Drucksache 17 / 16 849 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (GRÜNE) vom 20. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. August 2015) und Antwort Islamistische und salafistische Bestrebungen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Es liegen derzeit Erkenntnisse zu 100 Islamistinnen und Islamisten mit Berlinbezug vor, die in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des Islamischen Staates oder anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien aufhalten oder aufgehalten haben. Aufgrund der dynamischen Lageentwicklung vor Ort unterliegt die Gesamtzahl der gereisten Personen tagesaktuellen Veränderungen mit weiterhin steigender Tendenz. Knapp die Hälfte dieser gereisten Personen befindet sich momentan in Berlin. Zu der Mehrzahl dieser Rückkehrerinnen und Rückkehrer liegen keine belastbaren Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen vor Ort beteiligt haben. Etwa die Hälfte der Gereisten befindet sich derzeit im Ausland. Ferner liegen zu rund 12 Personen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder dem Irak verstorben sind. In diesem Zusammenhang wird auf die im Juni 2015 seitens der Abteilung II der Senatsverwaltung für Inneres und Sport veröffentlichten Lageanalyse: „Ausreisen von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Berlin nach Syrien / Irak“ hingewiesen, in der vorliegende biographische Informationen zu 60 der mittlerweile 100 ausgereisten Personen ausgewertet wurden. 1. Wie viele dem Salafismus zuzurechnenden Personen gibt es nach aktueller Einschätzung des Senates in Berlin und wie viele dieser Personen werden als „gewaltorientiert “ eingestuft? (Bitte getrennt nach Frauen und Männern aufführen) Zu 1.: Der Senat geht aktuell von 660 dem Salafismus zuzurechnenden Personen aus, von denen 340 als gewaltorientiert eingestuft sind. Etwa ein Viertel dieses Personenpotentials sind Frauen. 2. Welche Kenntnisse hat der Senat über Personen aus dem islamistischen und salafistischen Spektrum, die aus Berlin nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, um an Kampfhandlungen des IS teilzunehmen? Zu 2.: Es liegen derzeit Erkenntnisse zu 100 ausgereisten Personen vor, die in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des „Islamischen Staates“ oder anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen . Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien aufgehalten haben. 2a) Wie viele Personen sind im Jahr 2014 und 2015 ausgereist? (bitte getrennt nach Frauen und Männern aufführen) Zu 2a.: Für das Jahr 2014 liegen Erkenntnisse vor, wonach ca. 30 Prozent und für das Jahr 2015 ca. 10 Prozent des unter zweitens aufgeführten Personenpotentials ausgereist sind. Etwa ein Fünftel der ausgereisten Personen ist weiblich. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat über Personen aus dem islamistischen und salafistischen Spektrum, die aus Syrien/ dem Irak in den Jahren 2014 und 2015 nach Berlin zurückgekehrt sind? Zu 3.: Bei den zurückgekehrten Personen liegen nur zu einem geringen Teil Informationen zum genauen Zweck der Reise und zu den konkreten Aktivitäten vor Ort beziehungsweise zum möglichen Anschluss an eine bestimmte jihadistische Organisation vor. Dessen ungeachtet geht von Rückkehrern mit (para-)militärischer Ausbildung beziehungsweise mit Kampferfahrung grundsätzlich eine hohe Gefährdung aus. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 849 2 3a) Wie viele Personen sind im Jahr 2014 und 2015 aus Syrien/ dem Irak nach Berlin zurückgekehrt? (bitte getrennt nach Frauen und Männern aufführen) Zu 3a.: Knapp die Hälfte der Ausgereisten ist nach Berlin zurückgekehrt. 4. Welche Kenntnisse hat der Senat über Anwerbeund Rekrutierungsstrategien der islamistischen und salafistischen Szene sowie von zurückgekehrten Personen aus dem islamistischen und salafistischen Spektrum in Berlin? Zu 4.: Dem Senat sind konkrete Anwerbungs- und Rekrutierungsstrategien der islamistischen und salafistischen Szene sowie von zurückgekehrten Personen aus dem islamistischen und salafistischen Spektrum für Berlin nicht bekannt. 4a) Welche Kenntnisse hat der Senat über Anwerbeund Rekrutierungsversuche der islamistischen und salafistischen Szene sowie von zurückgekehrten Personen aus dem islamistischen und salafistischen Spektrum in Berlin? (bitte Auflisten) 4b) Welche Kenntnisse hat der Senat über Anwerbeund Rekrutierungsversuche in Moscheen, Schulen, Flüchtlingsunterkünften, Gefängnissen und Sportvereinen / Sportstätten? (Bitte die Vorfälle einzeln nach Ort/ Einrichtung und Datum auflisten) 4c) Sind dem Senat weitere Einrichtungen oder Orte im öffentlichen Raum bekannt, in denen Anwerbe- und Rekrutierungsversuche unternommen wurden/werden? Wenn ja welche? (Bitte die Vorfälle einzeln nach Ort/ Einrichtung und Datum auflisten) Zu 4a-c.: Dem Senat sind Einzelfälle nicht koordinierter Rekrutierungsversuche bekannt. Die gewünschte Auflistung der bekannten Einzelfälle kann im Rahmen der Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage, die zur Veröffentlichung bestimmt ist, nicht erteilt werden, weil dadurch geheimschutzbedürftige Informationen zu Arbeitsmethoden und dem Vorgehen des Verfassungsschutzes bekannt würden und die Wirksamkeit nachrichtendienstlicher Aufgabenerfüllung gefährdet wäre. Die Antwort des Senats muss insoweit als Verschlusssache des Grades „VS – Geheim“ nach § 5 Absatz 1 der Verschlusssachenanweisung für die Behörden des Landes Berlin eingestuft werden und kann auf Wunsch in einer Sitzung des Ausschusses für Verfassungsschutz, dem die Fragestellerin angehört, in geheimer Sitzung erteilt werden.“ 4d) Wie beurteilt der Senat den Erfolg dieser Anwerbe - und Rekrutierungsmaßnahmen? Zu 4d.: Die hohe Zahl an Ausreisefällen betrachtet der Senat mit großer Sorge, auch wenn eine Kausalität zwischen den in Rede stehenden Anwerbe- und Rekrutierungsversuchen und den tatsächlich erfolgten Ausreisen von Einzelpersonen nicht belegt werden kann. 5. Welche Maßnahmen ergreift der Senat um Anwerbe - und Rekrutierungsmaßnahmen in privaten und öffentlichen Einrichtungen sowie im öffentlichen Raum zu verhindern? Zu 5.: Der Senat ergreift alle rechtlichen Möglichkeiten , um Anwerbe- und Rekrutierungsmaßnahmen in privaten Einrichtungen sowie im öffentlichen Raum zu verhindern beziehungsweise zu unterbinden. Dazu zählt auch die Prüfung von Verbotsmaßnahmen. Darüber hinaus sind präventive Maßnahmen in diesem Bereich für den Senat von zentraler Bedeutung. So wird im Rahmen des Berliner Landesprogramms Radikalisierungsprävention unter anderem der Ansatz zur Prävention und Deradikalisierung von potenziell Ausreisewilligen beziehungsweise von Rückkehrern umgesetzt. Vergleiche hierzu auch Drucksache 17/16624 zum „Landesprogramm für Prävention und Deradikalisierung im Bereich Islamismus“. Berlin, den 09. September 2015 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Sep. 2015)