Drucksache 17 / 16 877 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ellen Haußdörfer (SPD) vom 18. August 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. August 2015) und Antwort Suizide und Suizidprävention in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gibt es eine belastbare Statistik über die Suizide und Suizidversuche von Menschen in Berlin? Zu 1.: Suizide zählen zu den sogenannten nichtnatürlichen Todesursachen, zu denen auch verletzungs- und vergiftungsbedingte Todesfälle sowie Todesfälle infolge von Mord und Totschlag zählen. Angaben zum Suizidgeschehen entstammen der jährlich zur Verfügung stehenden amtlichen Todesursachenstatistik und gelten als relativ belastbar. Es muss jedoch von einer Dunkelziffer ausgegangen werdend, da sich z. B. auch unter den Verkehrsund Drogentoten sowie bei Sterbefällen infolge von akzidentiellen Intoxikationen nicht erkannte Suizidfälle verbergen können. Ein zusätzliches Problem ist die geringe Obduktionsrate in Deutschland. Im Durchschnitt gesehen beläuft sich die Zahl der nichtnatürlichen Sterbefälle in Berlin derzeit auf 1.200 im Jahr. Das entspricht einem Anteil von etwa 3,8 % an der Gesamtmortalität. Bei mehr als jedem vierten nichtnatürlichen Todesfall (ca. 330 im Jahr) handelt es sich um einen Suizid. Angaben zu suizidalen Handlungen (Suizidversuche) ohne Todesfolge sind äußerst defizitär und nicht Bestandteil der zur Verfügung stehenden auswertbaren Statistiken . 2. Wenn ja, wie viele Suizide und Suizidversuche gab es jährlich in Berlin seit 2011? Bitte aufschlüsseln nach Altersgruppen und Geschlecht, sowie Migrationshintergrund /kein Migrationshintergrund. Zu 2.: In der Zeit von 2011 bis 2013 starben in Berlin 1.029 Personen (313 weiblichen und 716 männlichen Geschlechts) durch Selbsttötung. Das entsprach einer altersstandardisierten Suizidrate von 4,8 je 100.000 bei den Frauen und von 12,3 bei den Männern. Im Vergleich zu Deutschland insgesamt lag das Suizidrisiko der Berlinerinnen knapp über dem Bundesniveau (4,7 Suizide je 100.000). Demgegenüber hatten Berliner Männer gegenüber Männern aus dem übrigen Bundesgebiet (15,6 je 100.000) eine um über ein Fünftel darunter liegende Sterblichkeit (vgl. Tabelle 2). Insgesamt gesehen haben Männer gegenüber Frauen ein etwa dreimal so hohes Selbsttötungsrisiko. In Bezug auf die Staatsangehörigkeit waren 959 (298 Frauen, 661 Männer) der im Zeitraum 2011/2013 durch Selbsttötung gestorbenen Personen aus Berlin Deutsche. 70 Gestorbene bzw. sieben Prozent (15 weiblichen und 55 männlichen Geschlechts) waren Ausländer. Angaben zum Migrationshintergrund sind nicht Bestandteil der amtlichen Todesursachenstatistik. 3. Welche Veränderungen sind signifikant festzustellen und hat der Senat Kenntnis über die Gründe dafür? Zu 3.: Der zeitlichen Entwicklung der Suizidrate in Berlin kann entnommen werden, dass diese Schwankungen unterliegend seit Anfang der neunziger Jahre insgesamt rückläufig ist. Dies trifft in stärkerem Maße auf das männliche Geschlecht zu. Im Jahr 2013 hatten z. B. Berliner Männer mit einem Wert von 11,5 je 100.000 nach 2008 (10,2) die bis dahin niedrigste Selbstmordrate. Das traf dann auch auf unter 65-jährige (2013: 9,9, 2008 8,9 je 100.000) und über 65-jährige Männer zu (2013: 24,3, 2008: 21,2). Bei den Frauen setzte sich die bis 2009 zu beobachtende rückläufige Suizidrate nicht weiter fort. Seit 2010 hat sie sich kaum verändert. Das traf sowohl auf Frauen insgesamt als auch auf unter und über 65-jährige Berlinerinnen zu. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass unter 65-jährige Berlinerinnen in den letzten drei Jahren mit 4,3 Suiziden je 100.000 gegenüber gleichaltrigen Frauen aus dem übrigen Bundesgebiet (4,1) ein vier Prozent höheres Suizidrisiko hatten. Versus lag es bei den unter 65-jährigen Berlinerinnen mit 9,5 Suiziden je 100.000 8,4 % unter dem Bundesniveau 10,4 je 100.000) (vgl. Tabelle 3). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 877 2 4. Welche Altersgruppe weist die meisten Suizide und Suizidversuche auf? 5. Wie bewertet der Senat die einzelnen Zahlen zu Suiziden und Suizidversuchen bei a) Kindern bis 12 Jahre und Jugendlichen, b) älteren Menschen und c) Menschen mit Migrationshintergrund? Zu 4. und 5.: Das Thema Suizid ist in allen Lebensphasen und – ausgenommen im Kindesalter – in allen Altersgruppen anzutreffen. Ältere Menschen sind jedoch besonders gefährdet. Derzeit wird in Berlin jeder dritte Suizid von einer über 65-Jährigen Person begangen. So waren allein 116 bzw. 37 % der 313 Frauen, die in der Zeit von 2011 bis 2013 eine Selbsttötung verübten älter als 65 Jahre. Bei den Männern belief sich der Anteil der über 65-jährigen auf knapp 32 % (227 Suizide). Das Suizidrisiko steigt ab dem 35. Lebensjahr kontinuierlich an. Bei beiden Geschlechtern wurden die höchsten Werte bei den über 85-Jährigen beobachtet. Männer hatten ab dem 20. Lebensjahr gegenüber gleichaltrigen Frauen in allen Altersgruppen deutlich höhere liegende Suizidraten. Besonders gravierend waren die Unterschiede bei den hochaltrigen Personen. So schieden, bezogen auf 100.000 der über 85-Jährigen, in den letzten Jahren (2011/2013) fast viermal so viel Männer (35 bzw. 72 je 100.000) wie Frauen (28 bzw. 18,1 je 100.000) durch Suizid aus dem Leben. Im Kindesalter (hier 1 – 14 Jahre) sind Suizide äußerst selten. In der Zeit von 2011 bis 2013 kam es in Berlin zu keinem kindlichen Suizid. In der Zeit von 1991 bis 2010 verübten insgesamt 29 10- bis 14-jährige Kinder aus Berlin eine Selbsttötung. Hinsichtlich des Jugendalters wurden in Berlin von 2011 bis 2013 10 Suizide verübt, wobei sich in dieser Altersgruppe Mädchen (8 Fälle bzw. 4,1 je 100.000) deutlich häufiger als Jungen (2 bzw. 1,0 je 100.000) umbrachten. In Berlin lebende Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit hatten in den letzten Jahren gegenüber der deutschen Population in nahezu allen Altersgruppen ein niedriger liegendes Suizidrisiko. Bei den über 80-Jährigen kam es zu keinem ausländischen Suizidfall. Insgesamt verübten lediglich zwei über 65-jährige ausländische Personen einen Suizid (vs. Deutsche: 341). Eine über der jeweiligen deutschen Population liegende Suizidalität wurde allerdings bei der 15- bis 19-jährigen und 35- bis 39-jährigen ausländischen Bevölkerung ermittelt. Bei Jugendlichen muss jedoch berücksichtigt werden, dass Sterbefälle in dieser Altersgruppe per se eher selten sind und eine Bewertung erschweren. Auffällig war dagegen das erhöhte Suizidrisiko bei den 35- bis 39-jährigen ausländischen Personen. In dieser Altersgruppe wurden sowohl von den Frauen (4 Suizide) als auch von den Männern (12) die zahlenmäßig meisten Selbsttötungen verübt (vgl. Tabelle 1). Bezüglich der regionalen Betrachtung des Suizidgeschehens auf Bezirksebene unterlag dieses im Zeitraum 2011/2013 erheblichen Schwankungen. Ein Kontext mit der sozialen Lage kann nur bedingt hergestellt werden. Am ehesten trifft dies noch auf die Bezirke Mitte, Friedrichshain -Kreuzberg und Spandau zu, wo bei beiden Geschlechtern ein zum Teil deutlich über dem Gesamtberliner Niveau liegendes Suizidrisiko beobachtet wurde. Bei den genannten Bezirken handelt es sich um Bezirke mit ungünstigen sozioökonomischen Bedingungen. Demgegenüber verzeichneten Frauen aus CharlottenburgWilmersdorf , einem Bezirk mit vergleichsweise guten Sozialindizes, mit 6,2 je 100.000 eine Suizidrate, die deutlich über dem Berliner Durchschnittswert (4,8 je 100.000) lag, und die zudem berlinweit die dritthöchste war. Frauen aus Mitte und Reinickendorf hatten mit je 6,8 je 100.000 die höchsten Werte, gefolgt von Frauen aus Lichtenberg (6,3). Demgegenüber verübten Frauen aus Steglitz-Zehlendorf und Neukölln (3,2 bzw. 3,6 Suizide je 100.000) am seltensten eine Selbsttötung. Bei den Männern wurden in Spandau, FriedrichshainKreuzberg und Marzahn-Hellersdorf (13,9, 13,7 bzw. 13,4 je 100.000) die höchsten Sterberaten ermittelt. Am niedrigsten fielen diese mit 10,6 je 100.000 bei Männern aus Charlottenburg-Wilmersdorf, gefolgt von Männern aus Pankow und Lichtenberg (11,6 bzw. 11,7 je 100.000 aus (vgl. Tabelle 2). 6. Welche möglichen Gründe für den Suizid oder Suizidversuch führen wissenschaftliche Experten für die angeführten Gruppen an und welche davon kommen am häufigsten vor? 7. Gibt es signifikante Unterschiede in den Zahlen zwischen Männern und Frauen und welche Gründe werden dafür aufgeführt? Zu 6. und 7.: Das Wissen über suizidales Verhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Die Forschung hat die Bedeutung des Zusammenspiels von biologischen, psychologischen, sozialen, umweltbedingten und kulturellen Faktoren aufgezeigt, die interagieren und zu suizidalem Verhalten führen können. Infolge der epidemiologischen Studien sind aber auch die Kenntnisse über Risiko- und Schutzfaktoren gestiegen, die in die Programme der nationalen Suizidpräventionen einfließen. Besorgnis erregend ist jedoch noch immer, dass aufgrund des Stigmas im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen (Depression) und Suizid viele Menschen sich nicht in der Lage fühlen, frühzeitige Hilfe und Unterstützung zu suchen. Die jährliche Zahl der Suizidversuche liegt schätzungsweise um ein Vielfaches höher als die vollendeten Suizide, wobei der Suizidversuch als wichtigster Risikofaktor für den Suizid zu werten ist. Jedoch existiert in diesem Bereich eine hohe Dunkelziffer, da Suizide oftmals als Unfall oder als andere Todesursache falsch klassifiziert sein können. In Ländern mit hohem Lebensstandard versterben erheblich mehr Männer an Suizid als Frauen. Untersuchungen zufolge wurden insbesondere bei Männern „harte“ Methoden häufiger angewandt. Es zeigt sich in Deutschland ein Trend, dass auch junge Menschen mehr die har- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 877 3 ten Methoden wählen, um aus dem Leben zu scheiden. Schätzungen zufolge kommen auf jeden Erwachsenen, der durch einen Suizid stirbt, mindestens 10 Personen, die einen Suizidversuch begehen. In Bezug auf das Alter sind die Suizidraten bei Männern und Frauen im Alter von 70 Jahren oder mehr in fast allen Regionen der Welt am höchsten. Die Gründe sind komplex und vielschichtig, können entweder Reaktionen auf Trennung, Tod von Angehörigen oder als Summe negativer nicht bewältigter Lebenserfahrungen (Bilanzsuizid) betrachtet werden. Insbesondere wenn diese einschneidenden Lebenserfahrungen mit psychischen Erkrankungen, Eintritt von Pflegebedürftigkeit , Armut und Einsamkeit verbunden sind. Alte Menschen sind daher besonders suizidgefährdet. Insbesondere Frauen begehen Suizid meist in einem höheren Lebensalter. Jeder zweite Suizid einer Frau in Deutschland ist z.Z. der einer Frau über 60 Jahre. Insgesamt lag die Zahl der Suizide in Deutschland in der Zeit von 2011 – 2013 (30.110) mehr als dreimal so hoch wie die der Verkehrstoten (12.086). Jeder Suizid und Suizidversuch betrifft nach Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sechs weitere Menschen und wirkt sich besonders auch auf die seelische Gesundheit der Betroffenen aus (z. B. Familie, Freunde, Arbeitskollegen). (Quellen: Suizidprävention-eine globale Herausforderung , Kurzfassung, European Alliance Against Depression , http://www.who.int/mental_health/suicide-prevention/ exe_summary_english.pdf; Stefan Rübenach, Titel der Veröffentlichung: „Todesursache Suizid“, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 10/2007, http://www.destatis.de; Nationales Suizidpräventionsprogramm für Deutschland, http://wwwsuizidpraeventiondeutschland .de/). Zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden siehe jeweilige Punkte und Tabellen (Anhang). Gründe für das höhere Suizidrisiko der Männer können anhand der Mortalitätsstatistiken an dieser Stelle nicht abgeleitet werden. 8. Welche Maßnahmen der Suizidprävention unternimmt der Senat und mit welchen Fördermittelsummen sind diese ausgestattet? Zu 8.: Im Rahmen des Integrierten Gesundheitsprogramms der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales wird die Ausbildung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Berliner Telefonseelsorge und die Kirchliche Telefonseelsorge mit insgesamt rund 134.000 € gefördert, um die Telefone rund um die Uhr mit Beraterinnen und Beratern besetzen zu können. Die Telefonseelsorgen werden häufig auch von Menschen mit suizidalen Gedanken kontaktiert und bieten im Gespräch Entlastung an; im Notfall werden sie vermittelnd zum Berliner Krisendienst oder zu den regionalen pflichtversorgenden Kliniken tätig und arbeiten eng mit der Berliner Feuerwehr zusammen. Weitere Projekte, an die sich Menschen mit suizidalen Gedanken auch wenden können, sind die ebenfalls über das Integrierte Gesundheitsprogramm geförderten Einrichtungen Lesbenberatung (rund 189.000 € unter anderen für Krisenintervention) und FrauenNachtCafé (rund 46.000 €), das Frauen vorbehalten ist. Speziell an Schülerinnen und Schüler richtet sich ein Projekt zur Suizidprävention der Telefonseelsorge „Suizid ist keine Lösung“. Bei diesem im zweiten Jahr ausgerichteten Wettbewerb können Arbeiten zum Thema Suizidprävention in Form von z. B. Geschichten, Gedichten, Fotos, Filmclips etc. eingereicht werden. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden durch eine Jury ausgewählt . Der Senator für Gesundheit und Soziales hat die Schirmherrschaft über den Wettbewerb übernommen. Im ersten Jahr beteiligten sich über 150, im laufenden Jahr über 180 Schülerinnen und Schüler (http://www.suizidist -nicht-die-loesung.de/). Eine finanzielle Förderung über die o. a. Förderungssummen hinaus gibt es nicht. Der Senat von Berlin unterstützt seit 2007 die bundesweite Woche der seelischen Gesundheit, im Jahr 2015 mit 5.000 €. Die diesjährige 9. Aktionswoche wird wieder am Welttag für seelische Gesundheit eröffnet. Das Rahmenprogramm umfasst ca. 150 – 200 Aktivitäten rund um die Thematik seelische Gesundheit und psychische Erkrankungen mit regionalen und überregionalen Informations - und Aufklärungsveranstaltungen für Betroffene, Angehörige, Fachleute, Interessierte, mit Präsentationen der bezirklichen Versorgungsangebote, themen- und fachbereichsübergreifende Diskussionsrunden, Filmvorstellungen , Lesungen, Kunstausstellungen etc. (http://www.aktionswoche.seelischegesundheit.net/berlin) . In diesem Jahr steht die Aktionswoche unter dem Motto „Prävention und Früherkennung eine gemeinsame Aufgabe“, darin einbezogen auch das Thema Suizidprävention . 9. Welche niedrigschwelligen Angebote gibt es für suizidgefährdete Menschen im Bezirk? Bitte aufführen. 10. Werden Angebote zur Suizidprävention nach Geschlecht und/oder Alter spezifiziert? 11. Welche speziellen Angebote gibt es für suizidgefährdete a) Kinder bis 12 Jahre und Jugendliche, b) ältere Menschen und c) Menschen mit Migrationshintergrund? Bitte nach Bezirk und Projekt aufschlüsseln. Zu 9. – 11.: Alle Bausteine des regionalen ambulanten , teilstationären und stationären Hilfesystems Psychiatrie im Land Berlin (niedrigschwellige Kontakt- und Beratungsstellen , Tagesstätten, Kliniken, Betreute Wohnformen , Berliner Krisendienst, Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste, Sozialpsychiatrische Dienste u. v. m.) sind für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen/Erkrankungen und auch für Menschen mit suizidalen Gedanken offen bzw. zuständig, unabhängig von Lebensalter und Herkunft. Sie bieten je nach Angebot/Institution Hilfe, Unterstützung, Beratung, Begleitung und Behandlung bei psychischen Krankheiten/Störungen an. Einen Überblick über das Angebot psychiatrischer Hilfen bietet der auch fremdsprachig vorliegende Wegweiser Psychiatrie in Berlin (http://www.berlin.de/lb/psychiatrie/). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 877 4 In den bezirklichen psychosozialen Einrichtungen werden auch suizidgefährdete Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen aufgenommen. Insgesamt gibt es in Berlin 9.417 Plätze im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII, davon 7.969 Plätze im ambulant betreuten Wohnen, 382 Plätze im stationär betreuten Wohnen und 1.066 Plätze in Tagesstätten. Für die kostenlose und wenn gewünscht auch anonyme Beratung suizidgefährdeter Kinder, Jugendlicher und Eltern (auch mit einem Migrationshintergrund) hält der Träger neuhland e. V. zwei Beratungsstellen mit angeschlossener Krisenwohnung vor (Bezirke CharlottenburgWilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg). Schwerpunkte der Hilfen sind die Beratung für Eltern und für junge Menschen, Krisenintervention mit kurzfristiger Aufnahme in die Krisenwohnung, psychotherapeutische Beratung, Prävention (insbesondere in Schulen), Fortbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Die fachliche Zusammenarbeit (Vernetzung) mit medizinisch-psychiatrischen Einrichtungen sowie Einrichtungen der Jugendhilfe ist zentraler Bestandteil des Hilfeangebotes. In den Zeiten, in denen der Träger neuhland e. V. nicht erreichbar ist, steht der besonders auf den Bedarf von Erwachsenen ausgerichtete Berliner Krisendienst auch für Kinder und Jugendliche sowie deren Angehörige zur Verfügung (http://www.berliner-krisendienst.de/). Neben diesen Angeboten stehen in Berlin therapeutische Wohngruppen mit insgesamt 163 Plätzen (Stand: 31.12.2014), die Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche gemäß § 35 a SGB VIII durchführen, zur Verfügung. Dort finden traumatisierte junge Menschen Aufnahme, u. a. werden in diesen Leistungsangeboten auch suizidgefährdete Kinder und Jugendliche betreut. Der Träger neuhland e. V. hält darüber hinaus auch einen Wohnverbund für suizidgefährdete junge Erwachsene mit 21 Plätzen vor (SGB XII). In diesem Zusammenhang ist die Initiative des Trägers Caritas Deutschland „U 25“ zu berücksichtigen. In verschiedenen Standorten in Deutschland, auch in Berlin, wurden interaktive E-Mail-Beratungsstellen für junge Menschen geschaffen. In Bezug auf die spezifische Thematik ausgebildete junge Menschen (auch Selbstbetroffene ) beantworten ehrenamtlich E-Mail-Anfragen, die sie u. a. auch von suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen erhalten. Diese in Zusammenarbeit u. a. mit dem Träger neuhland e. V. geschaffene Möglichkeit, über EMail Kontakt aufzunehmen und von Gleichaltrigen eine Mailberatung (Peer-to-Peer-Beratung) zu erhalten, ist eine niedrigschwellige Ergänzung der vorhandenen Angebote für junge Menschen in Konfliktsituationen und suizidalen Krisen. Sie ersetzt jedoch nicht professionelle Angebote bzw. Hilfen. Im Falle akuter suizidaler Gefährdung wird an fachlich qualifizierte Stellen (z. B. Berliner Krisendienst , neuhland e. V. u. a.) vermittelt. Derzeit ist geplant, dieses Projekt ab dem Jahr 2016 in das Integrierte Gesundheitsprogramm des Senates aufzunehmen. 12. Welche Angebote gibt es speziell für die Angehörigen von Suizidopfern? Bitte nach Bezirk und Projekt aufschlüsseln. Zu 12.: Alle in den Bezirken vorhandenen Angebote des psychiatrischen Hilfesystems (s. Antworten unter 9- 11) stehen Angehörigen, Familienmitgliedern, Arbeitskollegen , Freunden etc. von Menschen, die Suizid begangen haben, beratend und unterstützend zur Verfügung. Es gibt zwei bundesweite Organisationen, die auch in Berlin für diese Zielgruppen tätig sind: die Berliner Agus-Gruppe (www.agus-selbsthilfe.de, www.agus-selbsthilfe.de/trauer-nach-suizid) und die Hilfsorganisation Anuas e. V. für Angehörige von Mord- /Tötungs-/Suizid- und Vermisstenfällen (www.anuas.de). 13. Hat der Senat Kenntnis über das Projekt „600 Leben – Gemeinsam Suizid verhindern“ und wie bewertet der Senat Projekte wie dieses? Zu 13.: Der Senat hat Kenntnis über das o. a. Projekt. Die erste Aktion hat am 10. September 2014, zum Welttag der Suizidprävention, vor dem Brandenburger Tor stattgefunden. Die Organisatoren - zahlreiche Hilfsorganisationen aus dem Bereich „Seelische Gesundheit“- wollen auch am diesjährigen Welttag durch gemeinsame Aktionen auf die komplexe Problematik Suizidalität aufmerksam machen, insbesondere mit Blick auf die noch immer in der Gesellschaft vorhandenen Tabus bei den Themen Depression und Suizid. Das Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland versteht die Suizidprävention als eine gesellschaftliche Aufgabe unter Beteiligung aller professionellen Berufsgruppen, Institutionen und Laien, die weit über die Bereiche der Gesundheitspolitik hinausgeht (http://www.suizidpraevention-deutschland.de/). Zahlreiche Studien zur Suizidprävention zeigen Möglichkeiten der gezielten positiven Beeinflussung der Suizidraten . Durch regionale Initiativen/Projekte kann eine deutliche Reduktion der Anzahl der Suizide erreicht werden. Der Senat unterstützt Initiativen und Aktivitäten, die einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung an Depression erkrankter Menschen und zur Reduktion der Anzahl von Suiziden leisten. Berlin, den 10. September 2015 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Sep. 2015) Tabelle 1: Geschlechts- und altersspezifische Mortalität bei Suizid in Berlin 2011- 2013 (zusammengefasst) - absolut weibl. männl. insesamt weibl. männl. insesamt weibl. männl. insesamt weibl. männl. insgesamt 0 - - - - - - - - - - - - 1 - 4 - - - - - - - - - - - - 5 - 9 - - - - - - - - - - - - 10 - 14 - - - - - - - - - - - - 15 - 19 8 2 10 6 1 7 2 1 3 25,0 50,0 30,0 20 - 24 8 37 45 8 33 41 - 4 4 0,0 10,8 8,9 25 - 29 17 47 64 16 40 56 1 7 8 5,9 14,9 12,5 30 - 34 17 48 65 16 39 55 1 9 10 5,9 18,8 15,4 35 - 39 14 47 61 10 35 45 4 12 16 28,6 25,5 26,2 40 - 44 31 57 88 29 50 79 2 7 9 6,5 12,3 10,2 45 - 49 27 77 104 27 73 100 - 4 4 0,0 5,2 3,8 50 - 54 33 82 115 32 74 106 1 8 9 3,0 9,8 7,8 55 - 59 20 54 74 19 53 72 1 1 2 5,0 1,9 2,7 60 - 64 22 38 60 21 36 57 1 2 3 4,5 5,3 5,0 65 - 69 20 54 74 20 54 74 - - - 0,0 0,0 0,0 70 - 74 25 60 85 24 60 84 1 - 1 4,0 0,0 1,2 75 - 79 21 45 66 20 45 65 1 - 1 4,8 0,0 1,5 80 - 84 22 33 55 22 33 55 - - - 0,0 0,0 0,0 85 und älter 28 35 63 28 35 63 - - - 0,0 0,0 0,0 insgesamt 313 716 1.029 298 661 959 15 55 70 4,8 7,7 6,8 < 65 Jahre 197 489 686 184 434 618 13 55 68 6,6 11,2 9,9 > 65 Jahre 116 227 343 114 227 341 2 - 2 1,7 0,0 0,6 (Datenquelle: AfS Berlin-Brandenburg / Berechnung: SenGesSoz - I A -) absolut Alter in Jahren Suizidsterbefälle (ICD-10 Nrn. X60-X84) / 2011-2013 / zusammengefasst insgesamt Deutsche Ausländer Anteil Ausländer in % Tabelle 2: Geschlechts- und altersspezifische Mortalität bei Suizid in Berlin 2011- 2013 (zusammengefasst) - je 100.000 der Altersgruppe / altersstand.Eurobev. alt weibl. männl. insesamt weibl. männl. insesamt weibl. männl. insesamt weibl. männl. insgesamt 0 - - - - - - - - - - - - 1 - 4 - - - - - - - - - - - - 5 - 9 - - - - - - - - - - - - 10 - 14 - - - - - - - - - - - - 15 - 19 4,1 1,0 2,6 3,7 0,6 2,1 6,9 3,4 5,1 88,8 471,6 143,8 20 - 24 2,4 11,9 7,0 2,9 12,6 7,6 - 8,2 3,9 - -34,9 -49,1 25 - 29 4,1 11,7 7,8 4,7 12,1 8,3 1,3 9,8 5,4 -71,9 -18,8 -34,8 30 - 34 4,3 12,0 8,2 5,0 12,1 8,6 1,3 11,8 6,7 -73,3 -1,8 -22,5 35 - 39 4,4 13,9 9,3 3,9 13,2 8,7 5,8 16,9 11,5 48,1 28,1 32,3 40 - 44 8,7 15,1 12,0 9,8 16,0 12,9 3,3 10,7 7,2 -66,1 -32,8 -44,7 45 - 49 6,5 17,8 12,3 7,4 19,4 13,5 - 7,0 3,8 -100,0 -63,9 -72,1 50 - 54 9,1 21,9 15,6 9,8 22,2 16,1 2,7 19,8 11,7 -72,1 -10,8 -27,2 55 - 59 6,3 17,8 11,9 6,7 19,3 12,9 3,2 3,5 3,3 -51,7 -82,1 -74,1 60 - 64 7,2 13,9 10,4 7,7 14,3 10,9 3,3 8,7 5,7 -56,4 -39,2 -47,7 65 - 69 7,3 21,8 14,2 7,9 23,6 15,4 - - - - - - 70 - 74 7,8 22,3 14,5 7,9 23,7 15,0 7,3 - 3,4 -7,3 - -77,3 75 - 79 9,3 26,8 16,7 9,1 28,2 17,2 12,8 - 6,1 40,1 - -64,4 80 - 84 15,4 38,5 24,1 15,9 40,0 24,9 - - - - - - 85 und älter 18,1 72,4 31,0 18,6 75,7 32,0 - - - - - - insgesamt1) 6,1 14,6 10,2 6,6 15,5 10,9 2,4 8,9 5,7 -62,9 -42,5 -47,9 insgesamt2) 4,8 12,3 8,4 5,2 12,8 8,7 2,3 6,8 4,6 -54,8 -47,1 -47,7 < 65 Jahre2) 4,3 10,3 7,3 4,6 10,6 7,6 2,1 7,6 4,9 -54,4 -28,2 -35,7 > 65 Jahre2) 9,5 29,0 17,2 9,8 30,7 18,0 4,3 - 2,0 -56,0 - -88,6 1) Je 100.000 der durchschnittlichen Bevölkerung. 2) Je 100.000 / altersstand. Eurobev. alt. (Datenquelle: AfS Berlin-Brandenburg / Berechnung: SenGesSoz - I A -) je 100.0001) Alter in Jahren Suizidsterbefälle (ICD-10 Nrn. X60-X84) / 2011-2013 / zusammengefasst insgesamt Deutsche Ausländer Anteil Ausländer in % Tabelle3: weiblich männlich weiblich männlich weiblich männlich Mitte 34 72 7,1 14,4 6,8 12,6 Friedrichshain-Kreuzberg 20 55 5,3 14,0 4,4 13,7 Pankow 27 70 4,9 13,2 3,8 11,6 Charlottenburg-Wilmersdorf 44 54 9,4 12,9 6,2 10,6 Spandau 26 51 7,7 16,3 5,8 13,9 Steglitz-Zehlendorf 20 62 4,4 16,0 3,2 12,9 Tempelhof-Schöneberg 25 67 5,0 14,6 4,1 12,2 Neukölln 21 62 4,5 13,7 3,6 12,1 Treptow-Köpenick 21 59 5,6 16,9 4,8 12,4 Marzahn-Hellersdorf 19 59 5,0 16,3 3,8 13,4 Lichtenberg 26 52 6,6 13,8 6,3 11,7 Reinickendorf 30 53 8,0 15,1 6,8 13,3 Berlin 313 716 6,1 14,6 4,8 12,3 Deutschland 7.728 22.382 6,3 17,3 4,7 15,6 1) Je 100.000 der durchschnittlichen Bevölkerung / Bevölkerungsfortschreibung auf Grundlage des Zensus 2011. 2) Je 100.000 direkt altersstandardisiert an der Eurobev. alt. (Datenquelle: StBA / AfS Berlin-Brandenburg / Berechnung: SenGesSoz - I A -) Suizidsterbefälle (ICD-10 Nrn. X60 - X84) Geschlechtsspezifische Mortalität bei Suizid in Berlin und Deutschland 2011 - 2013 (zusammengefasst) nach Bezirken - absolut und je 100.000 / alle Altersgruppen Bezirk Sterbefälle / alle Altersgruppen 2011 - 2013 absolut rohe Mortalitätsrate 1) DMR 2) Tabelle 4: weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. Berlin 1992 211 339 111 270 100 69 9,0 19,1 7,0 15,9 25,7 44,8 1993 191 364 105 288 86 76 8,0 20,4 6,3 17,0 22,0 47,9 1994 202 365 119 288 83 77 8,8 20,7 7,2 16,9 21,9 51,1 1995 206 428 126 343 80 85 9,6 24,1 8,0 20,4 22,0 54,3 1996 199 385 126 334 73 51 8,8 20,8 7,6 19,3 18,5 33,2 1997 170 350 109 305 61 45 7,6 18,8 6,6 17,5 15,1 29,3 1998 153 294 97 244 56 50 7,0 16,6 5,7 14,7 17,5 32,0 1999 162 321 103 273 59 48 7,4 17,7 6,3 16,1 15,9 30,1 2000 144 328 91 263 53 65 6,7 18,5 5,7 15,9 14,2 39,1 2001 124 310 67 251 57 59 5,3 17,2 4,1 15,1 14,6 34,1 2002 163 303 102 246 61 57 7,3 16,5 6,2 14,6 16,2 32,0 2003 142 367 100 313 42 54 6,5 19,8 6,0 18,7 11,1 29,4 2004 107 291 59 232 48 59 4,8 15,4 3,7 13,8 13,2 28,1 2005 135 282 85 225 50 57 6,1 14,8 5,3 13,4 12,6 26,0 2006 125 294 85 231 40 63 6,0 15,7 5,3 14,2 11,1 27,5 2007 128 305 80 217 48 88 5,7 15,7 4,9 13,2 11,6 36,0 2008 82 265 51 190 31 75 3,7 13,4 3,2 11,5 8,0 29,3 2009 85 201 54 145 31 56 4,0 10,2 3,4 8,9 8,2 21,2 2010 105 261 60 193 45 68 4,6 13,6 3,7 12,0 11,2 26,1 2011 100 253 71 167 29 86 5,0 13,2 4,8 10,7 6,8 33,6 2012 98 233 59 162 39 71 4,5 12,3 3,8 10,2 10,4 29,1 2013 115 230 67 160 48 70 5,0 11,5 4,2 9,9 11,5 24,3 (Datenquelle: StBA / AfS Berlin-Brandenburg / Berechnung: SenGesSoz - I A -) über 65 Jahre Geschlechts- und altersspezifische Mortalität bei Suizid in Berlin 1992 - 2013 - absolut und je 100.000 / altersstand. Eurobev. alt Region / Jahr Sterbefälle an Suizid absolut je 100.000 alle AG unter 65 Jahre über 65 Jahre alle AG unter 65 Jahre S17-16877 S1716877_Anlage Tab 1_Suizid D A AG Tab 2_Suizid AG je 100.000 Tab 3_Suizid Bezirke Tab 4_Suizid Zeitreihe