Drucksache 17 / 16 963 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 08. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. September 2015) und Antwort Rechtslage für Genehmigungspraxis von Ferienwohnungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwieweit wird ab 1. Mai 2016 bei Genehmigungsverfahren für Ferienwohnungen das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 19.02.2014, Az.: 3 L 212/12 (Ferienwohnungen sind in einem reinen Wohngebiet regelmäßig unzulässig; ein Gebäude mit Ferienwohnungen ist kein Wohngebäude im Sinne des Bauplanungsrechts ; es ist daher im reinen Wohngebiet nicht allgemein zulässig) in Verbindung mit § 3 BauNVO, wonach kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise durch einen Bebauungsplan zugelassen werden können, berücksichtigt? Antwort zu 1: Am 30. April 2016 läuft der genehmigungsfreie Übergangszeitraum für diejenigen Ferienwohnungsbetreiber aus, die ihre Ferienwohnung vorab fristgemäß beim Bezirksamt (Fachbereich Zweckentfremdung ) angezeigt hatten. Zum 1. Mai 2016 müssen die Betreiberinnen und Betreiber von Ferienwohnungen beim örtlichen Bezirksamt eine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung zur Fortführung der Ferienwohnungsnutzung beantragen. Das genannte Urteil des Oberverwaltungsgericht (OVG) Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Februar 2014 spielt für diese Genehmigung keine Rolle, denn die Voraussetzungen der Zweckentfremdungsgenehmigung beziehen sich nicht auf das bestehende Bauplanungsrecht . Nach dem Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Februar 2014 sind Ferien-wohnungen in einem reinen Wohngebiet planungsrechtlich regelmäßig unzulässig. Diese Rechtsauffassung wird durch den Senat geteilt. Eine Nutzung als Ferienwohnung liegt vor, wenn eine Wohnung ständig wechselnden Gästen zum vorrübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird. In der Verwaltungspraxis und in den Verwaltungsgerichtsverfahren in Berlin ist es schwierig, den Nachweis über den „vorrübergehenden“ Charakter des Aufenthalts zu erbringen (vgl. Beschluss des OVG BerlinBrandenburg vom 6. Juli 2006, Az.: 2 S 2.0 (Boardinghouse in der Rosa-Luxemburg-Straße, Bezirk Mitte), Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin vom 23. Januar 2012, Az.: 19 L 294.11 (Wilhelmstraße, Bezirk Mitte) und Beschluss des VG Berlin vom 28. März 2012, Az.: 19 L 18.12 (Ortsteil Schöneberg)). Im letzten Jahr konnte in einem Verwaltungsgerichtsverfahren zum ersten Mal der Nachweis des „vorübergehenden “ Charakters des Aufenthalts in den Ferienwohnungen erbracht werden (vgl. Beschluss des VG Berlin vom 21. Februar 2014, Az.: 13 L 274.13). Ausschlaggebend war, dass der „vorübergehende“ Charakter des Aufenthalts nicht nur einen wenige Tage dauernden, sondern auch einen Wochen bemessenen Aufenthalt umfasst. Der Aufwand für diesen Nachweis war im konkreten Fall erheblich. Frage 2: Inwieweit wird ab 1. Mai 2016 bei Genehmigungsverfahren für Ferienwohnungen das Urteil des OVG Greifswald vom 28. Dezember 2007, Az 3 M 190/07 berücksichtigt, wonach in allgemeinen Wohngebieten mit Bebauungsplan, in dem die Gemeinde Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO (Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise zuzulassen) explizit nicht zugelassen hat, eine Ferienwohnung auch nicht genehmigt werden kann? Antwort zu 2: Nach dem Beschluss des OVG Mecklenburg -Vorpommern vom 28. Dezember 2014 handelt es sich bei der Ferienwohnnutzung gegenüber der allgemeinen Wohnnutzung um eine eigenständige planungsrechtliche Nutzungsart und ist deshalb in allgemeinen Wohngebieten nicht zulässig. Darüber besteht soweit ersichtlich Einigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung (Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Dezember 2013, Az.: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 963 2 1 LA 123/13, VGH 1 München, Beschluss vom 4. September 2013, Az.: 14 ZB 13.6). Das Urteil des OVG Berlin -Brandenburg vom 11. Oktober 2007, Az.: 2 A 2.07, zum Bebauungsplan I-202 b (Wilhelmstraße, Bezirk Mitte ) steht der oben genannten obergerichtlichen Rechtsprechung nicht entgegen, weil in diesem Urteil nur festgestellt wurde, dass durch den Ausschluss von Beherbergungsbetrieben die Nutzung von Ferienwohnungen nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Rechtsauffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung wird durch den Senat geteilt. Frage 3: Inwieweit hat sich die Rechtsauffassung des Senats, Ferienwohnungen seien dem Wohnen zuzuordnen , durch o.g. Urteile, die besagen, die Ferienwohnungsnutzung stelle gegenüber der allgemeinen Wohnnutzung eine eigenständige Nutzungsart dar, geändert? Antwort zu 3: Zweckentfremdungsrechtlich wird zwischen einer allgemeinen Wohnnutzung und der Wohnraumnutzung als Ferienwohnung unterschieden. Sinn und Zweck des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes ist es sicherzustellen, dass Wohnraum ausschließlich zum Wohnen und nicht zu anderen, nicht dem Wohnen dienenden Zwecken, bspw. der Ferienwohnungsnutzung, verwendet wird. In planungsrechtlicher Hinsicht wird auf die Antworten zu Frage 1 und 2 verwiesen. Frage 4: Welche Gebiete in Berlin sind reine Wohngebiete und von der rechtlichen Situation betroffen (bitte nach Bezirken und in einer Karte darstellen)? Antwort zu 4: Zahl der Bebauungspläne seit 2004 mit Festsetzung „reines Wohngebiet“ Bezirke Zahl der Bebauungspläne Spandau 7 Steglitz-Zehlendorf 2 Neukölln 3 Marzahn-Hellersdorf 17 Reinickendorf 3 gesamt: 32 Hinzugezählt werden müssen die vor dem Jahr 2004 festgesetzten Bebauungspläne mit der Ausweisung „reines Wohngebiet“ und die entsprechenden, noch gültigen Ausweisungen des Baunutzungsplans in Verbindung mit der Bauordnung von 1958. Für diese Zahlen stehen dem Senat aber keine Statistik-Unterlagen zur Verfügung. 1 Verwaltungsgerichtshof Frage 5: Welche Gebiete in Berlin sind allgemeine Wohngebiete und von der rechtlichen Situation betroffen (bitte nach Bezirken und in einer Karte darstellen)? Antwort zu 5: Zahl der Bebauungspläne seit 2004 mit Festsetzung „allgemeines Wohngebiet“ Bezirke Zahl der Bebauungspläne Mitte 62 Friedrichshain-Kreuzberg 14 Pankow 10 Charlottenburg-Wilmersdorf 20 Spandau 51 Steglitz-Zehlendorf 12 Tempelhof-Schöneberg 30 Neukölln 34 Treptow-Köpenick 31 Marzahn-Hellersdorf 44 Lichtenberg 37 Reinickendorf 46 gesamt: 391 Auch hier müssen die vor dem Jahr 2004 festgesetzten Bebauungspläne mit der Ausweisung „allgemeines Wohngebiet“ und die entsprechenden, noch gültigen Ausweisungen des Baunutzungsplans in Verbindung mit der Bauordnung von 1958 hinzugezählt werden. Für diese Zahlen stehen dem Senat aber keine Statistik-Unterlagen zur Verfügung. Frage 6: Wie viele der derzeitig mit Bestandschutz betriebenen Ferienwohnungen befinden sich in reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten (bitte nach Bezirken auflisten)? Antwort zu 6: Für diese Zahlen stehen dem Senat keine Statistik-Unterlagen zur Verfügung. Frage 7: Wie soll nach Auffassung des Senats bei Genehmigungsverfahren für Ferienwohnungen für § 34- Gebiete entschieden werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet nach BauNVO entspricht? Antwort zu 7: Die oben aufgeführte Rechtsauffassung des Senats (vgl. Antwort zu Frage 1 und 2) ist auch bei Genehmigungsverfahren für Ferienwohnungen für § 34- Gebiete anzuwenden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet nach Baunutzungsverordnung (BauNVO) entspricht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 963 3 Frage 8: Welche Bindungswirkungen in Bezug auf Ferienwohnungen entfaltet der Baunutzungsplan in Verbindung mit der Bauordnung von 1958 und welche Auswirkungen wird dies auf die Genehmigungspraxis ab 1. Mai 2016 in Gebieten des Baunutzungsplans haben? Antwort zu 8: Die Antworten zu 1 und 2 gelten auch für die „reinen Wohngebiete“ und „allgemeinen Wohngebiete “ des übergeleiteten Baunutzungsplans in Verbindung mit der Bauordnung von 1958. Die in § 7 Nummer 8 Buchstabe b Bauordnung von 1958 genannten „Fremdenheime “ sind nur kleine Pensionen (vgl. Beschluss des OVG Berlin vom 26. Februar 1993, Az.: 2 S 1.93). Auch wenn man die Regelungen der Baunutzungs-verordnung von 1990 als sachverständige Konkretisierung allgemeiner städtebaulicher Grundsätze im Interesse einer anzustrebenden Harmonisierung des übergeleiteten mit dem neuen Recht heranzieht, ist die oben genannte Rechtsauffassung für die Ausweisungen des übergeleiteten Baunutzungsplans heranzuziehen. Berlin, den 21. September 2015 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Sep. 2015)