Drucksache 17 / 16 807 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 18. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. August 2015) und Antwort Linksautonome Szene – „Lange Woche der Rigaer Straße“ (06.07.-12.07.2015) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche linksautonomen Gruppierungen haben zur „Langen Woche der Rigaer Straße“ aufgerufen? Zu 1.: Aufgerufen haben die im sogenannten „Nordkiez “ bestehenden „Hausprojekte“ aus der Umgebung der Rigaer Straße. Hierzu zählen der Infoladen „Daneben“ (Liebigstr. 34), „Liebig 14“, „Liebig 34“, „Rigaer 78“, „Abstand“, „Rigaer 94“, „Kadterschmiede“, „Sama 32“, „XB-Liebig“, „Fischladen“ (Rigaer Str. 83), „V 36“ (Voigtstr. 36) und die Wagenburg „Convoi“ (Rigaer Str. 6/7). 2. Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren bei der gesamten Aktionswoche? Zu 2.: Bei Aktionen und Straftaten rund um den so genannten Dorfplatz (Rigaer Straße/Liebigstraße) nahmen an den Tagen jeweils bis zu etwa 250 Personen teil. Anlässlich der Demonstration „Bullenterror und Verdrängungen “ am 10. Juli 2015 im Zusammenhang mit der „Langen Woche der Rigaer Straße“ nahmen bis zu 600 Personen teil. Bei den aufgeführten Zahlen handelt es sich um Einschätzungen der jeweiligen polizeilichen Einsatzkräfte . 3. Gab es Interessenten aus anderen EU-Staaten an der Aktionswoche? Zu 3.: Es wurde im Verlauf der Aktionswoche ein Tatverdächtiger mit spanischer Staatsangehörigkeit festgestellt . Über eine Mobilisierung in anderen Staaten der Europäischen Union liegen keine Erkenntnisse vor. 4. Wo genau wurde für diese „Aktionswoche“ geworben ? Zu 4.: Für die „Aktionswoche“ wurde im Internet sowie mit Plakaten im Stadtgebiet geworben. Die zentrale Mobilisierung fand auf der Internetseite „gettogether .noblogs.org“ statt. Weiterhin wurde die „Aktionswoche “ im Internetkalender der „linken“ Szene - „stressfaktor“- sowie auf der Homepage des Hausprojektes der „Rigaer94“ publiziert. Auch auf verschiedenen weiteren einschlägigen Internetseiten wie „linksunten .indymedia.org“ wurde für die „Lange Woche der Rigaer Straße“ mobilisiert und die Seite „25 Jahre Selbstorganisation & Widerstand - Die lange Woche der Rigaer Straße“ war dort verknüpft. 5. Gab es Auflagen seitens des zuständigen Bezirkes bzw. der Berliner Polizei für diese Aktionswoche? Zu 5.: Die Versammlungsbehörde hatte für die Demonstration „Gegen Bullenterror und Verdrängung“ am 10. Juli 2015 eine Auflage bezüglich der Art und Weise einer Nutzung von Transparenten erlassen. Weitere Auflagen, auch des Bezirksamtes Friedrichshain -Kreuzberg, sind nicht bekannt. 6. Wie viele Polizeikräfte (Hundertschaften, Zivilkräfte ) waren insgesamt vom 06.07.-12.07.2015 vor Ort bzw. wurden eingesetzt? (Auflistung nach Wochentagen erbeten). Zu 6.: Eine verlässliche statistische Erfassung der Anzahl eingesetzter Polizeikräfte getrennt nach Hundertschaften und Zivilkräften erfolgte nicht. Die geleisteten Einsatzkräftestunden wurden erfasst: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 807 2 Einsatzkräftestunden 06.07.2015 520,8 07.07.2015 385,3 08.07.2015 1.925,16 09.07.2015 1.402,14 10.07.2015 3.575,4 11.07.2015 3.630,55 12.07.2015 1.358 GESAMT 12.797,35 7. Wann und wie oft wurde ein Hubschrauber eingesetzt ? Wie hoch sind hierzu die Kosten? Zu 7.: Es kam im angegebenen Zeitraum zu folgenden Einsätzen im Sinne der Fragestellung: Fluganzahl 06.07.2015 0 07.07.2015 0 08.07.2015 0 09.07.2015 0 10.07.2015 1 11.07.2015 1 12.07.2015 3 GESAMT 5 Ausgaben für Polizeieinsätze sind grundsätzlich durch die im Haushaltsplan von Berlin für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt und werden deshalb nicht gesondert erhoben. 8. Wurden Straftaten vereitelt? Zu 8.: Es wurden polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr mit dem Ziel der Verhinderung von Straftaten auf Grundlage des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin (ASOG Berlin), wie zum Beispiel Identitätsfeststellung (§ 21 ASOG Berlin), Platzverweis (§ 29 ASOG Berlin) und Durchsuchung von Personen und Sachen (§ 34 und § 35 ASOG Berlin) getroffen. Entsprechenden Kommentierungen in Internetforen zufolge wurden die polizeilichen Maßnahmen offensichtlich aufmerksam beobachtet. Es liegt nahe, dass sowohl die Initiatorinnen und Initiatoren als auch potenzielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der „Aktionswoche“ die Präsenz der Polizei registriert und das eigene Verhalten darauf ausgerichtet haben. Der Umfang (Anzahl und Art) tatsächlich vereitelter Straftaten lässt sich nicht beziffern. 9. Wie viel Strafanzeigen liegen vor (Auflistung nach Deliktsarten erbeten)? Zu 9.: Bei Aktionen im Verlauf der „Aktionswoche“ wurden folgende Straftaten festgestellt: Deliktsart Anzahl Sachbeschädigungsdelikte (Kraftfahrzeuge, Feuer, Graffiti) 22 Körperverletzung/gefährliche Körperverletzung 15 Landfriedensbruch/besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs 23 Raub/schwerer Raub 1 Diebstahl 11 Brandstiftung 1 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 10 Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr 1 Gefangenenbefreiung 2 Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel 1 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 2 Gesamt 89 Zusätzlich wurden während der Demonstration am 10. Juli 2015 „Gegen Bullenterror und Verdrängung“ folgende Straftaten festgestellt: Deliktsart Anzahl Landfriedensbruch/besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs 2 Gefangenenbefreiung (Versuch) 3 Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 2 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 Beleidigung 2 Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz 1 Gesamt 11 10. In wie viel Fällen wurde Anklage erhoben? Zu 10.: Im staatsanwaltschaftlichen Aktenverwaltungssystem Mehrländer - Staatsanwaltschafts - Automation (MESTA) erfolgt keine statistische Erfassung von Verfahren speziell vor dem Hintergrund bestimmter Tatorte, so dass keine Aussage im Sinne der Fragestellung getroffen werden kann. 11. Gab es u.a. Festnahmen wegen ausstehenden Haftbefehlen ? Zu 11.: Bei der Identitätsprüfung einer Person aufgrund einer durch diese vorangegangenen Beleidigung wurde ein bestehender Haftbefehl gegen diese Person festgestellt und vollstreckt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 807 3 12. Wie viel Polizeibeamte wurden vom 06.07.- 12.07.2015 verletzt? 13. Wie viele Polizeibeamte waren anschließend dienstunfähig und mussten den Dienst abtreten? Zu 12. und 13.: Im Verlauf der Einsätze wurden insgesamt 23 Dienstkräfte der Polizei Berlin leicht verletzt. Sie konnten ihren Dienst aber fortsetzen. 14. Sind Schäden an Polizeiwagen bzw. PKW vor Ort entstanden? Zu 14.: Im Zusammenhang mit dem Einsatzanlass „Lange Woche der Rigaer Straße“ wurden insgesamt zwölf Einsatzfahrzeuge beschädigt, davon zwei mit neutraler Lackierung. 15. Wie oft wurde gegen das Versammlungsgesetz verstoßen? Welche Konsequenzen hatte dies? Zu 15.: Insgesamt wurden vier Strafanzeigen wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erstattet. Bei zwei Tatverdächtigen wurde die Identität festgestellt und gegen sie wurde eine Strafanzeige gefertigt. Zwei weitere Strafanzeigen richten sich gegen Unbekannt . 16. Gab es weitere Brandanschläge, Farbbeutelwürfe oder Schmierereien zwischen dem 06.07. bis 12.07.2015, welche der linksautonomen Szene zuzuschreiben sind? Zu 16.: In der Zeit zwischen dem 6. und 12. Juli 2015 kam es im weiteren Stadtgebiet zu sechs Sachbeschädigungen durch Farbbeutelwürfe beziehungsweise Farbschmierereien und einer Brandstiftung gegen ein Kraftfahrzeug , welche als politisch motiviert –links eingestuft wurden. Lediglich in zwei Fällen war ein Zusammenhang mit der Aktionswoche vom 6. bis 12. Juli 2015 erkennbar. 17. Welche Konsequenzen zieht die Berliner Polizei aus dem Einsatz in Bezug auf die Angriffe von Amtspersonen für das Jahr 2016? Zu 17.: Die Polizei Berlin bereitet sich fortlaufend auf verschiedene zu erwartende Szenarien vor und bewertet diese. Die Thematisierung der Mechanismen von Gewalt und die Verdeutlichung der Rolle der Polizei wird auch in Zukunft in den polizeilichen Konzepten zur Öffentlichkeits - und insbesondere Präventionsarbeit umfassende Berücksichtigung finden. Die interne Nachbereitung der „Langen Woche der Rigaer Straße“ erfolgt auch in Hinblick auf Gewalt gegen eingesetzte Polizeikräfte. Die gewonnenen Erfahrungen werden konzeptionell sowie im Rahmen der Aus- und Fortbildung und des Einsatztrainings berücksichtigt. Innerhalb der Polizei Berlin werden Einsätze grundsätzlich ausgewertet, um auch in Zukunft das Verhalten bei Angriffen auf Amtsträgerinnen und Amtsträger den jeweiligen Umständen – auch präventiv – adäquat anzupassen und zu optimieren. 18. Wie hoch sind die Gesamtkosten die durch die Aktionswoche dem Land Berlin entstanden sind? Zu 18.: Die benannten Ausgaben der Polizei Berlin sind grundsätzlich durch die im Haushaltsplan von Berlin für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt und werden deshalb nicht gesondert erhoben. Dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sind keine entstandenen Kosten –etwa durch Sachbeschädigungen- bekannt, die der hier in Rede stehenden „Aktionswoche“ zugeordnet werden können. Berlin, den 01. September 2015 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Sep. 2015)