Drucksache 17 / 16 874 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 25. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. August 2015) und Antwort Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Berlin (II) – Unterbringung und Betreuung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Erstaufnahme- und Clearingstellen (EACs), die eine Inobhutnahme für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach § 42 SGB VIII durchführen, stehen derzeit in Berlin zur Verfügung? 2. Welche Plätze in welchen Außenstellen nutzen diese EACs ggf. zusätzlich? 3. Wie hoch ist die aktuelle tatsächliche Belegung? (Bitte auflisten nach Träger, Kapazität/Belegung, Bezirk und Stadtteil) 17. Welche Vorgaben gibt es an die EACs für den Fall, dass alle Plätze belegt sind und dort Selbstmelder /unbegleitete Minderjährige vorsprechen und um Aufnahme bitten? (tagsüber, nach Mitternacht) Wie und wo erfolgt die Unterbringung in dem Fall? Zu 1. - 3. und 17.: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) werden rund um die Uhr im Auftrag des Landes Berlin zentral in der Erstaufnahme- und Clearingstelle (EAC) des Jugendhilfeträgers FSD-Stiftung (Stiftung zur Förderung sozialer Dienste) aufgenommen. Jede Aufnahme ist mit einer Erstversorgung verbunden. Übersteigt die Zahl der täglich dort Ankommenden die Aufnahmekapazität , werden sie von dort in eine von der im Auftrag der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung kurzfristig bereitgestellte Übernachtungseinrichtungen und Beherbergungsbetriebe vermittelt. Auch dort ist eine ambulante sozialpädagogische Betreuung gesichert. Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, Mädchen, Schwangere und junge Mütter in der EAC werden nicht an andere Standorte weitergeleitet. 4. In welchen Wohneinrichtungen und Beherbergungsbetrieben (reguläre Unterkünfte und Notunterkünfte ) außer den beiden von der FSD Stiftung betriebenen EACs in Steglitz und in Kreuzberg (Außenstelle) sowie der von Evin e.V. betrieben EAC in Reinickendorf werden derzeit in Berlin neu ankommende unbegleitete minderjährige Flüchtlinge noch untergebracht? (Bitte auflisten nach Träger/Betreiber, Kapazität/Belegung , Bezirk und Stadtteil) 5. Welche dieser Einrichtungen werden als Erstaufnahme - und Clearingstelle genutzt? / In welchen dieser Einrichtungen erfolgt eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII? 6. Welche dieser Einrichtungen werden nur vorübergehend genutzt und für welche ist ein Betrieb/eine Nutzung von mind. einem Jahr Laufzeit mit entsprechender vertraglicher Regelung vorgesehen? (Notunterkunft vs. Regelunterkunft) 7. Wie viele unbegleitete Minderjährige sind gegenwärtig in Einrichtungen untergebracht, die ohne Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII betrieben werden? (Bitte auflisten nach, Einrichtung, Träger/Betreiber, aktueller Belegungszahl, Bezirk und Stadtteil) 8. Welcher (Träger, Personalkapazität) leistet bei den unter 7 genannten Einrichtungen jeweils - ggf. extern - die soziale Betreuung im Rahmen der Jugendhilfe? (Bitte auflisten nach Einrichtung, Qualifikation und Vollzeitäquivalenten , Bezirk und Stadtteil) 9. Mit welchen gewerblichen Beherbergungsbetrieben sind derzeit feste Kontingente zur Unterbringung von UMF vereinbart? (Nennung der Betriebe und Kontingenthöhe ) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 874 2 10. Ist es zutreffend, dass SenBJW in folgenden Beherbergungsbetrieben UMF unterbringt? Wie viele UMF werden in diesen Hostels/Hotels untergebracht? A. H. M. H. P. H. B. H. D. J. G. H. 11. In welchen weiteren Beherbergungsbetrieben werden von der Senatsjugendverwaltung, der FSD-Stiftung oder den bezirklichen Jugendämtern derzeit UMF untergebracht ? (Wer/welche Behörde/Stelle weist die UMF dort ein/zu? Findet zuvor ein Aufnahmegespräch statt? Ab welchem Alter werden UMF auch in Hostels usw. untergebracht? Werden auch Mädchen in Hostels untergebracht ?) 12. Sind in den Beherbergungsbetrieben mit und ohne feste Kontingente neben den UMF auch andere Gäste untergebracht? Wie lange verbleiben die Jugendlichen im Durchschnitt in den Beherbergungsbetrieben? 13. Wie wird sichergestellt, dass die UMF in diesen Unterkünften jugendhilfegerecht und kindeswohlsichernd untergebracht und betreut werden? a) Durch welche Träger erfolgt die Betreuung? b) In welchem Umfang wird die Betreuung sichergestellt (Personalschlüssel, Betreuungszeiten, Dolmetscher, Qualifikation des Personals)? 14. Haben die unter 13 genannten Träger der Jugendhilfe , die mit der Betreuung von UMF in Hostels beauftragt sind, Erfahrung in der Arbeit mit UMF, Traumatisierte Jugendlichen und Grundlagenwissen im Aufenthaltsrecht ? Wenn nein, warum nicht 15. Nach Auskunft des Senats in der Drs. 17/16 555 (Antwort 2-5) findet zur Sicherstellung der Erstaufnahme und jugendhilfegerechten Betreuung von UMF eine Kooperation mit dem DRK, den Berliner Johannitern und Maltesern, dem Deutschen Jugendherbergswerk und sozialpädagogischen Netzwerken statt. a) Worin genau besteht die Kooperation im Einzelnen mit den jeweiligen Trägern? (Unterbringung, Altersfestsetzung , Clearingverfahren, sozialpädagogische Betreuung , ...?) b) Mit welchen „sozialpädagogischen Netzwerken“ besteht eine Kooperation? c) Wurden für die unter a) genannten Aufgaben Verträge zwischen der Senatsverwaltung und den jeweiligen Trägern und Netzwerken geschlossen? Mit welcher Laufzeit ? d) An welchen Standorten sind die jeweiligen Träger jeweils im Rahmen der Kooperation zur Erstaufnahme und Betreuung der UMF tätig? e) Wie engmaschig ist die in der Drs. 17/16 555 Antwort auf Frage 2-5 dargelegte jugendhilfegerechte Betreuung in Kooperation mit dem DRK, Berliner Johannitern , Maltesern usw.? 16. Ist eine 24-stündige Betreuung durch pädagogisches Fachpersonal sichergestellt? Ist auch eine psychologische Betreuung gewährleistet? Stehen Dolmetscher *innen zur Verfügung? Falls nein, ist geplant dies zu ändern? 18. Kann die Senatsverwaltung ausschließen, dass die Minderjährigen dann * zur Bahnhofsmission, * in die EAE für Erwachsene in der Motardstraße, * in die EAE für Erwachsene im Waldschuchtpfad oder auch * in die Notübernachtung Franklinstraße geschickt werden bzw. in den letzten Monaten dorthin geschickt wurden? 19. Hält der Senat die Unterbringung von UMF in Notunterkünften wie der Bahnhofsmission, der Franklinstraße oder der Motardstraße oder einer anderen EAE für Erwachsene für jugendhilfegerecht und kindeswohlsichernd ? Inwiefern ist dies mit dem Kindeswohl und den gesetzlichen Anforderungen an die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII vereinbar? Zu 4.-16., 18. und 19.: Mit der Aufnahme und Registratur in der EAC ist die vorläufige Inobhutnahme nach § 42 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII erfolgt. In Kooperation mit den Berliner Johannitern und dem Deutschen Roten Kreuz werden zurzeit drei temporäre Übernachtungseinrichtungen für junge unbegleitete Flüchtlinge betrieben. Zusätzlich konnte in Beherbergungsbetrieben im Rahmen der jeweils belegbaren Kapazitäten eine vorübergehende Versorgung mit ambulanter sozialpädagogischer Betreuung im Schichtbetrieb durch ein Netzwerk ambulanter sozialpädagogischer Träger - Kooperation UMF - nach den mit der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung vereinbarten Betreuungsinhalten und Leistungsumfängen sichergestellt werden. Die Dauer des Aufenthalts der jungen Flüchtlinge dort soll so kurz wie möglich gehalten werden. Derzeit werden über 400 junge Flüchtlinge in den vorrübergehenden Übernachtungseinrichtungen versorgt und betreut. Aufgrund der ausgelasteten Platzkapazitäten im regulären Clearingverfahren kann jedoch auch nach Bestätigung der Inobhutnahme in der EAC, in dem sie von Fachkräften der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung dokumentiert befragt werden und eine Altersschätzung erfolgt, ein Verbleib in der temporären Übernachtungseinrichtung nicht immer vermieden werden. 20. Ist es zutreffend, dass Jugendliche, die Verwandte in Berlin haben, angehalten werden bei diesen zu wohnen bis die Inobhutnahme erfolgt bzw. in der EAC ein Platz frei wird? Wenn ja, in welcher Form wird das Verwandtschaftsverhältnis überprüft? Sind Vollmachten von Eltern oder Sorgeberechtigten hierfür vorzulegen? Wird und wenn ja, in welcher Weise wird überprüft ob eine Unterbringung bei Verwandten dem Kindeswohl entspricht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 874 3 Zu 20.: In der EAC ankommende junge Flüchtlinge, die angeben, Verwandte in der Stadt zu haben bzw. eine entsprechende Erklärung ihrer Eltern vorlegen, werden nach Prüfung ihrer Angaben und Kontaktaufnahme zu den Familienangehörigen bis zu ihrem Termin in der EAC bei diesen untergebracht, sofern dem nicht Hinderungsgründe entgegenstehen. Berlin, den 09. September 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Sep. 2015)