Drucksache 17 / 16 875 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 25. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. August 2015) und Antwort Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (III) – Inobhutnahme/ Clearingverfahren und Aushilfskräfte für Altersschätzung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann und unter welchen Voraussetzungen gelten minderjährige Flüchtlinge als „unbegleitet“ und müssen deshalb nach § 42 SGB VIII in Obhut genommen werden ? 2. Wie viele UMF sind zum aktuellen Stand durch die SenBJW in der Inobhutnahme/Clearingverfahren in Regelunterkünften , wie viele in Notunterkünften, wie viele in Beherbergungsstätten untergebracht? 3. Gelten die in Beherbergungsbetrieben und allen Einrichtungen außerhalb der EACs untergebrachten UMF als von der Senatsverwaltung in Obhut genommen nach §42 SGB VIII? 4. Ab welchen Zeitpunkt beginnt die Inobhutnahme eines nach eigenen Angaben unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings? 5. Ist es zutreffend, dass auch nach offizieller Inobhutnahme UMF weiterhin in Beherbergungsbetrieben wohnen müssen? 6. Wie lange dauert derzeit durchschnittlich die Phase der Inobhutnahme von der ersten Meldung bei der Behörde bzw. EAC in Berlin bis zur Einleitung einer regulären Jugendhilfemaßnahme? 7. Ist es zutreffend, dass derzeit 2-5 Wochen bis zum Erstgespräch bei der SenBJW vergehen und dass vorher keine förmliche Inobhutnahme der UMF nach § 42 SGB VIII stattfindet? Zu 1. – 7.: Gemäß § 42 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, minderjährige ausländische Kinder oder Jugendliche in seine Obhut zu nehmen, wenn sie unbegleitet nach Deutschland kommen und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen. Unbegleitete junge Flüchtlinge werden rund um die Uhr im Auftrag des Landes Berlin in der Erstaufnahmeund Clearingstelle (EAC) des Jugendhilfeträgers FSDStiftung (Stiftung zur Förderung sozialer Dienste) aufgenommen . Jede Aufnahme ist mit einer Erstversorgung verbunden. Mit der Registratur in der EAC ist die vorläufige Inobhutnahme nach § 42 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII erfolgt. Die Kapazitäten im Clearing sind mit 132 Plätzen ausgelastet, sodass derzeit über 400 junge Flüchtlinge in kurzfristig bereitgestellten Übernachtungseinrichtungen ambulant versorgt und betreut werden. Die Dauer des Aufenthalts der jungen Flüchtlinge in den verschiedenen Übernachtungseinrichtungen soll so kurz wie möglich gehalten werden. Aufgrund der ausgelasteten Platzkapazitäten im regulären Clearingverfahren kann jedoch auch nach Bestätigung der Inobhutnahme in der EAC, in dem sie von Fachkräften der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung dokumentiert befragt werden und eine Altersschätzung erfolgt, ein Verbleib in einer temporären Übernachtungseinrichtung nicht immer vermieden werden. 8. Welche Maßnahmen plant der Senat um sicherzustellen dass die Gespräche zur Prüfung der Inobhutnahme zeitnah stattfinden können? Ist eine Personalaufstockung geplant? Welche Anforderungen werden an das neu einzustellende Personal gestellt? Wie erfolgt die Einarbeitung (Dauer der Einarbeitung in Arbeitstagen, Inhalt)? 9. Ist es zutreffend, dass zur Gewährung eines schnellen Termins für das Gespräch zur Prüfung der Inobhutnahme eine Personalverstärkung geplant ist und dazu Mitarbeiter*innen aus anderen Sachgebieten der SenBJW aushilfsweise für die Altersschätzungen eingesetzt werden sollen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 875 2 10. Welche Qualifikation und Erfahrungen müssen die Aushilfskräfte für diese Aufgabe mitbringen? 11. Wie wird sichergestellt, dass die Qualität der Gespräche auf dem gegenwärtigen Stand gewahrt bleibt? 12. Wie erfolgt die Einarbeitung (Dauer der Einarbeitung in Arbeitstagen, Inhalt) bevor diese Aushilfskräfte eigenständige Entscheidungen über das Vorliegen der Minderjährigkeit vornehmen können? 13. Wie viele Stellen (Vollzeitäquivalente) sind a) in der SenBJW/Fachgebiet UMF b) in den Bezirken c) bei den EACs mit der Aufgabe der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII betraut? 14. Wie viele Stellen (Vollzeitäquivalente) sind a) in der SenBJW/Fachgebiet UMF b) in den Bezirken c) bei den EACs mit der Aufgabe der Altersschätzung betraut? Zu 8. - 14.: Die Aufgaben der Bestätigung der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII und die Altersschätzung können nur von den Fachkräften der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung wahrgenommen werden. Es wird werktäglich die höchstmögliche Zahl an Gesprächen in der EAC durchgeführt. Die Einstellung von zwei zusätzlichen Dienstkräften ist erfolgt, die Besetzung weiterer sechs Stellen befindet sich in Vorbereitung. Bewerberinnen und Bewerber müssen die formalen Voraussetzungen nach dem Anforderungsprofil – staatliche anerkannte Sozialpädagogin /staatlich anerkannter Sozialpädagoge bzw. staatlich anerkannter Sozialarbeiterin/staatlich anerkannter Sozialarbeiter mit einschlägiger Berufserfahrung in der Kriseninterventionsarbeit und Erfahrungswissen in der sozialpädagogischen Arbeit mit Migrantinnen und Migranten aus unterschiedlichen Kulturen – erfüllen. Berlin, den 09. September 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Sep. 2015)