Moabit hilft!" bzw. aufgrund eines selbstständigen freiwilligen Einsatzes vor Ort? 17. Wie viele Hebammen sind vor Ort eingesetzt, um die notwendige Versorgung von Schwangeren und Frauen , die vor kurzem entbunden haben, sicher zu stellen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 785 2 18. Welche konkreten Maßnahmen wir das LAGeSo, wann ergreifen, um die medizinische Versorgung der Wartenden durch Mediziner*innen und Hebammen in Zukunft sicher zu stellen? 19. Wie viele Toiletten sind für die Wartenden an der ZAA vorhanden? a) Hält der Senat die Anzahl der Toiletten auf dem Gelände für angemessen? b) Wie oft werden die Toiletten gereinigt? 20. Wie wird sichergestellt, dass Personen, die vergeblich versucht haben vorzusprechen und nicht in einer Notunterkunft oder einem Hostel untergekommen sind, nicht in die Obdachlosigkeit entlassen werden? 21. Durch welche konkreten Maßnahmen wird sichergestellt , dass Familien mit kleinen Kindern und weitere besonders schutzbedürftige Personen, die nach 19:30 Uhr am LAGeSo ankommen, die Nacht nicht auf dem Fußboden vor dem LaGeSo verbringen müssen? 22. Gibt es eine Notbereitschaft, die nach der Schließung der ZAA dafür sorgt, dass spät ankommende Flüchtlinge versorgt werden? Wenn nein, warum nicht? 23. Wie viele Überstunden leisten die MitarbeiterInnen der ZAA und ZLA derzeit durchschnittlich? 24. Wie hoch ist der aktuelle Krankenstand bei den MitarbeiterInnen der ZAA und ZLA? Zu 1. - 24.: Berlin hat allein im ersten Halbjahr dieses Jahres 11.500 Asylbegehrende aufgenommen. Dies entspricht nahezu der Anzahl aller aufgenommen Personen des Vorjahres. Im Juli 2015 sind insgesamt 4.106 Personen aufgenommen worden, was eine erneute, unerwartet hohe Steigerung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat darstellt, in dem insgesamt 1.047 Personen aufgenommen wurden. Für den Monat August 2015 muss von einem weiteren Anstieg der Zugangszahlen ausgegangen werden. Im Monat August kommen täglich zwischen 1.000 und 1.800 Personen in die Zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAA). Hierunter sind sowohl Menschen , die erstmalig vorsprechen und für die die Verteilentscheidung einzuholen ist, als auch Personen, die einen Termin erhalten haben. Bis zum 24.08.2015 sind in diesem August insgesamt 4.008 Personen Berlin zugewiesen worden. Unter dem Eindruck dieses sehr hohen Zugangs an Asylsuchenden und der schwierigen Situation auf dem Gelände in der Turmstraße 21 hat der Senat am 11. August 2015 die Einrichtung eines landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement beschlossen, der das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bei der Erstaufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden unterstützen wird. Der Koordinierungsstab hat seine Tätigkeit umgehend aufgenommen und bereits kurzfristig neue Unterbringungsmöglichkeiten erschlossen, um zur Entlastung beizutragen und die als Notunterkünfte dienen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. In den Unterkünften sollen mobile Teams des LAGeSo die Daten aufnehmen. Ziel ist es, möglichst bald zu einem geregelten Verfahren zurückzukehren, das auch die Normalisierung der Situation in der Turmstraße bewirken wird. Mit dem Einsetzen der Hitzewelle wurden Maßnahmen zur Wasserversorgung auf dem Gelände geschaffen. Dies geschah zunächst durch provisorisch angelegte Wasserhähne , später durch einen Trinkwasserbrunnen. Zudem wurde ein Campusmanagement unter Beteiligung der verschiedenen Akteure (Bezirk, ehrenamtliche Helfer, Caritas, Johanniter, Berliner Immobilienmanagement (BIM), Firma Gegenbauer u. a.) gegründet, das sich beispielsweise mit der Hygiene, Müllentsorgung oder der Toilettensituation befasst. Die Firma Gegenbauer wurde mit der Aufstellung weiterer Müllcontainer und der Erhöhung des Abholturnus beauftragt. Die Firma Gegenbauer ist auch mit der Reinigung des Geländes, der Toiletten und des Sanitärcontainers betraut und hat mit eigenen Beschäftigten den Reinigungsturnus spürbar erhöht. Zu allen das Campusmanagement betreffenden Themen haben verschiedene Gespräche stattgefunden. Seit der 33. Kalenderwoche gibt es einen ständigen Kontakt zwischen „Moabit hilft!“ und mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LAGeSo, woran auch Herr Allert beteiligt ist. Die Initiative „Moabit hilft!“ hat auf Anfrage Räume, Regale und Tische erhalten. Nach einer Hygieneuntersuchung wurde Gazematerial für die Fenster beschafft. Für einen Cateringwagen wurden die erforderlichen Anschlüsse vorgenommen. Die Wartenden haben Zugang zu zwei Toilettenwagen , vier Dixikabinen im Außenbereich sowie BesucherWCs in den Publikumsetagen des LAGeSo und in den weiteren Gebäuden des Gesundheits- und Sozialzentrums Moabit (GZSM), das sich ebenfalls auf dem Gelände befindet. Am 20.8.2015 wurde das aus zwei Räumen, Sanitärbereichen für Damen und Herren mit jeweils mehreren Toiletten und Waschbecken und zwei angrenzenden, garagenartigen Lagerräumen bestehende Haus C (Remise) von der Caritas mit Unterstützung von „Moabit hilft!“ als Rückzugsraum für Schwangere, stillende Mütter, ältere Menschen sowie erkennbar traumatisierte oder behinderte Personen in Betrieb genommen. Für die Akut- und Notfallversorgung steht seit dem 21. August 2015 ein Rettungswagen der Johanniter auf dem Parkplatz des Hauses A, der mit einer Ärztin bzw. einem Arzt und zwei Sanitäterinnen bzw. Sanitätern besetzt ist. Direkt daneben ist seit dem 22. August 2015 ein Sanitätszelt mit mehreren Feldliegen aufgebaut. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 785 3 Vom Campusmanagement koordiniert gibt es ferner eine vom Bezirk angebotene Unterstützung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst, Hebammen, Kiezmütter und Integrationslotsen. In allen Bereichen des Hauses werden Sprachmittlerinnen und Sprachmittler eingesetzt. Bei Problemen auf dem Gelände können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Aufnahme- und Weisungsstelle, die die Nummernausgabe vornehmen, angesprochen werden. Bei sprachlichen Problemen werden Sprachmittlerinnen und Sprachmittler hinzugezogen und ggf. der Sozialdienst informiert. Die nachfolgend aufgeführten Sprachen und Sprachmittlerinnen und Sprachmittler stehen täglich im LAGeSo in verschiedenen Bereichen - sowohl auf dem Gelände Turmstraße als auch in mobilen Teams) für die Asylsuchenden und die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter zur Verfügung. Sprache Anzahl der täglich eingesetzten Sprachmittlerinnen und Sprachmittler Arabisch / kurdisch derzeit ca. 30 Farsi/dari/pashtu derzeit ca. 6 Russisch derzeit ca. 6 Serbokroatisch derzeit ca. 6 - 10 Albanisch derzeit ca. 6 - 10 Vietnamesisch derzeit ca. 5 Urdu/hindi/punjabi derzeit ca. 6 Somali derzeit ca. 2 Tigrinya derzeit ca. 2 Türkisch derzeit ca. 2 - 3 Berlin, den 31. August 2015 In Vertretung Dirk Gerstle _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Sep. 2015)